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Wirtschaft: „Die ältere Generation ist relativ gut versorgt“

Herbert Rische, Präsident der BfA, über Belastungen für Rentner und Beitragszahler, die Reform der Behörde und private Vorsorge

Herr Rische, hatten Sie in letzter Zeit Unternehmensberater im Haus?

Nein, ich kann mich nicht daran erinnern. Wieso?

Im nächsten Jahr kommt auf die Rentenversicherung eine Organisationsreform zu.

Bei der Reform sind wir ohne externe Beratung ausgekommen. Es ging nicht in erster Linie darum, ob wir uns intern neu organisieren oder die Arbeitsbereiche neu zuschneiden.

Worum ging es denn dann?

Es macht heutzutage keinen Sinn mehr, in der Rentenversicherung nach Arbeitern und Angestellten zu unterscheiden. Bisher war die BfA für die Angestellten zuständig, die Landesversicherungsanstalten für die Arbeiter. Damit machen wir Schluss. Ab 2005 werden wir eine einheitliche Deutsche Rentenversicherung haben. Das spart auch Geld. Wir haben von der Politik den Auftrag bekommen, zehn Prozent unserer Verwaltungskosten, das sind 350 Millionen Euro im Jahr, einzusparen. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Vor allem, weil die Personalzahlen weitgehend stabil bleiben. Schwierig werden die Einsparungen deshalb, weil wir einen Großteil unserer Kosten nicht direkt beeinflussen können.

Wie wollen Sie denn sparen?

Dadurch, dass wir stärker auf Computer setzen und bestimmte Arbeiten nicht mehr parallel machen. Einige Landesversicherungsanstalten werden fusionieren, zum Beispiel die in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Der Personalrat der BfA befürchtet dennoch Entlassungen.

Wir werden Stellen nur bei Fluktuation streichen. Betriebsbedingte Kündigungen wird es nicht geben. Klar ist aber auch, dass wir in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren nicht mehr wie bisher beim Personal zulegen werden. Und das, obwohl mehr Arbeit auf uns zukommt, weil die Zahl der Rentner steigt. Wir werden auch nicht mehr jedem Auszubildenden garantieren können, dass wir ihn später übernehmen. Aber immerhin wollen wir weiter ausbilden.

Wenn man so viel Geld sparen kann, warum hat man diese Reform nicht schon viel früher auf den Weg gebracht?

Seit mehr als zehn Jahren diskutieren wir das Thema in der Rentenversicherung. Solche Reformen setzen aber einen komplizierten Kompromiss zwischen Bund und Ländern voraus. Eine mühsame Suche, die Zeit braucht.

Sie werden als neuer Chef der Rentenversicherung hoch gehandelt.

Über Personen spekuliere ich ungern, schon gar nicht, wenn ich betroffen bin.

Kommen wir zu den Rentnern. Nach einer Nullrunde in diesem Jahr können Rentner auch im nächsten Jahr mit maximal ein paar Euro Rentenerhöhung rechnen. Wie sehen die Prognosen im Moment aus?

Es macht keinen Sinn, jetzt über die Rentenanpassung 2005 zu spekulieren.

Aber faktisch kommt auf viele Rentner eine Minusrunde zu. Ab Mitte nächsten Jahres müssen sie für ihre Krankenversicherung einen Sonderbeitrag für Zahnersatz und Krankengeld in Höhe von 0,9 Prozent des Einkommens zahlen.

Sicherlich sind das Einschnitte. Ob die Einbußen durch die Rentenerhöhung Mitte 2005 ausgeglichen werden, werden wir ja sehen.

Erwarten Sie Widersprüche?

Das ist schwer zu prognostizieren. Ich glaube, das hängt stark von der Stimmung in der Bevölkerung ab. Ich habe den Eindruck, dass die Rentner den Sonderbeitrag für den Zahnersatz akzeptieren. Bisher hat es noch keine große Protestwelle gegeben. Vielleicht liegt das daran, dass alle gesetzlich Krankenversicherten betroffen sind: Rentner und Arbeitnehmer. Ich nehme an, die Widersprüche werden sich in Grenzen halten. Das hängt aber auch davon ab, wie sehr die Sozialverbände mobil machen.

Bringt der Widerspruch überhaupt etwas?

Die Widersprüche beim Zahnersatz haben nach meiner Einschätzung wenig Aussicht auf Erfolg.

Die Einnahmen der Rentenkassen sind angeblich eingebrochen. Stimmt das?

Wir bewegen uns leicht unter den Schätzungen vom Juli. Aber von einem Einbruch kann man nicht reden.

Müssen voraussichtlich in diesem Winter Zahlungen des Bundes vorgezogen werden, um die Renten finanzieren zu können?

Nein. Liquiditätsprobleme der Rentenversicherung bestehen in diesem Jahr nicht. Durch den Verkauf der Wohnungsgesellschaft Gagfah haben wir mehr als zwei Milliarden Euro eingenommen. Wäre dieser Verkauf nicht gewesen, hätten wir vermutlich Bundeszuschüsse vorziehen müssen. Da rächt sich, dass die Politik die Schwankungsreserve...

... das Finanzpolster der Rentenkassen...

bis auf 20 Prozent einer Monatsausgabe heruntergefahren hat. Gerade in den einnahmeschwachen Monaten Oktober und November ist es gefährlich, eine so niedrige Rücklage zu haben. Ich hoffe aber, dass die Reserve in den nächsten Jahren wieder aufgebaut wird.

Muss dazu womöglich 2005 der Rentenbeitrag von 19,5 Prozent steigen?

Das können wir erst Ende Oktober zuverlässig beantworten. Nach den bisherigen Prognosen reichen die 19,5 Prozent knapp für das nächste Jahr.

Haben die Sozialverbände Recht, wenn sie beklagen, dass vor allem die Rentner bei den Sozialreformen der letzten Jahre geschröpft wurden?

Nein. Das kann man nicht behaupten. Die Sozialreformen belasten nicht nur die Rentner. Die Politik hat in den letzten Jahren in der Rentenversicherung versucht, eine Balance zu finden. Auch die gegenwärtigen und zukünftigen Beitragszahler dürfen nicht überfordert werden.

Materiell geht es Rentnern heute nicht so schlecht. Es gibt viel weniger Senioren, die auf Sozialhilfe angewiesen sind als Familien mit Kindern.

Das stimmt. In den 50er oder 60er Jahren war das Versorgungsniveau der älteren Generation viel schlechter als heute. Die heutige ältere Generation ist eine verhältnismäßig gut versorgte Generation. Armut ist eher ein Thema bei Alleinerziehenden oder Kinderreichen.

Die Renten werden in Zukunft langsamer steigen. Werden dann auch wieder mehr Rentner in der Sozialhilfe landen?

Es kommt nicht nur auf die gesetzliche Rentenversicherung an. In Zukunft müssen wir auch andere Möglichkeiten für die Versorgung im Alter nutzen. Zum Beispiel die Riester-Rente, die von der Politik mit zum Teil sehr hohen Subventionen gefördert wird.

Es haben aber noch nicht so viele Menschen eine Rister-Rente abgeschlossen.

Bisher sind es schätzungsweise fünf Millionen. Zufrieden stellend ist das noch nicht.

Die BfA verschickt an die Versicherten Berechnungen, die über die künftige Rente informieren. Hat das nichts gebracht?

Die Renteninformationen entfalten ihre Wirkung vermutlich erst, wenn sie ein paar Jahre lang regelmäßig verschickt wurden. Ich gehe davon aus, dass die Leute dann auch mehr für die private Altersvorsorge tun werden. Außerdem rechne ich mit einem Schub bei der betrieblichen Altersversorgung, sobald die Situation am Arbeitsmarkt sich ändert. Durch den Bevölkerungsrückgang werden wir in manchen Regionen bald einen Arbeitskräftemangel haben. Dann werden auch wieder mehr Unternehmen Betriebsrenten anbieten. Sie können damit Arbeitnehmer an ihren Betrieb binden, aber auch neue gewinnen.

Bei aller privaten Vorsorge – welchen Stellenwert wird die gesetzliche Rente in Zukunft noch haben?

Einen großen. Die Sozialversicherung ist eher geeignet, die Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die Menschen sich flexibel am Arbeitsmarkt bewegen können. In Zukunft werden wir noch mehr wechselhafte Erwerbsbiographien als heute haben. Wer zahlt während Krankheit oder Arbeitslosigkeit die Beiträge zum Banksparplan oder zur privaten Versicherung? Ein kapitalgedecktes System kann auf neue Entwicklungen in der Arbeitswelt nicht so flexibel reagieren wie die Sozialversicherung.

Müssen wir nicht länger arbeiten, um im Alter auf ein vernünftiges Rentenniveau zu kommen?

Bei einer steigenden Lebenserwartung müssen wir auch darüber nachdenken, ob wir später aus dem Erwerbsleben ausscheiden. In Zukunft muss es Lösungen geben, die einen flexibleren Übergang zwischen Arbeit und Rente ermöglichen.

Durch Frühverrentungsprogramme sind bei uns ältere Menschen sogar früher aus dem Job gegangen.

Es gibt eine Trendumkehr. Im Vergleich zu 1996 gehen die Leute jetzt im Schnitt ein Jahr später in Rente. An die Regelaltersgrenze von 65 Jahren kommen wir zwar noch nicht heran, aber es hat sich etwas bewegt. Deutschland steht im Übrigen in der EU nicht so schlecht da. Eine Regelung, dass man erst mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen darf, gibt es in anderen Ländern nicht. Da haben wir unsere Hausaufgaben gemacht.

Das Gespräch führten Cordula Eubel und Rainer Woratschka.

DIE INSTITUTION

Herbert Rische ist seit 1991 Präsident des größten Rentenversicherungsträgers in Deutschland, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA).

Der 57-Jährige wird als künftiger Chef für die neue Deutsche Rentenversicherung gehandelt, die 2005 aus der Fusion der verschiedenen Träger entstehen soll. In seine Zuständigkeit fallen die Finanzen der BfA, die medizinische und berufliche Rehabilitation, sowie die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen in Brandenburg.

DIE KARRIERE

Der Jurist arbeitete in den 70er Jahren als Sozialrichter in Stuttgart, bevor er 1978 zum Verband Deutscher Rentenversicherungsträger wechselte. Rische ist überzeugt, dass die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung auch in Zukunft eine herausragende Bedeutung für die Altersversorgung haben wird – trotz der zunehmenden Bedeutung privater Vorsorge.

Foto: Mike Wolff

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