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Wirtschaft: Der Metropole Berlin läuft die Zeit davon

BERLIN .Berlin - Metropole mit Zukunft an der Schnittstelle zwischen Ost und West, Tummelplatz für die jungen, innovativen Köpfe?

BERLIN .Berlin - Metropole mit Zukunft an der Schnittstelle zwischen Ost und West, Tummelplatz für die jungen, innovativen Köpfe? Weit gefehlt.Mögen sich die Hauptstadtwerber noch so sehr bemühen, im Ausland kommen ihre Sprüche offenbar nicht an.David Seddon, bei der Immobilienagentur Jones Lang Wotton zunächst in Frankfurt und nun in London zuständig für die Beratung internationaler Investoren, zeichnet ein anderes Bild.Berlin, das sei eine Verwaltungsstadt mit schlechten Verkehrsanbindungen an das westliche Europa, einem provinziellen Flughafen, hohen Produktionskosten, Unternehmen, die in weiten Teilen die Subventionsmentalität noch nicht abgelegt haben, und einem Lichtblick: Es gebe gut ausgestatte Büroflächen in ausreichender Zahl.So schätze man im Ausland die Möglichkeiten an der Spree ein, sagte Seddon einem erstaunten Publikum auf dem 5.Hauptstadtsymposium zum Immobilienstandort Berlin.Attraktive Investitionsstandorte sehen anders aus.

Doch Seddon war mit seiner Negativliste noch lange nicht am Ende.Deutschland dürfe sich nicht wundern, daß ausländische Investoren ausblieben - der Markt habe sich systematisch abgeschottet."Frustriert" registriere man im Ausland, daß der größte europäische Immobilienmarkt fest in der Hand der lokalen "Platzhirsche" sei.Diese profitierten nicht nur von Steuervorteilen, die ihnen die im internationalen Vergleich magere Rendite versüßten, sondern auch von einem gewaltigen Informationsvorsprung - denn von "Transparenz" sei am deutschen Immobilienmarkt nichts zu spüren, klagte der Makler."Mit einer Rendite von durchschnittlich 3,5 Prozent auf dem gewerblichen Immobilienmarkt ist der Markt für ausländische Investoren einfach nicht attraktiv." Wer sich dennoch nach Berlin wagt, werde zudem, so Seddon, mit einer "verwirrenden Vielfalt" von Anlaufstellen konfrontiert - von der IHK, über Wirtschaftsförderung bis zu den diversen Senats- und Bezirksverwaltungen.Das sorge kaum für Begeisterung.Wie anders lasse sich erklären, daß auf der "größten Baustelle Europas" nur zwei maßgebliche internationale Investoren Fuß faßten, nämlich Tishman Speyer und Générale des Eaux, und dies auch nur, weil sie sich mit lokalen Größen verbündeten?

Schließlich, so Seddon, gebe es auch Alternativen.Mit dem Start des Euro verändere sich "die Wirtschaftsgeographie" in Europa.Das Kapital kenne keine Grenzen mehr, gleichzeitig buhlten viele Städte als "Zentren" mit einem klaren Profil um die Gunst der Investoren.Die Konkurrenz für Berlin werde immer stärker.

Selbst dem professionellen Hauptstadtwerber Volker Hassemer verschlug es angesichts dieser Kritik fast die Sprache.Wer Berlin als Verwaltungsstadt bezeichne, habe die Entwicklung der vergangenen Jahre wohl vollständig übersehen, konterte er schließlich.An der Spree entstehe eine "völlig neue Stadt".Moderne Infrastruktur mitten im Zentrum, junge, innovative Dienstleister - diesen "Modernisierungsvorsprung" werde Berlin bald ausspielen können.So ein Umbruch sei aber nicht über Nacht zu bewerkstelligen.Viel sei schon erreicht."Wir haben jetzt Halbzeit.Warten Sie noch zehn Jahre", rief er Seddon zu.Doch dieser ließ sich nicht beirren."Soviel Zeit hat Berlin nicht."

MARGARITA CHIARI

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