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Wirtschaft: Deutsche haben zu Recht gebremst

Im Streit um die in der Europäischen Union (EU) geplanten Vorschriften für die umweltschonende Entsorgung von Altautos sind Bundeskanzler Schröders Motive klar: Es geht nicht um Umweltbelange, sondern darum, die mächtige Autoindustrie zu beschwichtigen. Dennoch ist es gut, daß die Altauto-Richtlinie vorerst gescheitert ist.

Im Streit um die in der Europäischen Union (EU) geplanten Vorschriften für die umweltschonende Entsorgung von Altautos sind Bundeskanzler Schröders Motive klar: Es geht nicht um Umweltbelange, sondern darum, die mächtige Autoindustrie zu beschwichtigen. Dennoch ist es gut, daß die Altauto-Richtlinie vorerst gescheitert ist.Die Wiederverwertung von Altfahrzeugen wird bislang auch ohne Richtlinien von Brüssel erfolgreich praktiziert. Derzeit werden etwa 75 Prozent des Gesamtgewichts eines Durchschnittsfahrzeugs wiederverwendet oder wiederverwertet. Außerdem macht der Autoschrott nur 0,6 Prozent des jährlich in Europa produzierten Haus- und Industriemülls aus. Aber getreu dem Prinzip, daß wenn ein bißchen Recycling gut ist, mehr Recycling nur noch besser sein kann, soll der Recyclinganteil des Gesamtgewichts eines Fahrzeugs nun bis 2005 auf 80 Prozent und bis 2015 auf 85 Prozent ansteigen. Die Regelung soll die Autohersteller außerdem verpflichten, Altfahrzeuge ohne Kosten für den letzten Halter abzunehmen und zu entsorgen, was angesichts des blühenden Handels mit Gebrauchtteilen und Schrott eine völlig überflüssige Bürde ist. Außerdem sollen nach dem im EU-Vertrag festgelegten Subsidiaritätsprinzip Regelungen auf europäischer Ebene nur dann getroffen werden, wenn eine einheitliche Regelung unbedingt erforderlich ist.Aber erstens bestreitet niemand, daß die Mitgliedsstaaten bereits selbst vernünftige Regelungen zur Entsorgung von Altautos getroffen haben. Und zweitens läuft die Altauto-Richtlinie auch anderen Umweltinitiativen der Kommission zuwider, zum Beispiel den Bemühungen, Kraftstoffverbrauch und Luftverschmutzung zu reduzieren. Die Automobilindustrie hat sich bereits mit der Kommission darauf verständigt, den Kraftstoffverbrauch zu senken. Um das zu erreichen, müssen die Autos leichter werden, was bedeutet, daß mehr Kunststoff verwendet werden muß. Dieser ist aber schwerer wiederzuverwerten als Stahl. Es könnte daher umweltfreundlicher sein, Autos zu produzieren, die effizienter im Gebrauch, aber schwerer zu entsorgen sind.Zudem gerät die Altauto-Regelung auch mit dem internationalen Handelsrecht in Konflikt. Durch die geplanten Rücknahme- und Entsorgungspflichten werden Recycling-Kartelle in Europa geschaffen und geschützt. Zudem soll die Richtlinie der Verwendung von Schwermetallen wie Blei entgegenwirken. Nach internationalem Handelsrecht können solche Beschränkungen aber nicht ohne wissenschaftliche Rechtfertigung auferlegt werden. Für nicht europäische Autohersteller wird es immer schwieriger, ihre Autos in Europa zu verkaufen.Kurz gesagt: Die Kommission versucht, mit einer Richtlinie in einen gut funktionierenden Markt einzugreifen, die Hersteller und Verbraucher mit höheren Kosten bestraft, der Umwelt nicht nutzt, und der EU möglicherweise noch mehr Handelsstreitigkeiten bescheren wird. Wenn eine solche Richtlinie erst einmal in Umlauf gebracht ist, dann kann sie nur noch schwer gestoppt werden. Daher ist es gut, daß sich die Deutschen in der vergangenen Woche beim Treffen der EU-Umweltminister gesperrt haben. Denn die Kommission hätte die Richtlinie nicht gebremst aus Angst, "umweltfeindlich" zu sein. Und auch die meisten nationalen Regierungen hätten die Altauto-Richtlinie gebilligt, da sie bei Entscheidungen auf europäischer Ebene keine Denkzettel ihrer Wähler fürchten. Das entschiedene Nein des deutschen Kanzlers Schröder hat zunächst das Schlimmste verhindert. Doch der verdiente Beifall wird ihm bislang verwehrt.

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