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Wirtschaft: Der Mann ohne Eigenschaften

Für die Londoner Finanzwelt ist er "Magic Dorman", das "Manager Magazin" wählte ihn 1995 zum "Manager des Jahres". Für seine Gegner ist er jedoch der Rambo unter den deutschen Konzernbossen oder auch der Totengräber des traditionsreichen Chemiekonzerns Hoechst.

Für die Londoner Finanzwelt ist er "Magic Dorman", das "Manager Magazin" wählte ihn 1995 zum "Manager des Jahres". Für seine Gegner ist er jedoch der Rambo unter den deutschen Konzernbossen oder auch der Totengräber des traditionsreichen Chemiekonzerns Hoechst. Bei Jürgen Dormann, dem Vorstandschef des Hoechst-Konzerns, scheiden sich die Geister.1994 übernahm er als erster Nicht-Chemiker die Führung des Konzerns. Mit hohem Tempo machte er sich daran, das Unternehmen zu "entrosten" und aus dem ehemaligen Chemiekonzern ein modernes Life-Science-Unternehmen zu formen. Life-Science ist die Entwicklung von Produkten für Gesundheit und Ernährung. Arzneimittel gegen schwerwiegende Krankheiten, hochwertige Nahrungsmittel sowie eine umweltverträgliche Landwirtschaft seien "Grundbedürfnisse, denen wir mit Fortschritten in den Life Sciences auch in Zukunft gerecht werden können", sagte Dormann auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Hoechst AG am Donnerstag. Am Ende seines 1994 begonnenen radikalen Konzernumbaus steht nicht weniger als das Ende der 135jährigen Geschichte des Frankfurter Unternehmens Hoecht, das nach der Fusion mit der französischen Rhône-Poulenc im staatenlosen Gebilde Aventis aufgehen wird.Den radikalen Wandel, den Dormann dem Unternehmen auferlegte, pflegt der asketisch wirkende Manager im beruflichen und privaten Leben nicht. Dormann gilt als kühl und leidenschaftslos. 1940 in Heidelberg geboren, begann er nach seinem Studium der Volkswirtschaft 1963 als Trainee bei Hoechst, verbrachte sein gesamtes bisheriges Berufsleben dort. 1994 trat er die Nachfolge des Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Hilger an, der damals wegen seiner restriktiven Informationspolitik nach einer Reihe von Störfällen im Frankfurter Hoechst-Werk heftig kritisiert wurde. Dormann verhinderte, daß Hilger seinen Posten im Aufsichtsrat bekam und begann selbst einen intensiven Dialog mit der Öffentlichkeit. Er machte sich sofort an den Umbau von Hoechst und den Ausbau des Pharmabereichs: Aus 15 Geschäftsbereichen wurden sieben, von 170 000 Mitarbeitern arbeiten 70 000 heute nicht mehr im Konzern.Bei den tiefreichenden und bisweilen kurvenreichen Veränderungen konnte Kritik am Tempomacher nicht ausbleiben. 1998 schrieben rund 400 Manager der Pharma-Tochter Hoechst Marion Roussel einen offenen Brief, in dem sie Dormann "ruf- und geschäftsschädigenes Verhalten" vorwarfen und den Aufsichtsrat aufforderten, "dem sprunghaften Agieren von Herrn Dormann so schnell wie möglich Einhalt zu gebieten". Erstaunlich heftige Kritik am zukünftigen Chef von Aventis äußerten auch die Aktionäre auf der Hauptversammlung am Donnerstag in Frankfurt. Für seine kritische Rede erhieltein Aktionärsvertreter längeren Applaus als Dormann selbst. Die Kleinaktionäre beschwerten sich, als letzte über die Details der Fusion informiert worden zu sein.Dormann hat sein ehrgeiziges Ziel, aus Hoechst wieder eines der weltweitführenden Pharmaunternehmen zu machen, erreicht - auch wenn dies jetzt unter neuem Namen geschieht. Künftig wird Dormann, der fließend französisch spricht, die Geschicke der Aventis von Straßburg aus leiten.

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