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Wirtschaft: Die Liste der Enttäuschten

Vor dem Energiegipfel im Kanzleramt wächst die Kritik. Verbraucher und Vertreter der alternativen Energien fühlen sich missachtet

Berlin - Eigentlich soll er die Energieprobleme der Zukunft lösen: der Energiegipfel, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 3. April einberufen möchte. Doch die Erwartungen, die die Politik mit der Veranstaltung verbindet, dürften sich kaum erfüllen: In der Branche glaubt mittlerweile fast niemand mehr daran, dass der Gipfel konkrete Ergebnisse hervorbringt. „Das ist ein Prozess, der nicht mit einem Termin zu Ende sein wird“, heißt es bei einem großen deutschen Energiekonzern. „Dazu sind die Themenfelder zu breit gestreut.“

Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Programmpunkten, die bei dem Gipfel zur Sprache kommen sollen: der Energiemix von morgen, die Importabhängigkeit der deutschen Versorgung, die hohen Preise, Energieeffizienz, mehr Wettbewerb, Klimaschutz und, und, und. Dabei werden die Politiker und Fachleute nur wenige Stunden Zeit haben, um alle diese Themen zu erörtern: Der Gipfel soll erst abends um halb sieben beginnen. „Natürlich ist das Treffen wichtig“, heißt es bei dem Konzern, „aber wichtiger wäre ein kontinuierlicher Kontakt zwischen Regierung und Energiewirtschaft“.

Noch kritischer zeigen sich Vertreter der Ökostrom-Branche. „Mir ist keiner bekannt, der eine Einladung bekommen hätte, wenn das so bleibt, wird das ein reiner Gipfel der Konzerne“, sagt Milan Nitzschke, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE). Dasselbe hört man beim Windkraftunternehmen Repower: Vorstandschef Fritz Vahrenholt – ehemals SPD-Umweltsenator in Hamburg – habe schon fest mit einer Einladung gerechnet. Nun sei er sauer, dass er keine erhalten habe.

Auch sonst steht noch nicht fest, wer an der Veranstaltung teilnehmen darf. Die Rede ist zwar von rund 30 Personen, das letzte Wort aber hat die Kanzlerin – und die hält sich bisher bedeckt. Vor allem die Seite der Energiekunden befürchtet schon jetzt das Schlimmste: „Am Ende sitzen da 25 Erzeuger und fünf Verbraucher.“ Dass die hohen Strompreise in Deutschland eine wichtige Rolle spielen werden, sei deshalb unwahrscheinlich. „Ein offenes Ohr für unsere Anliegen ist nicht da“, heißt es.

Etwas optimistischer gibt sich dagegen Klaus Rauscher, Vorstandschef des Energiekonzerns Vattenfall Europe: Er erwartet vom Gipfel „den Blick aufs große Ganze“. Vor allem die Versorgungssicherheit und stabile Umfeldbedingungen für anstehende Investitionen gehören seiner Meinung nach in den Fokus.

In der Gaswirtschaft wiederum hat man grundsätzliche Bedenken gegenüber einem solchen Treffen. „Der Anspruch des Gipfels ist es ja, ein energiepolitisches Konzept aus einem Guss zu entwickeln“, sagt ein Vertreter der Branche. Dafür müsse man allerdings einen Fahrplan erstellen. „Danach sieht es derzeit nicht aus.“ Zum einen sei das auf die Uneinigkeit in der Regierung zurückzuführen – schließlich beharken sich Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) beinahe täglich öffentlich. Zum anderen aber zeige das Fachwissen insbesondere des Wirtschaftsministers noch große Lücken. „Bei Glos ist hohe Kompetenz nicht gerade mit Gestaltungswillen gepaart.“

Auch Nitzschke vom BEE macht sich keine Illusionen: „Das wird ein Gipfel, bei dem man sich gegenseitig die Probleme vorhält. Mit einem Resultat darf man da nicht rechnen.“ Bei der RAG, der ehemaligen Ruhrkohle AG, hofft man mittlerweile sogar, dass das Thema Kohle erst gar nicht auf die Tagesordnung kommt – damit es nicht unnötig belastet wird.

Merkel indes zeigt sich davon unbeeindruckt. Sie hat bereits das nächste Spitzentreffen im Sinn: Auf der Computermesse Cebit kündigte sie einen „nationalen Hochtechnologie-Gipfel“ an.

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