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Produkt: Smarties / Preis: 1,59 € / Veränderung: 20 g weniger / Fazit: 15,4 Prozent teurer

© Mike Wolff

Die neusten Mogelpackungen: Wo weniger Ware zum selben Preis drinsteckt

Markenhersteller sparen gern beim Inhalt. Der Preis bleibt gleich, doch es gibt weniger fürs Geld. Die Masche hat Erfolg. Die meisten Mogelpackungen bleiben unbemerkt.

Von Laurin Meyer

Viele, viele bunte Smarties sollen drin sein. Das verspricht zumindest der Werbespot der kleinen Schokolinsen. Seit Kurzem sind es allerdings nicht mehr ganz so viele, wie die Kinderstimmen aus der Fernsehwerbung vermuten lassen. Hersteller Nestlé hat nämlich die Menge in seiner Riesenrolle reduziert. Statt 150 Gramm sind nur noch 130 Gramm enthalten. Was viele Kunden daran aber richtig ärgern dürfte: Der Preis ist in den meisten Supermärkten gleich geblieben. Rechnet man die Änderung auf den Grundpreis herunter, sind die Smarties also um mehr als 15 Prozent teurer geworden.

Nestlé spart

Es ist nicht das erste Mal, dass Nestlé die Riesenrolle verkleinert. Vor vier Jahren hat das Unternehmen den Inhalt schon einmal um 20 Gramm reduziert – bei gleichbleibendem Preis. Die Verbraucherzentrale Hamburg bezeichnet die Riesenrolle deshalb als Mogelpackung. Der Vorwurf: „Die Verbraucher werden hier mit versteckten Preiserhöhungen massiv getäuscht“, sagt Silke Schwartau, Abteilungsleiterin Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie sieht hinter solchen Maßnahmen eine Masche der Hersteller.

Produkt: Activia / Preis: 1,99 € / Veränderung: 40 Gramm weniger / Fazit: 8,7 Prozent teurer

© Mike Wolff

Verbraucher melden Fälle

Die Riesenrolle ist dabei nur ein Produkt von vielen, das es auf die Liste der Verbraucherschützer geschafft hat. Kunden haben im ersten Halbjahr 2018 so viele der sogenannten Mogelpackungen gemeldet wie nie zuvor. Von Januar bis Juni registrierten Schwartau und ihre Kollegen 31 Lebensmittel, die durch geringere Füllmengen teurer geworden sind. Das ist der mit Abstand höchste Wert seit dem Start der Liste in 2005. Der durchschnittliche Preisanstieg pro gelisteter Mogelpackung lag in den letzten sechs Monaten bei über 20 Prozent.

Markenhersteller machen kräftig mit

Fast immer sind es namhafte Hersteller, die ihre Produkte schrumpfen. Nestlé hat in den vergangenen Monaten gleich drei seiner Artikel mit weniger Inhalt verpackt. Neben der Smarties-Riesenrolle sind davon ebenfalls der zuckerreduzierte Nesquik-Kakao und die Rolo-Schokolade betroffen. Und auch der Knabberei-Produzent Lorenz Bahlsen Snack-World hat zwei Tüten seiner Chipssorten der Marke Naturals verkleinert, genauso wie seine Tüte mit Saltletts Brezeln. Der Preis im Supermarkt blieb jedoch gleich. „Wir sehen diese versteckten Preiserhöhungen vor allem bei Markenprodukten“, sagt Schwartau. „Die Anbieter meinen offenbar, sie könnten sich auf das gute Image ihrer Marke zurückziehen.“ Das gehe völlig konträr zum Kunden, denn dieser würde seinerseits sehr viel Vertrauen in Markenartikel stecken.

Produkt: Saltletts / Preis: 1,69 € / Veränderung: 25 Gramm weniger / Fazit: 12,5 Prozent teurer

© Mike Wolff

Wie man vergleichen kann

Die Verbraucherzentrale Hamburg fordert deshalb eine öffentliche Transparenzplattform, auf der die Hersteller dazu verpflichtet werden sollen, ihre Änderungen anzugeben. „Noch besser wäre es natürlich, zu verbieten, mit Füllmengen zu mogeln“, sagt Schwartau. Ein erstes Zeichen wäre es aber, wenn sich Hersteller oder Handelsketten freiwillig einigen würden. Denn so wirklich schützen, können sich Verbraucher nach Meinung Schwartaus nicht. Die Hersteller verweisen häufig auf die sogenannten Grundpreise, also auf die Kilo- oder Literpreise auf dem Preisschild. So sollen Kunden vergleichen können, um wie viel sich ein Produkt unabhängig von der Verpackung verteuert hat. Schwartau hält das aber für unrealistisch. „Bei der Vielzahl an Angeboten kann sich das kein Kunde merken“, sagt die Verbraucherschützerin. „Das wäre eine Zumutung.“

Produkt: Rolo / Preis: 1,99 € / Veränderung: 41,6 g weniger / Fazit: 25 Prozent teurer

© Mike Wolff

Auch Kosmetika sind dabei

Nicht nur Lebensmittel will die Verbraucherzentrale entlarvt haben. Auf ihrer Liste finden sich zusätzlich zu den 31 Artikeln noch elf sogenannte Non-Food-Produkte, zumeist Drogerieartikel. „Es gibt keinen Produktbereich, in dem sich Verbraucher vor Mogelpackungen sicher fühlen können“, sagt Schwartau. Drastisch geschrumpft ist etwa auch ein Sonnenschutz-Gel der Marke Ladival von Stada. Statt 75 Milliliter stecken in der Tube seit Kurzem nur noch 50 Milliliter Sonnencreme. Der Apothekenverkaufspreis hat sich allerdings nur um einen Euro auf 14,95 Euro reduziert. Damit ist der Preis indirekt um mehr als 40 Prozent gestiegen, rechnet die Verbraucherzentrale vor.

Was die Hersteller dazu sagen

Die Hersteller rechtfertigen ihr Vorgehen. Stada argumentiert, dass 50 Milliliter Sonnencreme die Größe ist, die vom Endverbraucher nachgefragt wird. Außerdem habe man die Rezeptur verbessert. „Das Produkt klebt nicht und zieht schneller ein als zuvor“, heißt es bei Stada. Hinzu kämen leicht gestiegene Rohstoffpreise. Deshalb habe das Unternehmen die Preise geringfügig erhöht. Und auch Lorenz Bahlsen und Nestlé führen gestiegene Kosten bei der Produktion als Grund für die Maßnahme an. Der Smarties-Hersteller will zudem seine Verpackungen für den internationalen Markt vereinheitlichen, heißt es auf Anfrage. Außerdem biete man den Nesquik-Kakao mit neuer Rezeptur an. Zudem liege die endgültige Preisgestaltung in der Hand der Supermärkte, heißt es von beiden Unternehmen. „Wir haben darauf keinen Einfluss“, sagt Nestlé-Sprecherin Jutta Bednarz.

Für Verbraucherschützerin Schwartau greift das Argument der Hersteller zu kurz. „Der Kunde kennt die Einkaufspreise und Vereinbarungen zwischen Hersteller und Händler nicht.“ Wer also in welchem Maße von den Änderungen profitiert, sei für den Kunden nicht ersichtlich. Aber auch den Handel will die Verbraucherschützerin nicht freisprechen.

Produkt: Naturals-Chips /Preis: 1,79 € / Veränderung: 15 Gramm weniger Inhalt / Fazit: 15,8 Prozent teurer

© Mike Wolff

Nicht nur die Menge macht's

Kunden sollten aber nicht nur auf geringere Mengen achten. Auch für weniger Zucker oder Fett zahlen sie laut Verbraucherzentrale oft mehr. Dass die Industrie bei solchen eher ungesunden Zutaten spart, hält Schwartau eigentlich für eine gute Sache. „Wir haben viele Lebensmittel mit zu viel Fett und Zucker.“ Gesündere Rezepturen mit versteckten Preiserhöhungen zu verbinden, sei aber eindeutig der falsche Weg. „Der Kunde wird ja förmlich bestraft, wenn er sich gesünder ernähren will.“

Hohe Dunkelziffer

Hinter den Produkten auf der Liste der Verbraucherzentrale Hamburg vermutet Verbraucherschützerin Schwartau übrigens nur die Spitze des Eisbergs. „Wir kennen nur die Fälle, die auch an uns herangetragen werden.“ Schwartau ist aber optimistisch. Denn: Das Internet und das Smartphone würden es zunehmend leichter machen, Preise und Mengen zu protokollieren.

Lesen Sie auch: Wie Hersteller mit den Etiketten schwindeln. Und: So können Sie Lebensmittelabfälle vermeiden.

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