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Wirtschaft: Die Gesundheitskarte kommt später

Die Krankenkassen rechnen nicht mit einer pünktlichen Einführung

80 Millionen Patienten, 350 000 Ärzte, 22 000 Apotheken, 2000 Krankenhäuser und mehr als 300 Krankenkassen. Das Projekt Gesundheitskarte hat gigantische Ausmaße, denn alle Beteiligten sollen nach Einführung der neuen Plastikkarte miteinander vernetzt werden. Danach soll alles einfacher werden – und billiger. Der Patient bekommt beim Arzt ein elektronisches Rezept, dass er beim Apotheker einlösen kann. Auf der Karte werden auf Wunsch des Versicherten Daten wie seine Krankengeschichte oder seine Blutgruppe für Notfälle gespeichert. Der Arzt kann seine Leistungen ohne lästigen Papierkram mit der Krankenkasse abrechnen.

Das Ziel des Gesundheitsministerium ist klar definiert: „Zum 1. Januar 2006 sollen alle Krankenversicherten eine elektronische Gesundheitskarte erhalten.“ Ein „sportlicher Zeitrahmen“, heißt es auf den amtlichen Webseiten zu dem Projekt. Inzwischen scheint den Beteiligten klar: Die flächendeckende Einführung der Karte zum 1. Januar 2006 ist nicht mehr zu schaffen. „Die bundesweite Auslieferung der Karten kann frühestens im zweiten Halbjahr 2006 beginnen“, sagt Doris Pfeiffer, Vorsitzende des Verbandes der AngestelltenKrankenkassen (VDAK). Viele Umsetzungsfragen seien bis heute nicht geklärt. Noch sei unklar, welche Funktionen die Karte genau haben soll. Zudem bremse die Vorgabe des Gesetzgebers, eine neue Versichertennummer einzuführen, das Projekt.

Beim Bundesverband der Betriebskrankenkassen sieht man das ähnlich. „Ich rechne nicht damit, dass jeder Arzt oder Apotheker zum 1. Januar 2006 mit der notwendigen Technik ausgerüstet ist“, sagt Florian Lanz, Sprecher des BKK Bundesverbandes. Derzeit arbeitet ein Konsortium unter Führung des Computerkonzerns IBM daran, die „Rahmenarchitektur“ für das Projekt zu definieren. Dazu zählen die technischen Standards, die genaue Zeitplanung und Kostenschätzungen. Mitte März will das Konsortium, an dem auch der Softwarekonzern SAP beteiligt ist, die Ergebnisse vorstellen. Frühestens Mitte 2004 kann dann mit den ersten regionalen Modellversuchen begonnen werden.

Projekt 2: Die Jobcard

Um das System funktionsfähig zu machen, brauchen Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser neue Kartenlesegeräte und neue Software, es muss eine zentrale Datenbank eingerichtet werden und schließlich benötigt jeder Versicherte eine Karte mit seinem Lichtbild. „Der logistische Aufwand allein für das Sammeln der Bilder ist enorm“, sagt die VDAK-Vorsitzende Pfeiffer. Theoretisch müsste das gesamte System bereits Anfang 2005 stehen. Das ist die Vorgabe der Kartenhersteller. Etwa zwölf Monate benötigt die Branche, um die bis zu 80 Millionen Karten zu produzieren und auszuliefern. Nach Schätzungen des VDAK kostet die Einführung der Gesundheitskarte bis zu 1,4 Milliarden Euro.

Die Kosten ließen sich verringern, wenn die Gesundheitskarte mit einem anderen ambitionierten Projekt der Bundesregierung kombiniert würde – der Jobcard. Die Jobkarte soll an alle 35 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland ausgegeben werden und zum Beispiel die Abführung der Sozialbeiträge der Arbeitnehmer vereinfachen. Das soll Einsparungen von 500 Millionen Euro pro Jahr bringen.

Auftraggeber des Projektes ist das Bundeswirtschaftsministerium. Und obwohl es noch gar kein Gesetz gibt, das die rechtlichen Grundlagen für die Jobcard schafft, verspricht Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) vollmundig, die Karte zum Stichtag 1. Januar 2006 einzuführen. „Die Zeit für die Einführung der Jobcard ist sehr knapp bemessen“, sagt Klaudia Buddemeier, Sozialversicherungsexpertin des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeber (BDA). Arbeitgeber und Krankenkassen fordern, nur eine Karte für Gesundheit und Arbeit auszugeben. Die Beratungen zwischen Gesundheits- und Wirtschaftsministerium dazu laufen noch, heißt es in den Ministerien. msh

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