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Mehr als Fitness. Manager erkennen im Alter zwischen 35 und 45 oft, dass sie etwas tun müssen, um leistungsfähig zu bleiben. Laufen ist einfach umzusetzen.

© Warren Goldswain - Fotolia

Sport und Karriere: Die Marathon-Manager

Joggen reicht nicht, 40 Kilometer müssen es sein. Führungskräfte berichten, warum sich ihre Leidenschaft auch beruflich lohnt.

Als Schüler im Nobelinternat Salem mochte er ihn gar nicht. Heute ist der Morgenlauf für Jochen Spethmann „der erste Sieg des Tages“. Wenn um fünf der Wecker klingelt, schlüpft der Chef von LSH, dem zweitgrößten Teeproduzenten Europas, in sein Sportzeug. „Es ist dunkel, kalt, und es regnet, aber ich geh trotzdem raus, um für den nächsten Marathon zu trainieren“, sagt er. Der Hamburger Unternehmer muss sich mitunter überwinden. Nachdem er zehn oder 15 Kilometer an der Alster hinter sich gebracht hat, fühlt er sich gewappnet fürs Geschäft: „Dann bin ich voll Energie, kann mit Stress besser umgehen und schaffe auch mehr als an anderen Tagen.“ Lange Sitzungen oder anstrengende Verhandlungen steht er ebenfalls besser durch, ist er überzeugt.

Drei- bis fünfmal pro Woche trainiert der 56-Jährige auf kürzeren Strecken, die langen Läufe von mindestens 20 Kilometern absolviert er am Wochenende. Seit er 1996 in Hamburg das erste Mal bei einem Marathon an den Start gegangen ist, hat der Chef von 1 250 Mitarbeitern jedes Jahr einen Wettlauf bestritten. Sein persönliches Highlight war 2008 in New York. Beim größten Langstreckenlauf der Welt gingen zuletzt rund 50 000 Teilnehmer an den Start. Spethmann lief die 42 Kilometer von Staten Island bis zum Central Park in Manhattan an seinem 50. Geburtstag mit Schulfreunden – und einer persönlichen Bestzeit von drei Stunden, 46 Minuten. Angefeuert von Frau und Kindern und Tausenden Zuschauern entlang der Strecke vor der großartigen Wolkenkratzer-Kulisse, das war ein besonderer Kick. „Das sind beinah magische Momente, wenn alles zusammenpasst – das Wetter, die Umgebung, die eigene Fitness und Stimmung. Dann läuft man fast mühelos, schwebt irgendwie – fantastisch!"

„Zwar sind solche Glücksgefühle selten, aber dafür nehme ich die Strapazen gern auf mich“, urteilt Spethmann über seine Marathonleidenschaft. Und da ist er nicht der Einzige. Wer deutsche Spitzenmanager nach Hobbys befragt, erhält eine lange Liste begeisterter Langstreckenläufer. Allein unter den Vorstandsvorsitzenden großer Konzerne betreiben Herbert Hainer von Adidas, Bahn-Boss Rüdiger Grube, BASF-Manager Kurt Bock und Commerzbank-Chef Martin Blessing diesen Ausdauersport.

Meist kommt Managern die Erkenntnis im Alter zwischen 35 und 45, dass sie etwas tun müssen, um leistungsfähig und erfolgreich zu bleiben. Peter Michael Roth, Chefarzt der Oberbergklinik Berlin-Brandenburg und Spezialist für Gesundheitschecks von Führungskräften, beobachtet: „Wie bei Profifußballern wird körperliche Fitness für Manager immer wichtiger.“ Angesichts praller Terminkalender und vieler Geschäftsreisen fällt die Entscheidung für eine Sportart pragmatisch aus: „Laufen lässt sich überall, Joggingschuhe passen notfalls ins Handgepäck. Das ist ein Vorteil im Vergleich etwa zur Golfausrüstung“, sagt Uwe Martin. Er ist Sprecher des Frankfurt Marathons, der alljährlich im Herbst stattfindet. Inzwischen gibt es eine Sonderwertung „Marathon-Manager“.

2012 konnte ein Rekord von 561 Teilnehmern vermeldet werden, Führungskräfte vom Abteilungsleiter über den Geschäftsführer bis zum Vorstand traten an. Und zwar nicht unter ferner liefen, sondern gut erkennbar an der schwarzen Startnummer auf rotem Grund.

Kein Wunder, findet Andreas Butz. Der ehemalige Bankmanager und heutige Lauftrainer, den zwei Hörstürze zur beruflichen Neuorientierung zwangen, weiß: „Marathonerfolge sind nicht nur gut für Körper und Seele, sie sind außerdem gut für die eigene Marke. Signalisieren sie doch, wer solche Strapazen auf sich nimmt, ist willensstark und hat den inneren Schweinehund im Griff. Der Marathon wird Teil der Vita, und das verschafft Wettbewerbsvorteile, auch im Berufsleben.“

Wie sie in Laufschuhen Karriere machen, davon berichten auf der Homepage des renommierten Trainers mehr als 30 Manager und zwei Managerinnen. Kathrin Möller, Vorstandsmitglied der GAG Immobilien AG, ist eine davon. Sie sagt: „Ich werde einen Marathon nicht nach dem Prinzip Hoffnung laufen – ohne Training und ohne mentale Vorbereitung. Das gilt auch für das Führen von Unternehmen.“ Opel-Chef Karl-Thomas Neumann konkretisiert: „Wer Marathon laufen will, braucht bei der Vorbereitung eine Menge Disziplin. Im Wettkampf kommt es eher auf den Durchhaltewillen an. Und auch wenn es manchmal richtig wehtut: Aufgeben ist keine Alternative. Das gilt für jeden Marathon und für jeden Top-Job.“

Bei so viel Zielstrebigkeit scheint es plausibel, dass eine Auswertung der Daten von rund 3900 Teilnehmern am Frankfurt Marathon ergab: Wer im Job zu den Erfolgreichsten gehört, läuft auch schnelle Marathonzeiten. Die bislang einzige Untersuchung, die einen direkten Zusammenhang zwischen beruflichem Aufstieg und persönlichen Bestzeiten auf der Langstrecke belegt, zeigt, dass Spitzenverdiener mit einem Jahreseinkommen von mehr als 500 000 Euro im Vergleich zu Geringverdienern durchschnittlich 16 Minuten schneller das Ziel erreichen.

Und auch wenn diese Studie fünf Jahre alt ist, Trainer Butz bestätigt die Tendenz: „Der Marathonmanager will eine gute Zeit auf seiner Urkunde sehen.“ Unter vier Stunden sollten es sein. Doch manchmal können schon wenige Sekunden Ehrgeizige angesichts intensiver Vorbereitung aus der Fassung bringen. Klaus Wübbenhorst, Ex-Chef des Marktforschungsinstituts GfK, werden zwei Sekunden sogar „ein Sportlerleben lang verfolgen“. Drei Stunden, 15 Minuten und eine Sekunde lautete die offizielle Zeitmessung beim Hamburg Marathon 2007. Und auch wenn das dem damals 51-Jährigen eine vordere Platzierung in seiner Altersklasse bescherte, war es eine Enttäuschung. Wübbenhorst: „Ich wollte die Strecke unter drei Stunden, 15 Minuten laufen. Nun werde ich mich immer fragen: Wo habe ich zwei Sekunden verloren?“

Wer im Job schwere Entscheidungen zu treffen hat, genießt es, die Sportschuhe anzuziehen, eine Runde zu drehen und den Kopf frei zu kriegen. Und mitunter stecken Manager andere mit ihrer Passion an: Opel-Chef Neumann, vor seinem Wechsel nach Bochum für VW tätig, hat an seinen beruflichen Stationen Laufgruppen gegründet – zuletzt traf der damalige Vorstand für das China-Geschäft sich mit seinen Kollegen samstagmorgens um sechs Uhr in einem Park in Pekings Botschaftsviertel. Dort drehten sie ihre Runden, vorbei an Chinesen, die meditierten oder Schattenboxen übten.

Und der heutige Telekom-Aufsichtsratschef Ulrich Lehner war einer der ersten Manager in Deutschland, der sich für die Langstrecke begeisterte. 1987, als noch keine Straßen für Cityläufe gesperrt wurden, lief er fünfmal in Köln um das alte Müngersdorfer Stadion. Später, zu seiner Zeit als Spitzenmanager des Chemiekonzerns Henkel, begleitete Lehner die „Lehrlingsstaffel“ beim Training für den Düsseldorf Marathon. Wo er dann sogar im Azubi-Team mit antrat. „Wenn maßgebliche Leute im Unternehmen laufen, strahlt das auf die Mitarbeiter aus“, weiß Lehner.

Am 27. April will Lehner kurz vor seinem 68. Geburtstag beim Metro Marathon in Düsseldorf antreten. Auch Ergo-Chef Torsten Oletzky ist bei diesem Rennen rund um Altstadt und Königsallee ab und zu mit von der Partie. 2012 trat er dabei gegen seine Vorstandskollegen Daniel von Borries, Olaf Bläser, Christoph Jurecka und Rolf Wiswesser an, die sich als Staffel angemeldet hatten. Oletzky hatte mit ihnen gewettet, dass ihre Staffel, die erst 50 Minuten nach ihm als Einzelläufer startete, ihn nicht überholt. „Die Wette habe ich gewonnen“, sagt der Vorstandschef zufrieden, der als Nächstes in Rotterdam starten will. „Die Kollegen waren mit drei Stunden und 22 Minuten zwar richtig schnell unterwegs, aber ich hatte auch einen guten Tag und blieb knapp unter drei Stunden, 50 Minuten.“ Damit ist die Sache für die Manager also gelaufen? Wohl nicht. Revanche ist Ehrensache. HB

Claudia Obmann

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