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Wirtschaft: Deutschland macht weniger Schulden

Die gute Konjunktur entlastet den Haushalt. Steinbrück im Glück: Die Quote sinkt von 2,6 auf 2,3 Prozent

Berlin - Die deutsche Defizitquote wird in diesem Jahr deutlich unter den von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) prognostizierten 2,6 Prozent liegen. Nach internen Schätzungen des Bundesfinanzministeriums liegt die Neuverschuldung in der optimistischen Variante bei 2,0 Prozent, in der vom Ministerium für wahrscheinlicher gehaltenen Variante bei 2,3 Prozent. „Bezogen auf das Gesamtjahr kann der Bundesfinanzminister mit Mehreinnahmen von acht bis zehn Milliarden Euro rechnen“, heißt es in Regierungskreisen. Das Finanzministerium wollte die Zahlen nicht offiziell kommentieren.

Am kommenden Donnerstag legen die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihr Herbstgutachten vor. Nach Informationen des „Handelsblatts“ werden die Institute ebenfalls eine Schuldenquote von unter 2,6 Prozent für dieses Jahr in Aussicht stellen.

Das unerwartet hohe Steuerplus hat vor allem konjunkturelle Ursachen. So hatte die Bundesregierung für ihre Budgetplanung zu Beginn des Jahres noch ein Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent unterstellt. In ihrer aktuellen Prognose geht die Regierung nun davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 2,4 Prozent zulegen wird. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) wird die neue Wachstumsrate offiziell am kommenden Freitag bekannt geben. Auch die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit einem solchen Wirtschaftswachstum.

Dank der überraschend hohen Steuereinnahmen, die mit gut 480 Milliarden Euro um etwa 30 Milliarden Euro über dem Vorjahresergebnis liegen, erfüllt Finanzminister Steinbrück erstmals seit 2001 wieder die Anforderungen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Danach ist nur eine Schuldenquote von drei Prozent bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt erlaubt. Im vergangenen Jahr hatte Deutschland die Maastricht-Latte mit einem gesamtstaatlichen Defizit von 3,2 Prozent gerissen. Zu Beginn des Jahres war Finanzminister Steinbrück noch von einer Verschuldungsquote von 3,1 Prozent ausgegangen.

EU-Währungskommissar Joaquin Almunia ist ebenfalls davon überzeugt, dass sich die deutschen Steuereinnahmen bis zum Jahresende besser entwickeln werden, als die Bundesregierung bisher offiziell angekündigt hat. Es sei denkbar, sagte Almunia, dass die staatliche Neuverschuldung in diesem Jahr noch niedriger ausfalle als 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Währungskommissar geht fest davon aus, dass Deutschland auch im kommenden Jahr den Pakt einhält.

Neben einem kräftigen Plus bei Körperschaft-, Einkommen- und Umsatzsteuer sorgt das Wirtschaftswachstum auch für milliardenschwere Überschüsse in den Sozialversicherungen, weil die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs in den vergangenen Monaten gestiegen ist. So fällt das Plus in der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit rund zehn Milliarden Euro deutlich höher aus, als die Bundesregierung angenommen hatte. Und auch die Rücklage in der gesetzlichen Rentenkasse schätzt die Regierung für dieses Jahr höher ein als ursprünglich geplant. Die Überschüsse in den sozialen Sicherungssystemen leisten damit einen erheblichen Beitrag zur niedrigen Defizitquote Deutschlands in diesem Jahr.

Offiziell will Finanzminister Steinbrück nichts von den unerwartet guten Zahlen wissen. „Von dieser Momentaufnahme kann noch nicht auf das Jahresergebnis geschlossen werden, weil bis zum Jahresende noch erhebliche Einnahmerisiken bestehen“, sagte Steinbrücks Sprecher Torsten Albig.

Die Zurückhaltung des Finanzministers hat mehrere Gründe: Zum einen will Steinbrück Begehrlichkeiten von ausgabewilligen Politikern gar nicht erst aufkommen lassen, zum anderen will er eine Diskussion darüber vermeiden, ob die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte im nächsten Jahr überhaupt notwendig ist. Und schließlich will der Finanzminister lieber eine Reihe positiver Daten verkünden, als negativ überrascht zu werden.

Sven Afhüppe (HB)

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