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Desertec: Wenn die Wüste grün geredet wird

Zwölf Großunternehmen haben in München den Startschuss für das Desertec-Projekt gegeben – und nutzten die Chance, sich als grüne Retter zu profilieren.

Es war die Stunde der großen Worte. Schließlich ging es am Montag in München um nichts weniger als die Rettung der Welt vor der Klimakatastrophe. "Die Welt ändert sich, weil Menschen Visionen haben",  begann Nikolaus von Bomhard seine Rede zum Start des Desertec-Projekts, dem größten Solarprojekt aller Zeiten. Ein ungebremster Klimawandel könne sich zum "größten Risiko für die Menschheit“ entwickeln, sagte Bomhard. Mit der Produktion von klimafreundlichem Ökostrom in der afrikanischen Wüste komme man der Vision einer kohlenstoffarmen Energieversorgung näher.

Auch Caio Koch-Weser, stellvertretender Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, die sich bislang kaum als Vorkämpferin im Kampf gegen den Klimawandel profiliert hat, beschwor das unlängst beim G-8-Gipfel in L'aquila fixierte Ziel, die Erwärmung der Erde unter zwei Grad zu halten. Desertec sei wichtig, um die Transformation der fossilen in eine kohlenstoffarme Gesellschaft "auch nur annähernd zu bewältigen". 

Der Andrang auf die Pressekonferenz war enorm. Und dass obwohl die Konzerne nur die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur Gründung einer Planungsgesellschaft mit dem Namen "Desertec Industrial Initiative“ (DII) bekannt gaben. Diese soll innerhalb der nächsten drei Jahre die politischen, ökonomische, gesellschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen analysieren, unter denen der europäische Energiehunger vielleicht schon bald zu einem gewichtigen Teil mit klimafreundlichem Solarstrom aus der Sahara gestillt werden könnte.

Mehr als 100 Journalisten und ein gutes Dutzend Kameraleute drängten sich in dem Konferenzsaal des prächtigen Hauptsitzes der Münchener Rück am Englischen Garten. In einem Nebenraum konnten Botschafter und andere Abgesandte ausländischer Staaten der Pressekonferenz folgen. Der jordanische Prinz Hassan bin Talal sprach sein Grußwort per Videobotschaft.

Der Saal aus der Zeit kurz nach der Jahrhundertwende mit seinen schweren Deckenleuchtern und seinen bedeutungsvollen, etwas völkisch angehauchten Wandgemälden bot eine schöne Kulisse für das Desertec-Spektakel. Ein "Sähmann" ist auf den Wänden verewigt, ein "Steuermann“, eine "Mutter", eine "Krankenschwester". Und direkt über dem Podium mit den Abgesandten der zwölf an Desertec beteiligten Großunternehmen, zwei raue Männer, die ein Hochhaus bauen, unter ihnen das Lichtermeer einer Großstadt. Alles Menschen, die gesellschaftlich wichtige Aufgaben zu schultern haben. Parallelen zum Engagement der Münchener Rück für die Wüstenstrominitiative waren wohl erwünscht.

Torsten Jeworrek, beim weltgrößten Rückversicherer für Desertec zuständig, verglich das Projekt sogar mit der ersten Mondlandung vor fast genau 40 Jahren. Auf jeden Fall sei Desertec "mit großem Abstand die bedeutendste Einzelinitiative zur Bekämpfung des Klimawandels“. Nach bisherigen Schätzungen sollen binnen 40 Jahren rund 400 Milliarden Euro in thermische Solarkraftwerke und Stromautobahnen investiert werden, um zunächst 15 Prozent des europäischen Strombedarfs aus der Wüste decken zu können. Triumphierend hielt Jeworrek vor den Journalisten ein Blatt Papier mit den Unterschriften der an DII beteiligten Unternehmen in die Höhe. Fast schien es, als würde hier der Friedensvertrag präsentiert, mit dem ein jahrelanger Krieg sein Ende fand.

In der Presseerklärung der Münchener Rück zu Desertec kam der Klimawandel freilich nur am Rande vor. Neben den Geschäftschancen für die Unternehmen ergäben sich "weitere ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Potenziale", heißt es da. Das Projekt stärke die "Energiesicherheit" der Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens und biete Wachstumschancen durch große Investitionen privater Geldgeber. Auch könne die Trinkwasserversorgung in manchen Staaten verbessert werden, indem man die überschüssige Energie zur Entsalzung der Meere nutze. Zuletzt ermögliche das Projekt die "Reduzierung der CO-Emissionen" und leiste damit einen "erheblichen Beitrag zur Unterstützung der Klimaschutzziele der Europäischen Union und der Bundesregierung".

Von der Euphorie, welche die Ankündigung des Desertec-Projekts in der Öffentlichkeit ausgelöst hatte, mochten die Veranstalter der Konferenz überrascht gewesen sein. Doch sie nutzen die Chance, sich im allergrünsten Licht zu präsentieren.

Wirklich ehrlich gemeint haben mochte es an diesem Tag vielleicht nur Gerhard Knies, der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Desertec-Stiftung und, neben dem Club of Rome, einer der Initiatoren des Projekts. Für Knies ist es auf einem übervölkerten Planeten mit begrenzten Ressourcen und angesichts des Klimawandels unumgänglich, vollständig auf die "saubere und unerschöpfliche" Solarenergie umzusteigen. Nur ein halbes Prozent der Wüstenflächen, rechnete Knies vor, der Erde sei nötig, um die Menschheit mit Energie zu versorgen. Dabei sei die Rettung der Welt zugleich "die größte ethische Aufgabe wie das größte Geschäft“. Da sprach Knies den vielen Schlipsträgern auf dem Podium sicher aus der Seele. 

Quelle: ZEIT ONLINE 13.7.2009 - 18:34 Uhr

Georg Etscheit[München]

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