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Wirtschaft: Die Magie der Zielgruppe

Paul Pressler, Chef der Textilkette Gap, versteht von Marketing mehr als von Mode – die neue Kollektion ist gewagt

Seit zehn Monaten steht Paul Pressler am Ruder des Modehauses Gap. Bislang kann niemand sagen, ob der frühere Direktor eines Vergnügungsparks wirklich etwas vom Modegeschäft versteht. Doch bald wird man klüger sein, denn ab heute gibt es in den Gap-Geschäften die erste Kollektion, die unter der Führung des neuen Chefs geschneidert wurde. Erstmals seit 1983 entstanden die Modelle damit ohne Zutun des Ex-Bosses von Gap, Meckey Drexler, der das Unternehmen im letzten Herbst verlassen hat.

Bei der Premiere steht mehr auf dem Spiel als der Ruf von Paul Pressler, dem zuvor der Bereich Themenparks bei Walt Disney unterstellt war. Gap hat eine wechselvolle Vergangenheit hinter sich: Nach einer rasanten Entwicklung in den neunziger Jahren kam es 2001 zum Absturz beim Gewinn, von dem sich das Unternehmen zuletzt langsam erholte. Die Wende war vor allem den vier letzten Kollektionen von Ex-Chef Drexler zu verdanken. Wird Gap den Aufwärtstrend auch unter Paul Pressler halten können?

Auf den ersten Blick wird klar, dass die neue Herbstkollektion vor allem auf Cordstoffe setzt. Noch nie dominierte ein Fabrikat so offenkundig: Von Cord-Miniröcken über Cordjacken, Cordmützen zu Cordtaschen und natürlich Cordhosen ist alles erhältlich. Den biederen Beigeschmack der Cordprodukte soll eine freizügige Farbauswahl überdecken. Neben den üblichen Blau- und Grüntönen griff Gap zu Pink, Rot und Violett. „Die Kunden reagieren auf Farben positiv“, sagt Tracy Gardner, Gap-Vizechefin im Bereich Erwachsenen-Bekleidung.

Kundenanalysen und Madonna

Auch unter Mickey Drexler feierte das Kleidungshaus manchen Trend besonders ausgiebig. Aber hinter der neuen Cordwelle steht nicht mehr der Schöpfergeist von Drexler. Der alte Boss zog das Modemachen stets den Verwaltungsaufgaben vor, ohne die ein Kleidungsgigant mit 15 Milliarden Dollar Jahresumsatz nicht funktioniert. Pressler ist dagegen aus anderem Holz geschnitzt. Er verkörpert den gängigen Spitzenmanager-Typ und gilt als Marketingexperte.

Mit der Werbekampagne für die Herbstkollektion hat er bereits für Aufsehen gesorgt, sogar Madonna konnte er engagieren. Zusammen mit der Hip-Hop-Größe Missy Elliott wird sie bald für die Cord-Klamotten von Gap werben. Pressler will sich in das Design dagegen nicht einmischen. Er vertraut auf Experten, die notfalls von der Design-Konkurrenz abzuwerben sind, etwa von Calvin Klein. Weitere Veränderungen stehen an: Um die Marke trendiger zu machen, nimmt man hochpreisige Edelprodukte ins Sortiment. Pressler ist auch ein Verfechter von Marketingstudien und Zielgruppenanalysen. Unter ihm hat das Unternehmen genau definiert, wer seine Kunden sind, und das Sortiment entsprechend gegliedert. So gibt es jetzt in jedem Gap-Geschäft mindestens zwei Linien: Bei Hosen einmal die tiefer sitzenden modernen Schnitte, dazu klassische Modelle, die weniger Bauchfreiheit lassen und runder geschnitten sind. Zudem setzt Pressler auf eine regionale Anpassung des Sortiments. In Miami etwa finden klassische Jeansmodelle auch bei Herren immer weniger Anklang. Hier möchte man die tief auf den Hüften sitzenden Beinkleider. Männer in anderen Gegenden, etwa im Mittleren Westen, sind weniger modebewusst.

Noch weiß niemand, wie sich die neue Ausrichtung mit dem traditionellen Geist von Gap verträgt, jedem Amerikaner eine modische Standard-Uniform anzulegen. Einerseits richtet sich die Produktpalette an eine breite Käuferschicht, andererseits zielt man in den Geschäften auf bestimmte Käufertypen. Ob sich davon jeder Kunde angesprochen fühlen wird, ist noch unklar.

Zu einer noch größeren Gefahr könnten die Cordangebote der Konkurrenz werden. Auch Modehäuser wie Abercrombie & Fitch, American Eagle Outfitters und J. Crew, das neue Label von Mickey Drexler, haben den Stoff für ihre Herbstkollektionen entdeckt. Vor allem aber muss sich ein Erfolg der neuen Kollektion an den Herbstzahlen des vergangenen Jahres messen lassen, als die vorsichtige Erholung Fuß fasste. Dass dies schwer werden dürfte, findet auch der Analyst Richard Jaffe von UBS Warburg: „Das Geschäft kommt in eine sehr anspruchsvolle Phase, dagegen war bislang alles ein Spaziergang.“

Texte übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Haarpflege), Tina Specht (Gap), Matthias Petermann (BA) und Christian Frobenius (Gesundheitsreform, E-Mail).

Ami Merrick

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