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Wirtschaft: „Der Mensch muss wieder im Mittelpunkt stehen“

Ein guter Umgang rechnet sich: Glückliche Mitarbeiter sind motivierter, produktiver und loyaler

Herr Ruckriegel, viele Betriebe kämpfen mit den Folgen der Krise. Bleibt da Zeit, sich auch noch um das Glück der Mitarbeiter zu kümmern?

Diese Zeit sollte man sich nehmen, denn glückliche Mitarbeiter rechnen sich für ein Unternehmen. Wer mit seinem Beruf zufrieden ist, geht darin auf und sieht ihn nicht nur als Broterwerb an. Zufriedene Beschäftigte sind motivierter, kreativer, loyaler und produktiver. Auch den Kunden gegenüber treten sie anders auf – im Grunde also eine Win-Win-Situation für alle. Leider ist das durch den Shareholder-Value-Ansatz der letzten 30 Jahren ziemlich aus dem Blickfeld gerückt. Inzwischen hat aber auch die Managementlehre erkannt, dass der Mensch wieder stärker im Mittelpunkt stehen muss.

Gibt es ein Patentrezept für eine glückliche Belegschaft? Oder sind das viele kleine Bausteine?

Ein wichtiger Punkt ist die oft zitierte Work-Life-Balance, die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Geht beides Hand in Hand, stellt sich automatisch Zufriedenheit ein. Um das zu erreichen, gibt es viele Wege, etwa Teilzeit-, Gleitzeit- oder Telearbeit. Aber zum Beispiel auch die Möglichkeit, Auszeiten zu nehmen, etwa im Rahmen eines Sabbaticals oder für die Pflege von Angehörigen. Dabei ist Familienfreundlichkeit kein Almosen des Arbeitgebers. Schon heute sind in vielen Bereichen qualifizierte Fachkräfte knapp, der demographische Wandel wird das noch verstärken. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind ein wichtiger Wettbewerbsfaktor.

Welche Rolle spielen Vorgesetzte?

Eine sehr wichtige. Wer sich von seinem Chef ernst genommen und gefördert fühlt, ist natürlich zufriedener. Vorgesetze sollten Interesse am Wohlergehen ihrer Mitarbeiter zeigen, sie in Entscheidungsprozesse einbinden und sie fair behandeln. Auch die persönliche Förderung, etwa durch Mentoring oder Weiterbildung, spielt eine große Rolle. Nicht zu vergessen die Vorbildfunktion, die Vorgesetzte haben. Leider sieht die Realität in deutschen Unternehmen anders aus. Führungskräfte werden von vielen Beschäftigten zwar als aufgabenorientiert und technisch versiert eingestuft, gleichzeitig aber als wenig inspirierend und sozial inkompetent. Eine internationale Studie zum Führungsverhalten hat 2007 gezeigt: Deutsche Manager legen im Vergleich zu anderen Nationen sehr viel weniger Wert auf Zwischenmenschliches wie Fairness, Umsicht und Höflichkeit.

Kommen diese Werte in der Managementausbildung zu kurz?

Auf jeden Fall. Nicht umsonst kritisiert etwa Thomas Sattelberger, der Personalvorstand der Deutschen Telekom, seit Jahren die MBA-Ausbildung. Um Probleme in Unternehmen nachhaltig zu lösen, ist seiner Meinung nach nicht nur Ökonomie wichtig. Es gehe auch um Geschichte, Soziologie, Psychologie und die Reflexion der eigenen Person. An immer mehr Hochschulen wird das jetzt in Gestalt des „positiven Managements“ auch umgesetzt, ethische Fragen werden verstärkt diskutiert. Die Arbeitswirklichkeit sieht aber oft anders aus.

Was macht noch glücklich im Job?

Ein dritter Aspekt ist die Gestaltung der Arbeitsinhalte. Wir alle wissen, wie die Zeit verfliegt, wenn wir einer fesselnden Beschäftigung nachgehen. Forscher nennen das Flow-Effekt: der Zustand, in dem Menschen in ihrer Tätigkeit aufgehen. Um das zu erreichen, müssen die Fähigkeiten und Talente des einzelnen zur Geltung kommen können. Er muss das Gefühl haben, dass seine Arbeit für andere von Bedeutung ist. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn er ein nützliches Produkt herstellt. Oder wenn er sich mit seinem Unternehmen identifiziert, etwa weil der Betrieb gesellschaftlich engagiert ist. Und ein Mitarbeiter muss sich als Teil eines Teams empfinden, nicht bloß als kleines Rädchen im Getriebe.

Klingt gut, aber ist das in vielen Berufen nicht etwas viel verlangt?

Früher glaubte man tatsächlich, dass sich dieser Flow-Effekt nur bei bestimmten Berufen einstelle, etwa bei Priestern oder Professoren, die sich zu ihrer Arbeit berufen fühlen. Neuere Studien zeigen aber, dass das nicht stimmt. In den USA hat man zum Beispiel Untersuchungen mit Reinigungskräften in Krankenhäusern gemacht. Dabei kam heraus: Diejenigen, die den Job nur als Gelderwerb sahen, waren unzufriedener als diejenigen, die sich als Teil eines Teams fühlten, das Menschen wieder gesund macht. Letztere nahmen sich zum Beispiel auch Zeit dafür, mit den Patienten zu sprechen oder deren Zimmer ein wenig zu verschönern.

Glücksforscher

Karlheinz Ruckriegel
ist Professor am

Fachbereich Betriebswirtschaft der Georg-

Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg.

Das Gespräch führte Silke Zorn.

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