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Wirtschaft: „Die Emotion ist beim Autokauf entscheidend“

ADAC-Präsident Peter Meyer über saubere Autos, eine CO2-Steuer, die Hybridtechnik und die Effekte eines Tempolimits

Herr Meyer, was fahren Sie für ein Auto?

Einen japanischen Geländewagen mit Allradantrieb. Den brauche ich, weil ich eine Wohnung in einer ziemlich schneesicheren Gegend in der Schweiz habe.

Wie viel CO2 pustet Ihr Auto in die Luft?

186 Gramm pro Kilometer.

Ziemlich viel.

Das Autofahren und der Autokauf sind nicht nur eine Frage der Vernunft. Emotionale Aspekte spielen auch eine Rolle und werden auch weiterhin – trotz der zunehmenden Bedeutung des Umweltschutzes – das Verbraucherverhalten beeinflussen.

Der ADAC ist die größte Interessenvertretung der Autofahrer. Liegt es da nicht nahe, die knapp 16 Millionen Mitglieder so aufzuklären, dass sie „vernünftigere“ Autos kaufen?

Wir fordern seit langem, dass Schadstoffemissionen in den Schauräumen der Händler genauso angegeben werden wie zum Beispiel die Energieklassen bei einem Kühlschrank. Aber wir brauchen natürlich auch viel sparsamere Autos, obwohl der Verbrauch von Benzin und Super hierzulande ja deutlich zurückgeht und der Dieselverbrauch nur relativ leicht zunimmt.

Offenbar kaufen auch die ADAC-Mitglieder am liebsten große, schwere Autos mit starkem Motor und hohem Verbrauch.

Der größte Beweggrund bei der Auswahl des Autos ist die Emotion. Als wir kürzlich den gelben Engel verliehen haben, hat der Audi TT, ganz klar ein Emotionsauto, bei der Umfrage unter unseren Mitgliedern den ersten Platz belegt. Immerhin kam mit dem Opel Corsa ein sparsames Brot-und-Butter-Auto auf den dritten Platz. Der ADAC will dazu beitragen, dass künftig beim Autokauf die Rationalität eine größere Rolle spielt. Ich hoffe aber auch sehr, dass die deutschen Autohersteller bald mit der Hybridtechnologie auf den Markt kommen, sonst geht dieses Geschäft komplett an die Japaner.

Sie würden sauberer mit einem deutschen Diesel die Strecke in die Schweiz zurücklegen als mit einem japanischen Hybrid.

Was den Verbrauch angeht, ist der Diesel auf langer Strecke günstiger. In Deutschland wird der Großteil der Fahrleistung im Stadtverkehr zurückgelegt und da hat der Hybrid eben seine Vorteile.

Die Autohersteller argumentieren, sie würden die Autos bauen, die vom Markt verlangt werden. Demnach wollen zumindest die Deutschen keinen Hybrid.

Die Nachfrage ist schon da, unsere Industrie hat aber nicht schnell genug reagiert. Das war beim Dieselpartikelfilter ganz ähnlich: Erst aufgrund unseres Drucks und der starken Nachfrage haben die deutschen Volumenhersteller dann Filter flächendeckend angeboten. Ein Hybrid-Fahrzeug zu entwickeln ist natürlich viel komplizierter. Trotzdem hat unsere Industrie da ein wenig gepennt.

Und ist jetzt aufgewacht?

Na ja, in den Märkten, in denen der Nachfragedruck groß ist. Mercedes bietet zum Beispiel einen Hybrid in Amerika an, aber nicht in Deutschland.

Der alte ADAC-Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“, klingt inzwischen zynisch. Wann werden auch Sie für ein Tempolimit von 120 km/h plädieren, mit dem nach Einschätzung des Umweltbundesamtes der Kraftstoffverbrauch auf der Autobahn um etwa zehn Prozent sinken würde.

Der Slogan stand für Folgendes: Wenn jemand zu Zeiten der DDR auf der Interzonenautobahn stehen blieb, haben wir dort eine Pannenhilfe angeboten. Deshalb der Spruch „Freie Fahrt für freie Bürger.“ Zu den zehn Prozent: Die Zahl zweifeln wir ganz erheblich an. Auf knapp 50 Prozent unserer Autobahnen ist das Tempo bereits limitiert. Und die wenigen Abschnitte, auf denen man auch mal etwas schneller fahren kann, brächten kaum einen signifikanten Einspareffekt. Wenn alle Autofahrer auf den Strecken ohne Tempolimit 120 km/h einhalten würden, läge der Spareffekt unter zwei Prozent. Das ist vernachlässigbar.

Womöglich forciert ein Tempolimit aber die Entwicklung weniger PS-starker und damit weniger spritfressender Autos.

Die ganze Debatte um ein Tempolimit ist Effekthascherei. Optimale Ampelschaltungen in den Städten würden viel mehr bringen. Und was die Motorisierung der Autos und den vermeintlichen Zusammenhang mit einem Tempolimit anbelangt: In Italien oder Frankreich gibt es ein Tempolimit, und dort werden genauso schnelle und starke Autos gebaut wie bei uns. In Amerika übrigens auch.

Warum ist Deutschland das einzige Land weit und breit ohne Tempolimit?

Wir haben Tempolimits. In der Stadt, auf den Bundes- und Landstraßen und zu über 50 Prozent auf den Autobahnen. Wollen wir jetzt alles reglementieren und auf den letzten freien Autobahnkilometern auch noch die Geschwindigkeit begrenzen? Das ist doch ein Zeichen von Souveränität, wenn der Staat dort, wo es möglich ist, das Tempo nicht beschränkt.

Also ist Regulierung eher schädlich?

Überhaupt nicht. Für eine am CO2-Ausstoß orientierte Steuer machen wir uns seit über zwei Jahren stark, ein entsprechendes Modell wurde in unserem Haus entwickelt. Ein derartiges Steuermodell würde den Anreiz zum Kauf verbrauchsarmer Fahrzeuge bieten. Was die Technik anbelangt, versprechen wir uns viel vom Hybrid, auch der Diesel hat noch Sparpotenzial, und schließlich können Reifen mit geringerem Rollwiderstand zur Verbrauchsreduzierung beitragen.

Sind die Autos nicht grundsätzlich zu groß und zu schwer?

Gerade die Autoindustrie orientiert sich am Kunden. Wenn die Autofahrer große Autos haben wollen, dann werden die auch gebaut.

Auch richtig genutzt? Kümmert sich der ADAC um das Fahrverhalten?

Wir haben erheblich in unsere Fahrsicherheitszentren investiert und bieten Spritspartrainings an. Mit einem optimalen Fahrverhalten lässt sich der Verbrauch um gut 15 Prozent reduzieren.

Was halten Sie von der Idee, große Autos stärker zu belasten, zum Beispiel über den Weg eines CO2-Zertifikatehandels?

Nichts, das ist nur ein Hin- und Herschieben von Geld. Die Belastung über eine CO2-Steuer wirkt da viel besser. Nach unserem Kfz-Steuermodell würden für einen VW Touareg 800 Euro Steuern im Jahr fällig, und für einen Toyota Prius müssten nur zwei Euro gezahlt werden.

Herr Meyer, der ADAC erwirtschaftet mit seinen Regionalverbänden fast zwei Milliarden Euro Umsatz im Jahr und einen dreistelligen Millionengewinn. Was macht der Club mit dem Geld?

Das garantiert unsere Unabhängigkeit von Industrie und Politik. Wir benötigen Mittel, um Fachleute auszubilden, Forschung zu betreiben und zum Beispiel ein Crashcenter zu unterhalten. Und es gibt Fälle, wo der ADAC unterstützend eingreift. Dazu werden wir sogar eine Stiftung mit zehn Millionen Euro einrichten, die Menschen in Not hilft. Grundsätzlich verstehen wir uns als Verbraucherschützer, der Produkte anbietet, die es nicht auf dem Markt gibt. Unser Kerngeschäft ist Hilfe in allen Lebenslagen.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

DIE KARRIERE

Peter Meyer (57), geboren im westfälischen Wiedenbrück, lernte Speditionskaufmann und studierte Betriebswirtschaft. Als Spediteur machte er sich selbstständig und arbeitete als Unternehmensberater im Verkehrswesen. Seit 2001 ist Meyer ehrenamtlicher Präsident des ADAC. Meyer, verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern, lebt in Mülheim an der Ruhr. Er sammelt alte Autos, geht gerne zur Jagd und segelt.

DER VEREIN

Mit knapp 16 Millionen Mitgliedern ist der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC), 1903 in Stuttgart gegründet , der größte Verein Europas. Noch mehr Mitglieder zählt nur ein amerikanischer Autoclub. Der ADAC versteht sich als Dienstleister und Verbraucherschützer in Sachen Mobilität. Neben der Pannenhilfe bietet er Versicherungen und Beratungsleistungen . Zuletzt kam er auf einen Gruppenumsatz von 1,6 Milliarden Euro und einen dreistelligen Millionengewinn. Tsp

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