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Wirtschaft: „Die Menschen brauchen wieder eine Perspektive“

Ludwig Görtz, Eigentümer der größten deutschen Schuhhandelskette, über die Konsumflaute, die Fehler der Regierung und die Winterschuhmode

Herr Görtz, die Menschen kaufen weniger ein, die Umsätze im Handel brechen ein. Warum?

Die Verbraucher sorgen sich um die weitere wirtschaftliche Entwicklung. In dieser Situation beschließt die Regierung ein Steuererhöhungspaket. Das macht die Verbraucher sauer und sie halten ihr Geld zurück. Geld, das ja da ist, wie man an der hohen Sparquote sieht.

Was muss die Poltik tun, um die Stimmung der Verbraucher zu bessern?

Die Menschen brauchen eine Perspektive. Man muss Ihnen sagen, wo wir hin wollen und was wir tun müssen, um dahin zukommen. Das schließt drei, vier schwere Jahre mit ein, in denen Reformen durchgeführt werden müssen. Dazu braucht man eine Vision, die alle Kräfte eint. Die Poltiker denken aber zu kurzfristig und haben nur den nächsten Wahltermin im Auge.

Was muss sich nach ihrer Ansicht ändern?

Wir können uns den Sozialstaat in dieser Form nicht mehr leisten. Deutschland gibt mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Sozialleistungen aus. In anderen Industrieländern sind es zwei bis drei Prozent weniger. Ein Prozent macht 20 Milliarden Euro aus. Dieses Geld könnten wir für Investitionen in Bildung, Innovationen oder Infrastruktur nutzen.

Wie müssen die Unternehmen in dieser Lage reagieren?

Man muss solche Krise auch als Chance sehen. Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für Restrukturierungen, Innovationen und für neue Ideen. Wer jetzt seine Hausaufgaben macht, wird gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Wie spürt das Unternehmen Görtz die Flaute?

Sie geht nicht an uns vorüber, es ist ein schwieriges Jahr. Wir haben uns darauf eingestellt und rechnen mit einem Umsatzrückgang von drei Prozent im laufenden Jahr.

Görtz lebte in den vergangenen Jahren von einem starken Wachstum. Lässt sich die Entwicklung fortsetzen?

Derzeit stehen die Zeichen eher auf Konsolidierung. Wir optimieren unsere Standorte und haben deshalb im laufenden Jahr sechs Geschäfte neu eröffnet, aber auch fünf geschlossen. 2003 wollen wir wieder zehn bis zwölf neue Standorte eröffnen. Das ist aber weniger, als wir in einem besseren Umfeld getan hätten.

Macht Görtz unter diesen Umständen denn noch Gewinn?

Wir schreiben weiter schwarze Zahlen. Es ist aber nicht so, wie es sein sollte.

Haben Sie Pläne in Berlin?

In Berlin sehe ich Expansionmöglichkeiten für Görtz 17, ein modisch orientierter Ladentyp, der vor allem junge Menschen anspricht. Wir verhandeln in Mitte und im Westteil der Stadt über zwei neue Standorte.

Wo lässt Görtz seine Schuhe fertigen?

Bei dem hohen Lohnniveau lassen sich in Deutschland keine Konsumprodukte kostendeckend herstellen. Unsere Eigenmarken lassen lassen wir im Ausland fertigen, hauptsächlich in Italien und Spanien, zunehmend auch in Osteuropa und China.

Die Schuhsparte von Salamander steht zum Verkauf. Haben Sie Interesse?

Solche Abenteuer gehen wir nicht ein. Bei Salamander ist vor allem die Fertigung defizitär. Ein Kauf wäre ein zu hohes Risiko. Wir wollen aus uns selbst heraus wachsen.

Schuhe sind Mode. Wie schaffen Sie es, den Nerv der Kunden zu treffen?

Wir nehmen die Trends aus den Modemetropolen wie Mailand oder Paris auf und entwickeln unsere eigenen Modelle. Dann testen wir in kleinen Serien, ob sie beim Kunden ankommen. So tasten wir uns an den Geschmack der Verbraucher heran. Man muss aber auch ein Gespür für Trends haben.

Welche Schuhe müssen wir in diesem Winter tragen?

Bei den Damen sind Stiefel im WesternStil sehr beliebt. Viel getan hat sich bei Herrenschuhen. Früher gab es einen braunen Schuh und einen schwarzen Schuh – im Sommer mit Ledersohle und im Winter mit Gummi. Das hat sich geändert. Heute kommen viele Impulse aus der Sportmode, die dann auf die Straßenkollektionen übertragen werden.

Das Gespräch führte Maurice Shahd.

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