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Wirtschaft: Dicke Luft

Nach dem Ausstieg aus dem Branchenverband VdC wird Marktführer Philip Morris heftig kritisiert.

Die Köpfe qualmen noch. Seit Philip Morris Mitte Mai sein Ausscheiden aus dem Verband der Cigarettenindustrie (VdC) angekündigt hat, kommt die Tabakbranche nicht zur Ruhe. Schlicht dreist sei die Begründung, mit der der Marlboro-Produzent den Verband verlassen habe, sagte Richard Gretler, Vorstandssprecher bei Reemtsma und ehemaliger Verbandschef, dem Tagesspiegel am Sonntag.

Tatsächlich wirkt der Strategiewechsel im Hause Philip Morris auf den ersten Blick bizarr. Deutschland-Chef Jacek Olczak hatte dieser Zeitung kurz nach dem Verbandsausstieg erzählt, er halte Zigaretten für ein „gefährliches Produkt“, vor dem es die Gesellschaft effektiver zu schützen gelte. Bei der Besteuerung dürfe es keine Schlupflöcher geben, auch müsse die Werbung radikal beschränkt werden. Weil mit dem Branchenverband aber keine sinnvolle Gesundheitspolitik zu machen sei, habe Philip Morris die Konsequenzen gezogen. Nun wolle man eng mit dem Gesetzgeber zusammenarbeiten, um strenge Regulierungen zu entwerfen – wobei man „selbstverständlich“ Absatzrückgänge in Kauf nehme.

Ein Zigarettenhersteller, der den Staat um Auflagen bittet? Reemtsma-Sprecher Gretler hält die Rochade des Marlboro-Manns für ein durchsichtiges Manöver: „Bei Philip Morris setzt man sich für Werbebeschränkungen ein – nicht, weil man sich um die Volksgesundheit sorgt, sondern weil Werbeverbote den Wettbewerb schwächen und dem Marktführer nützen.“ Mit fast 40 Prozent Marktanteil ist das in Deutschland Philip Morris.

Was den Nichtraucherschutz anbelange, lägen die Positionen des Verbands und die von Philip Morris im Übrigen „nicht einen Millimeter auseinander“, argumentiert Gretler. Seit langem setzten sich der VdC und seine Mitglieder für die Aufklärung über Risiken, den Nichtraucher- und den Jugendschutz ein, auch sinnvolle Werbebeschränkungen habe man freiwillig und in enger Abstimmung mit den Behörden umgesetzt. Wenn Philip Morris den Verband nun als Buh-Mann hinstelle, diene das lediglich den eigenen Geschäftsinteressen, sagt Gretler.

Ähnlich wertet der Reemtsma-Sprecher auch die Philip-Morris-Forderung nach einer einheitlichen Besteuerung aller Tabakwaren, gegen die der Verband seit langem ankämpft. 2006 hatte beispielsweise die Steuerangleichung für billige Steck-Zigaretten in Deutschland zu einem Rückgang der gesamten Tabakwarenverkäufe um knapp sechs Prozent geführt. Für Philip Morris kein Grund zur Verzweiflung: Der Marktführer verkaufte nur 0,2 Prozent weniger als im Vorjahr – und konnte wegen der stärkeren Einbußen anderer Hersteller seinen Marktanteil sogar um 1,7 Prozent steigern. Einen ähnlichen Effekt könnten auch Steuererhöhungen bei anderen Feinschnitt-Varianten haben, da Philip Morris sein Geld vorwiegend mit Filterzigaretten verdient. Bei Reemtsma und anderen Herstellern sieht man die Vorstöße zur Gleichbesteuerung dagegen mit großer Besorgnis, wie Gretler erläutert: „Die größte Gefahr ist, dass preisbewusste Raucher dann verstärkt auf Schmuggelware umsteigen.“ Schon der Wegfall von Steck-Zigaretten habe ein Viertel der Konsumenten zu illegalen Alternativen greifen lassen, schätzt man beim Verband. Heute sei jede fünfte Zigarette in Deutschland geschmuggelt, der Fiskus lasse sich dadurch über vier Milliarden Euro im Jahr an Steuerzahlungen entgehen. müh

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