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Wirtschaft: Die Konkurrenz steht auf dem Abstellgleis

Zwischenbilanz der Bahnreform: Der härteste Wettbewerber ist noch immer die StraßeVON TOM WEINGÄRTNER, BONN Hajo Hoffmann, Oberbürgermeister von Saarbrücken, hat eine Vision.Entgegen dem konservativen Trend träumt der sozialdemokratische Kommunalpolitiker davon, daß sich die Gemeinden wieder stärker wirtschaftlich betätigen.

Zwischenbilanz der Bahnreform: Der härteste Wettbewerber ist noch immer die StraßeVON TOM WEINGÄRTNER, BONN

Hajo Hoffmann, Oberbürgermeister von Saarbrücken, hat eine Vision.Entgegen dem konservativen Trend träumt der sozialdemokratische Kommunalpolitiker davon, daß sich die Gemeinden wieder stärker wirtschaftlich betätigen.Damit könne man auch Geld verdienen, beispielsweise im Öffentlichen Nahverkehr.Seit der Regionalisierung Anfang 1996 ist der Nahverkehr auf der Schiene nicht mehr unmittelbar Sache der Bahn.Zuständig sind Länder und Gemeinden, der Bund überweist ihnen dafür allein in diesem Jahr 12 Mrd.DM.Für dieses Geld können die Gebietskörperschaften Nahverkehrsleistungen ordern, nicht nur bei der Deutschen Bahn (DBAG), sondern bei jedem Unternehmen, das solche Leistungen erbringen kann.Bislang freilich haben private Konkurrenten der Bahn kaum etwas von dem Geschäft abgejagt.Noch immer wickeln die Bundesbahner 95 Prozent des Nahverkehrs auf der Schiene ab. Nur wenige Konkurrenten sind bislang gegen den Fast-Monopolisten angetreten, wie die Deutsche Eisenbahngesellschaft (DEG), deren regionale Töchter nun einzelne Strecken, vorzugsweise in Süddeutschland befahren.Zu groß ist die gewachsene Macht der Bahn weiterhin.Das größte Handicap ist allerdings, daß die Industrie kurzfristig keine Fahrzeuge liefern kann.Klaus Daubertshäuser, im Vorstand der Bahn AG für den Personennahverkehr zuständig, gibt sich freilich nicht der Illusion hin, daß es dabei bleibt.Es sei nur eine Frage der Zeit, daß ernsthafte Wettbewerber auf den Plan treten, und diese Zeit müsse die Bahn nutzen, um ihr Angebot zu verbessern und ihre Kosten zu senken.Das scheint ihr zu gelingen: Dieter Wellner, der zuständige Beamte im bayerischen Verkehrsministerium, hat mit der Bahnreform "positive Erfahrungen" gemacht.Den von der Staatsregierung bestellten, landesweiten Taktverkehr wickelt die Bahn zu seiner Zufriedenheit ab.Unter dem Slogan "Jede Stunde, jede Richtung" erlebt der Schienennahverkehr im Freistaat eine regelrechte Renaissance.Auch bundesweit hat die Bahn ihr regionales Geschäft ausgeweitet.In diesem Jahr legen ihre Nahverkehrszüge 530 Mrd.Kilometer zurück, fast 10 Prozent mehr als vor der Bahnreform. Schleppender kommt die reformierte Bahn im Güterverkehr voran.Zwar konnte sie im ersten Halbjahr gut 3 Prozent mehr Fracht befördern, aber das reicht nicht, um Terrain gegenüber der Straße zurückzugewinnen.Der Einstieg von Konkurrenten wird dadurch erschwert, daß es - anders als im Nahverkehr - Überkapazitäten gibt.Wer auf der Schiene bestehen will, muß sich nicht nur gegen das bisherige Monopolunternehmen, sondern auch gegen ein Überangebot an Frachtraum auf der Straße durchsetzen.Im Güterverkehr macht sich auch die Tatsache bemerkbar, daß die Bahnreform noch nicht vollendet ist.Netz und Betrieb liegen noch bis 1999 in einer Hand und das schwächt die Zuversicht, daß man das Netz wirklich zu den gleichen Bedingungen nutzen kann wie die Bahn selbst.Potentielle Konkurrenten klagen deshalb auch über die hohen Preise, die für das Befahren der Bundesbahnschienen verlangt werden.Bahnvorstand Ulf Häusler hält zwar 8 bis 10 DM pro Zugkilometer nicht für zu teuer, denkt aber über eine neue Preisliste nach. Das ist aber nicht das einzige Hindernis für den Wettbewerb.Im Güterverkehr, der vor allem über lange Strecken wirtschaftlich ist, macht sich schmerzlich bemerkbar, daß das liberalisierte deutsche Schienennetz eine Insel ist.Die Bundesregierung hat zwar jetzt mit aktiver Unterstützung der EU-Kommission die Einrichtung von transeuropäischen "freight-freeways" erreicht, aber Bahnchef Johannes Ludewig ist skeptisch, ob damit der Durchbruch zu mehr Wettbewerb auf der Schiene gelingt.Tatsächlich können die nationalen Eisenbahngesellschaften den Güterverkehr über ihr Netz weiter auf mannigfaltige Weise behindern.Überhöhte Trassenpreise sind nur ein Hindernis.Auch technisch sind die einzelnen Netze noch nicht soweit harmonisiert, daß durchgehende Verbindungen möglich sind.Erschwert wird die Kooperation zudem dadurch, daß jedes Land eigene - und andere - bahnpolitische Ziele verfolgt.Ob der schnelle Güterverkehr, der vorbeikommende Eurocity oder die S-Bahn im Zweifelsfall Vorrang auf einer Strecke haben, darüber entscheiden die nationalen Bahngesellschaften.Die Konkurrenz wird da leicht mal aufs Abstellgleis geschoben.

TOM WEINGÄRTNER[BONN]

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