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Wirtschaft: Der Mineralölmittelstand ruft Kartellamt an - 70000 Jobs in Gefahr

In den letzten Monaten beherrschten aggressive Auseinandersetzungen um Marktanteilein in der liberalisierten Strombranche die Schlagzeilen der Presse. Nun gewinnt der Preiskampf an den Tankstellen immer größere Aufmerksamkeit.

In den letzten Monaten beherrschten aggressive Auseinandersetzungen um Marktanteilein in der liberalisierten Strombranche die Schlagzeilen der Presse. Nun gewinnt der Preiskampf an den Tankstellen immer größere Aufmerksamkeit. Der Mineralölmittelstand mit seinem Marktanteil von über 20 Prozent sieht sich schon in einer Existenz bedrohenden Krise. Durch einen bereits in der neunten Woche anhaltenden "Preiskrieg" sei das Ende der "ausgewogenen und leistungsfähigen Struktur des deutschen Mineralölmarktes mit einer Vielzahl von Anbietern" programmiert, warnt der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen "Uniti".

Auf der Klagebank sitzt die RWE-Tochter Dea Mineraloel AG, Hamburg. RWE-Dea hatte am 13. März gemeinsam mit neun anderen Partnern - darunter der Einzelhandelsriese Kaufhof - ein Rabattsystem auf der Basis einer "Pay-Back-Karte" eingeführt, mit der beim Tanken Bonuspunkte gutgeschrieben werden, die den Kunden zu einem späteren Zeitpunkt vergütet werden. Solche Bonussysteme mit spürbaren Preisnachlässen werden von internationalen Ölgesellschaften im Ausland bereits seit längerem praktiziert, so beispielsweise von der BP in Großbritannien bereits seit dem Jahre 1991. Hier zu Lande ist damit jedoch Neuland beschritten worde, und die mittelständische Konkurrenz scheint überrumpelt.

Ein Kundenbindungsprogramm auf der Basis von Pay-Back-Karten habe auch in Deutschland wie im Ausland einen wesentlichen Stellenwert für eine verbesserte Positionierung im Mineralölgeschäft, sagte Ulrike Haas, RWE-Dea-Sprecherin, dem Handelsblatt. Seit über zwei Jahren habe man an diesem Einführungsprogramm gearbeitet und nicht zuletzt deshalb die Offensive gestartet, um als nationale Gesellschaft gegenüber der internationalen Konkurrenz nicht ins Hintertreffen zu geraten. Haas verhehlt nicht, dass Dea auf diese Weise erfreuliche Absatzzuwächse in den letzten beiden Monaten erreicht habe. Man habe jedoch keineswegs eine neue "Unterpreismarke" gesetzt, sondern lediglich eine Innovationsoffensive in puncto Marketing eingeleitet. Im Übrigen seien Preiskämpfe in der Ölbranche keinesfalls eine Neuerscheinung, sondern sie hätten bereits das Marktbild der vergangenen Jahrzehnte geprägt. Dass die Konkurrenten mit massiven Preisnachlässen auf die Dea-Marketingoffensive geantwortet hätten, komme nicht überraschend; denn eine Reihe von Markenfirmen habe bereits vor der Dea-Aktion in erheblichem Umfang Marktanteile eingebüßt.

Uniti und die übrigen Verbände der Unabhängigen wehren sich gleichfalls. Morgen am Mittwoch ist eine Blockade der RWE-Dea-Raffinerie in Wesseling im Rheinland geplant. Das Bundeskartellamt in Bonn wurde zudem angerufen. Der Nachweis ruinöser Marktanteilsauseinandersetzungen wird derzeit zwar von den Bonner Wettbewerbshütern mit empirischen Argumenten zu belegen versucht; doch sind in der Vergangenheit solche Untersuchungen missbräuchlicher Machtausübung in der Regel ins Leere gelaufen.

In einer gemeinsamen Stellungnahme des Außenhandelsverbandes für Mineralöl und des Bundesverbandes Freier Tankstellen und Unabhängiger Mineralölhändler heißt es jedoch, monatlich verliere die Ölbranche durchschnittlich etwa 25-000 Mark pro Tankstelle beziehungsweise rund 500 Millionen Mark. Die mittelständischen Gesellschaften der Ölbranche könnten diesen Preiskampf nicht durchstehen. 70-000 Arbeitsplätze drohten bis Ende des Jahres 2000 verloren zu gehen.

jsn

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