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“Wenn du ein Unternehmen gründen willst, musst du bereit sein, viel zu opfern”, sagt Alonso Dominguez (links). Und: “Das ist wie Kinder kriegen. Du musst es mehr lieben als alles andere auf der Welt.”

© Doris Spiekermann-Klaas

Die Geheimnisverräter: Szene-Newsletter "Sugarhigh" erobert Berlin

Mit dem Lifestyle-Magazin "Sugarhigh" will ein Berliner Start-Up europaweit expandieren. In der Hauptstadt hat der Newsletter schon den Ruf, die Avantgarde anzuführen. Aber funktioniert das auch in anderen Metropolen?

Zur Fashion Week hat der Arbeitstag von Alonso Dominguez (29) und Peter Henssen (32) schon mal 16 Stunden. So ist das, wenn man den Anspruch hat, das einzige Berliner Mode-Magazin für ein internationales Fachpublikum herauszugeben. Dafür sind die beiden Jungunternehmer gern gesehene Gäste auf den Shows der angesagtesten Modelabels. Dann sitzen sie in der ersten Reihe, umgeben von Prominenten und VIP-Fotografen. Für den Sugarhigh-Chefredakteur Dominguez ist das alles “sehr aufregend”. Geschäftsmann Henssen kommt eher mal vorbei, “um Pfötchen zu schütteln”.
Vor zwei Jahren gründeten sie das deutsch-englische E-Mail-Magazin Sugarhigh. Heute gehört es mit den beiden Ablegern, dem Berlin Art Journal und dem Fashion Journal, zu den wichtigsten Trendsettern Berlins. Modemarken, Restaurants, Clubs, Galerien und Labels reißen sich um eine Besprechung in Sugarhigh. Täglich gehen in der Redaktion über 100 entsprechende Mails ein. Dominguez und Henssen haben schnell gelernt, nein zu sagen. “Das ist manchmal hart, vor allem gegenüber Freunden. Aber das müssen wir täglich tun”, sagt Henssen. Schließlich steht die Glaubwürdigkeit ihres Produkts auf dem Spiel.

„Unser Newsletter ist zu hundert Prozent redaktionell erstellt“, versichert Henssen. Und wenn es doch mal Werbung gibt, dann in einer gesonderten Mail - und sorgfältig ausgewählt. „Alles andere würde die Marke zerstören“, ist Henssen überzeugt.

Der zweisprachige Newsletter mit seinen eigenwilligen Texten über Essen, Shopping, Partys, Musik, Kunst und Popkultur in der Hauptstadt landet täglich von Montag bis Freitag im Postfach der Abonennten. Mal werden Restaurants besprochen, mal ungewöhnliche Geschäfte und Orte vorgestellt. Jeden Freitag kommt das “Weekend-Roundup”, die obligatorischen Ausgehtipps fürs Wochenende. Was in Sugarhigh steht, gilt als Avantgarde, als echter Geheimtipp.

“Da steckt viel Recherche dahinter”, verrät Sugarhigh-Gründer Henssen. Sechs bis acht Leute feilen in einem spartanisch eingerichteten Büro in Mitte an den Ausgaben. Ihre Szenekenntnisse beeindrucken sogar den Chef manchmal zutiefst: “Ich glaube, zwei unserer Mitarbeiterinnen haben wirklich jeden einzelnen Blog abonniert, den es auf dieser Welt gibt”, sagt Dominguez. “In dieser Stadt findet keine Party statt, von der diese beiden nichts wissen. Einfach unglaublich.” Im Januar feierte das kostenlose Szene-Magazin seinen zweiten Geburtstag. Doch erst Ende letzten Jahres ging der Newsletter an die breite Öffentlichkeit. Zuvor konnte man ihn nur auf Einladung empfangen.

Die Idee, einen Newsletter mit den Inhalten eines Hochglanzmagazins zu kombinieren, stammt aus den USA. In Deutschland gilt Sugarhigh mit inzwischen mehr als 18.000 Abonnenten als Pionier auf dem Gebiet. Das Wachtumspotenzial sei groß, sagt Dominguez, denn: “Praktisch jeder hat eine E-Mail-Adresse.” Gleichzeitig sei die E-Mail ein sehr persönlicher Zustellungweg. Der direkte Draht zu den Lesern war dem Gründerduo wichtig.

Die beiden jungen Unternehmer wirken wie zwei, die genau wissen was sie tun, was sie wollen und vor allem: was sie können. Dominguez ist der kreative Kopf. Nach sieben Jahren Berufserfahrung bei Magazinen in New York und Shanghai wollte er etwas schaffen, mit dem er sich identifizieren konnte. Henssen dagegen wurde das Unternehmertum quasi in die Wiege gelegt . Das sei eine Art Familientradition, sagt er. Seinen Job als Unternehmensberater hat er vor ein paar Jahren aufgegeben, um seinen Doktor zu machen. “Aber eigentlich habe ich immer nach einem Grund gesucht, um zu kündigen und mein eigenes Unternehmen zu gründen”, sagt der 32-Jährige.

Berlin war genau der richtige Ort für ihr Start-Up, darin sind sich beide einig. “In einer anderen Stadt hätte es viermal so lange gedauert und hätte viermal so viel gekostet “, so Dominguez. Das liegt seiner Meinung nach auch an der Mentalität der Bevölkerung: “Die Leute hier sind offen für neue Ideen.”

Natürlich steckt auch harte Arbeit und manche Entbehrung hinter dem Erfolg von Sugarhigh. Auf dem Weg nach oben mussten die Jungunternehmer Rückschläge hinnehmen, berichten die beiden. Insgesamt sei wahnsinnig viel passiert. “Die letzten zwei Jahre kommen uns wie Hundejahre vor”, sagt Dominguez und lacht. “In Wirklichkeit waren es sieben!”

Einen großen Schritt nach vorne schafften Dominguez und Henssen im April 2011, als es ihnen gelang, drei branchenkundige Investoren ins Boot zu holen. Die Berliner Social Media Agentur TLGG und zwei Privatinvestoren brachten das Unternehmen mit einer sechsstelligen Summe auf Wachstumskurs. Mit Hilfe dieser Finanzspritze soll zu den Einnahmen aus Werbung, Sponsoring und Corporate Publishing nun auch bald eine eCommerce-Plattform als drittes Standbein dazu kommen.

Und Berlin ist erst der Anfang, verrät Henssen. Ziel sei es, europaweit Ableger zu schaffen und eines Tages die Gegenwartskultur aller Metropolen abzubilden - natürlich zweisprachig. “So kann ich auch als Ausländer am kulturellen Leben teilnehmen”, erklärt Henssen das Konzept.

Das dürfte einem wachsenden Bedürfnis entgegenkommen. Schließlich leben und arbeiten immer mehr junge Menschen im Ausland. Tiefere Einblicke in die lokale Kultur bleiben ihnen aber oft verwehrt, da sich die meisten Publikationen entweder an Einheimische oder an Touristen richten. Für diese Generation der internationalen Lokalisten könnte Sugarhigh zu einem wichtigen Medium und Sprachrohr werden. Skeptiker glauben zwar, dass Sugarhigh nicht unbedingt zum Exportschlager taugt. Zu speziell sei das kreative Publikum in Berlin, als dass man denselben durchschlagenden Erfolg in anderen Metropolen erwarten könnte.

Andererseits: Eines kann man der Redaktion sicherlich nicht vorwerfen: Dass sie nicht wüsste, wie einzigartig Berlin ist.

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