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Wirtschaft: Der Euro-Streit entzweit Premier und Schatzkanzler Blair und Brown streiten um das Geld – und um die Macht

Sie sprechen nicht mehr miteinander. Der britische Premier Tony Blair und sein Schatzkanzler Gordon Brown stehen sich feindlicher denn je gegenüber.

Sie sprechen nicht mehr miteinander. Der britische Premier Tony Blair und sein Schatzkanzler Gordon Brown stehen sich feindlicher denn je gegenüber. War es früher nur die Entourage aus Beratern und Vertrauten, die die Presse mit Nachrichten über den Streit der Rivalen informierte, lässt seit kurzem Brown kaum eine Gelegenheit aus, Blair anzugreifen. Zankäpfel sind die Gesundheits- und die Bildungspolitik. Der Streit kumuliert jedoch vor allem in einem Thema: dem Euro.

Seit Labour im Sommer wiedergewählt wurde, warten die Briten auf Blairs Startschuss für die Kampagne, die der versprochenen Volksabstimmung über den Beitritt Großbritanniens zur Euro-Währungsunion vorausgehen soll. Aber nichts geschieht. Dabei besteht kein Zweifel daran, dass Blair den Euro will. Allein, ihm fehlt die Courage. Und auch die Rückendeckung Browns.

Der Finanzminister aber hat es in der Hand, ob Großbritannien dem Euro beitreten wird. Bereits 1997 hatte die damals frisch gewählte Labour-Regierung versprochen, erst dann das Pfund der Einheitswährung zu opfern, wenn fünf ökonomische Tests positiv ausgefallen seien: Gibt es eine dauerhafte Konvergenz zwischen der britischen Wirtschaft und der der Euroländer? Bleibt der Insel Flexibilität, um mit Konjunkturschwankungen fertig zu werden? Welchen Einfluss wird der Euro haben auf Investitionen, auf die für das Königreich so wichtige Finanzbranche und auf den Arbeitsmarkt? Die Antworten darauf obliegen dem Finanzminister. Nur wenn sie für den Euro-Beitritt sprechen, will Labour das Volk zur Abstimmung rufen.

Die Uhr tickt. Bis zum Juni 2003 soll Brown das Ergebnis der Tests vorlegen. Je näher der Termin rückt, desto mehr Risiken scheint der Schatzkanzler im Euro zu entdecken. Gegenüber führenden Managern des britischen Unternehmerverbandes kritisierte Brown die „Kurzsichtigkeit“ jener, die angesichts des sinkenden Wachstums geringere Ausgaben und weniger Schulden forderten. Die Konsequenz eines solchen prozyklischen Verhaltens seien sinkende Nachfrage und höhere Arbeitslosigkeit, warnte er. Euro-Gegner interpretierten die Rede prompt als Schelte des EU-Stabilitätspaktes.

Starkes Pfund schadet den Exporten

Noch deutlicher wurde Brown kurz darauf, als er dem Parlament seinen Etat-Entwurf vorlegte. Großbritannien und Nordamerika, betonte er, würden auch 2003 das stärkste Wachstum aller Industrienationen aufweisen – im Gegensatz, so lag unausgesprochen in diesem Hinweis, zur Euro-Zone. Im übrigen hoffe er, dass alle Parteien ihm darin zustimmten, dass die geld- und steuerpolitischen Grundsätze Labours von 1997 „die besten Regeln für die britische Wirtschaft“ seien. Sie erlauben es Brown, die auch im Königreich schwächelnde Wirtschaft mit höheren Ausgaben anzukurbeln. Dagegen, so schwang in des Schatzkanzlers Rede mit, zwinge der Stabilitätspakt der Europäischen Union die Euro-Länder, trotz Konjunkturschwäche die Ausgaben zu senken, die Steuern zu erhöhen und so die Wirtschaft weiter zu belasten.

Dabei kann auch Brown, der den Briten eine in den vergangenen Jahrzehnten beispiellose Stabilität beschert hat, nicht übersehen, dass Großbritanniens Exporte unter dem starken Pfund immens leiden. Doch im Euro-Streit mit Blair geht es noch um eine simplere, sehr unökonomische Frage: Wer wird Großbritanniens nächster Premierminister? Angeblich hat Blair Brown versprochen, in der Mitte der laufenden Wahlperiode abzutreten. Das wäre in einem Jahr. Doch der Wechsel erscheint mit jedem Tag unwahrscheinlicher. Und Brown scharrt immer lauter mit den Hufen. Wie sagte Euro-Fan Blair beim jüngsten Labour-Parteitag: „Bei der Frage des Euro-Beitritts geht es nicht nur um unsere Wirtschaft, es geht um unser Schicksal.“ Im Lichte des Streites mit Brown bekommen die Worte auf einmal eine neue Bedeutung.

Imke Henkel[London]

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