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U-Bahn fahren. Deutsche Unternehmen bauen in Neu-Delhi an der Metro. Minister Rösler (l.) schaut sich die mal aus der Nähe an.

© dpa

Deutsche Industrie: Zögern und Zaudern in Indien

Weil in der Heimat die Konjunktur abflaut, braucht die deutsche Wirtschaft dringend Wachstumsmärkte. Deshalb macht Wirtschaftsminister Rösler Werbung in Neu-Delhi.

Philipp Rösler schaut in den Abgrund. Diesmal nicht politisch, sondern wortwörtlich. Nur 50 Zentimeter vom Wirtschaftsminister entfernt geht es 18 Meter steil in die Tiefe. Ein luftiges Geländer schützt ihn vor dem Sturz in die riesige Baugrube, im Hintergrund ragen Kräne empor.

Es ist ein dunstiger Herbstmorgen in Delhi und Röslers erste Indienreise. Zum Auftakt besichtigt er am Donnerstag eine Baustelle der Metro. Sie ist eine der Erfolgsgeschichten des Landes. Ende 2002 wurde mit dem Bau begonnen, heute ist das Netz 200 Kilometer lang, und die Metro transportiert täglich mehr als zwei Millionen Passagiere.

Die Metro ist auch eine der großen Erfolgsgeschichten der deutschen Industrie. Rund eine Handvoll namhafter deutscher Firmen ist am Bau maßgeblich beteiligt. Wie etwa Herrenknecht aus Südbaden, deren gigantische Maschinen große Teile der Tunnel bohren. Bis zu 40 Meter tief drillen sich die Riesenbohrer unter der chaotischen 15-Millionen-Einwohner-Stadt entlang. Man dürfe nicht zu schnell bohren, um die Gebäude nicht zu gefährden, erläutert Frank Hurst von Herrenknecht. Rösler lauscht und nickt.

Der Minister ist auf Werbetour. „Indien ist ein enorm wichtiger Markt“, sagt er. „Deutsche Unternehmen müssen noch stärker die Chance haben, hier Fuß zu fassen.” Doch derzeit litten sie unter verkrusteten Strukturen, der Korruption und der maroden Infrastruktur.

Faktisch die gesamte Prominenz deutscher Manager kommt am heutigen Freitag nahe Delhi zur hochkarätigen Asien-Pazifik-Konferenz zusammen – und dürfte bessere Investitionsbedingungen fordern. Weil in der Heimat die Konjunktur abflaut, braucht die deutsche Wirtschaft dringend Wachstumsmärkte.

Doch das Investitionsklima in Indien hat sich eher verschlechtert und das Wachstum abgeschwächt. Indiens Probleme seien hausgemacht, meint Hubert Lienhard, Chef des Maschinenbauers Voith und Indien-Sprecher des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. Voith ist bereits seit 1911 in Indien aktiv und verdient dort, wie Lienhard sagt, „gutes Geld“. Doch nun hat das Unternehmen seine Investitionen vorerst eingefroren.

Wie einige andere auch. Sie warten ab, ob Indien die Kurve kriegt und Reformen durchsetzt. Zwar hat Delhi ein Reformpaket angekündigt, doch noch ist es nicht umgesetzt. Obendrein verunsichern die Fälle von Bayer und Enercon, denen Indien Patente absprach. Aus Angst vor „Patentklau“ sollen innovative Industriebereiche wie die Biotechnologie die Zusammenarbeit mit Indien suspendiert haben.

Trotzdem glaubt Lienhard fest an Indien. Das Land habe ein Riesenpotenzial. Dazu müsse Indien aber die Probleme anpacken. Lienhard zählt auf: Infrastruktur verbessern, Handelshemmnisse abbauen, Korruption bekämpfen und für Rechtssicherheit sorgen. Die Korruption habe dem Image sehr geschadet, sagt Lienhard. Zudem gingen dadurch „unendliche Mengen an Geldern” verloren, die auf Schwarzkonten herumlägen statt investiert zu werden. „Es muss jetzt was geschehen.“

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