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Wirtschaft: Der neue Harry Potter kommt

Joanne Rowling sagt, dass die Geschichte steht – es dauert aber noch Monate, bis das Buch erscheint. Auf Englisch.

Von Jeffrey A. Trachtenberg

Für Fans von Harry Potter könnte die Zeit des Wartens bald überstanden sein. Die Autorin der Bücher um den Zauberlehrling, Joanne K. Rowling, hat sie beruhigt. In einem Interview räumte sie mit dem Gerücht auf, dass sie von einer schweren Schreibhemmung befallen sei. Die Autorin, die im letzten Dezember neu geheiratet hat und im vierten Monat schwanger ist, habe bereits die Rohfassung für das fünfte Buch, sagte sie. Sie sei jetzt mit dem Verbessern und Polieren des Werks beschäftigt, das den Titel „Harry Potter und der Orden des Phönix“ bekommen soll. Das Buch habe bereits einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende, sagt sie. Mit dem Ergebnis ihrer Arbeit ist die Autorin zufrieden.

Auf einen Termin zur Fertigstellung des Buchs wollte sich Joanne K. Rowling allerdings noch nicht festlegen. Doch der Vermutung, dass sie das Manuskript in drei bis sechs Monaten an den englischen Verlag Bloomsbury Publishing und das amerikanische Verlagshaus Scholastic senden würde, widersprach sie nicht. „Wann ich es einreichen werde? Das will ich nicht sagen, doch es wird nicht mehr lange dauern.“

In den Druck werden die Bücher jedoch erst nach dem Redigieren durch die Verlage gehen. Das heißt, das weitere zwei bis fünf Monate vergehen dürften, bis die englische Originalfassung fertig sein wird. So dürfte es noch mindestens ein halbes Jahr dauern, bis der neue Harry Potter in Druck geht.

Bei einem geschätzten Absatz von weltweit 175 Millionen Stück für die ersten vier Harry-Potter-Bücher sind Bände um die Erlebnisse von Harry Potter im Kampf mit dem Bösen zu einer der erfolgreichsten Serien in der Geschichte des Verlagswesens geworden. Das Werk, so sagt Joanne K. Rowling, sei nach letzter Zählung inzwischen in mindestens 43 Sprachen veröffentlicht worden.

Wie es um den Verbleib des neuen Harry-Potter-Bandes bestellt ist, interessiert nicht nur Millionen von Lesern, sondern vor allem die Buchindustrie. Bloomsbury und Scholastic sind beide börsennotierte Gesellschaften, deren Aktienkurse erheblich durch die Gewinne aus den Harry-Potter-Verkäufen angetrieben wurden. Jedem noch so leisen Flüstern über das Erscheinen des Bandes gehen die Analysten an der Wall Street und in London auf den Grund, um ihre Ertragsschätzungen für beide Häuser auf den neusten Stand zu bringen.

Auch der Medienkonzern AOL Time Warner hat ein reges Interesse am Fortgang der Serie: die Filmsparte Warner Bros. bringt im November den zweiten Harry-Potter-Streifen in die Kinos und hat schon die Rechte an den zwei nächsten Bänden gekauft – mit Option auf weitere Geschichten. Erscheint ein neues Buch, hilft das dem Film, länger in den Kinos zu bleiben – und umgekehrt: Der Film hilft dem Buch, noch populärer zu werden.

„Das fünfte Buch ist einfach eine gewaltige Anstrengung“, sagt die 37-jährige Rowling, die sich für diesen Band auf keinen konkreten Erscheinungstermin mehr hat festlegen lassen. „Als ich am letzten Band, „Harry Potter und der Feuerkelch“, arbeitete, wollte ich eigentlich eine kleine Auszeit nehmen. Nachdem ich dann aber die Hälfte des Feuerkelchs geschrieben hatte, fand ich in der Geschichte einen schweren Riss und musste alles von vorn beginnen. Wir hatten den 8. Juli 2000 als Erscheinungstermin angekündigt, ich musste fertig werden. Das hat mich fast umgebracht."

Während die ersten vier Bücher seit 1997 jeweils im Jahrestakt im Juli auf den Markt kamen, hat sich die Autorin für ihr fünftes Werk mehr Zeit gelassen. „Ich musste mich aus der Tretmühle von einem Buch pro Jahr befreien, auch wenn die Leute sagen, ich hätte den Faden verloren“, sagt Rowling. „Diesen Preis muss man zahlen, wenn man die Qualität halten will.“ Das Anstrengendste sei ohnehin nicht das Schreiben der Bücher. „Nicht Harry macht mich müde, sondern alles, was mit der Vermarktung des Buchs zusammenhängt. Wenn ich das Tempo nicht zurückschraube und entspannter schreibe, dachte ich, werde ich das fünfte Buch nie beenden."

Frau Rowling hat noch andere Gründe, jetzt wieder an die Öffentlichkeit zu gehen: In der vergangenen Woche wurden sie, der Scholastic-Verlag und Warner Bros. von dem Vorwurf freigesprochen, Urheberrechte der Kinderbuchautorin Nancy Stouffer verletzt zu haben. Diese hatte behauptet, die in den Harry-Potter-Geschichten vorkommenden Muggel-Figuren seien von Geschöpfen in ihrem Buch „Die Legende von Rah und den Muggeln" kopiert worden. Auf ihrer Website gibt Frau Stouffer an, die Schutzrechte 1984 beantragt zu haben. Das Gericht warf ihr jedoch vor, die Fakten manipuliert zu haben und belegte sie mit einer Geldstrafe von 50000 Dollar.

„Wer nicht an dem Gerichtsverfahren beteiligt ist, sieht nur die Spitze des Eisbergs", sagt Frau Rowling. Der Rechtsstreit um diese Frage habe sie so beschäftigt, dass die Arbeit an dem Buch zeitweise in den Hintergrund gerückt sei.

Nachdem sie sich in den vergangenen Monaten kaum öffentlich geäußert hatte, sei sie schon sehr belustigt gewesen, „als ich auf einmal las, mich hätte die Schreibhemmung ereilt", sagt sie. „Ich bin ein Workaholic und liebe es, diese Bücher zu schreiben.“ Auch die Flut von Leserbriefen – wöchentlich allein 1000 Stück aus Großbritannien – habe die Arbeit verzögert. Heute brauche sie einen Tag pro Woche, um die Briefe und Fragen ihrer Leser beantworten zu können. Einige Briefe, sagt sie, müsse sie selbst beantworten, weil sie von kranken Kindern kommen oder sehr persönliche Fragen berühren.

Es gab Spekulationen, dass die Verlage enttäuscht seien, weil das neue Buch nicht gleichzeitig mit dem zweiten Film „Harry Potter und die Kammer des Schreckens" erscheinen kann. Doch Judi Corman, eine Sprecherin für Scholastic in New York widerspricht: „Wir haben den Band, auf dem der Film basiert", sagt sie. „Wir werden ihn in einer Massenausgabe für 6,99 Dollar anbieten – mit einem neuen Einband, der ältere Kinder und Erwachsene ansprechen soll."

Zusätzlich werden pünktlich zur kommenden Feriensaison eine 75 Dollar teure Luxusversion des Buches im Ledereinband sowie Gesamtausgaben der ersten vier Bücher angeboten. „Wir decken damit alles ab", sagt die Scholastic-Sprecherin.

Frau Rowling sagte, sie habe nicht die Absicht, ihre Verleger zu wechseln, aber großen Elan, die siebenteilige Harry-Potter-Reihe fertigzustellen. Der Druck, weitere Geschichten zu schreiben, werde gelegentlich so groß, dass sie sich Vorwürfe wegen der unfertigen fünften Geschichte mache.

„Meistens finde ich mich damit ab, indem ich den Druck einfach ignoriere", sagt die Autorin. „Ich kann nur damit leben, wenn ich gewisse Dinge verdränge. Ich muss mir vorstellen, dass dies mein Privatleben ist und dass nur ich mit meiner Arbeit zufrieden sein muss. Bei der Vorstellung, dass da draußen 17 Millionen Kinder aufgeregt den Amazon-Katalog durchsuchen, erstarrt mein Blut."

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