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Wirtschaft: Die Schätze von Storkwitz

Unter einem sächsischen Dorf liegen die begehrten Seltenen Erden. Die Bewohner geben sich bescheiden.

Der kleine sächsische Ort Storkwitz: Ein paar flache Häuser stehen an einer Bundesstraße, ein Gockel jagt seine Henne über die Wiese, ein Bohrkran sucht nach einem in Mitteleuropa einzigartigen Rohstoffvorkommen. „Dass das gerade uns hier passiert ...“, sagt Manfred Wilde, 49. Der Oberbürgermeister der Kleinstadt Delitzsch, zu der Storkwitz gehört, steht auf einer aufgeschütteten Baustraße mitten auf einem Acker und sieht zu, wie drei Bauarbeiter schwere Metallrohre in den sächsischen Boden treiben. In den nächsten drei Monaten werden sie Bohrkerne herausziehen, die zeigen sollen, wie groß der Schatz, wie groß das Vorkommen an seltenen Erden hier ist – einer weltweit begehrten Rohstoffgruppe, auf den die Hightech-Industrie angewiesen ist (siehe Kasten).

Im Herbst sollen die ersten Ergebnisse vorliegen. Auf deren Grundlage entscheidet die Deutsche Rohstoff AG, die hier bohren lässt, ob sich ein Abbau lohnt. Oberbürgermeister Wilde hat die Frage für sich schon entschieden. „Irgendwann kommt’s“, sagt er und deutet auf einen rechteckigen Schemen am Horizont hinter dem Bohrkran. „Das ist unser Gewerbegebiet, da können sich Firmen ansiedeln.“ Er hofft, dass zumindest ein Tochterunternehmen Steuern da lässt. Er hofft, dass die Rohstoffe in Delitzsch weiterverarbeitet werden und „ein kleiner wirtschaftlicher Kreislauf entsteht“. Er hofft, dass bis zu 150 Stellen geschaffen werden in seiner Stadt, in der elf Prozent der Menschen keine Arbeit haben.

Erwin Ceplevicius hofft vor allem auf eine Umgehungsstraße. Der 59-Jährige sitzt im verqualmten Gastraum seiner „Pension Erwin“, Zimmer frei für 13,50 Euro. „Damit es dadurch ein bisschen attraktiver wird“, sagt der Storkwitzer. Vor dem Fenster rumpelt ein Lkw vorbei. Das Geschäft läuft schleppend, dieses Jahr hatte Ceplevicius bislang kaum Gäste für seine 14 Betten. Daran, dass sich durch die seltenen Erden etwas zum Besseren ändert, glaubt er nicht. Die Bauleute würden eh im Container schlafen. „Wir kriegen nüscht, außer ein paar Nachteile.“ Anfangs seien die Leute in Storkwitz noch euphorisch gewesen. „Aber den Zahn, dass hier einer reich wird durch Landverkauf, haben sie denen gleich wieder gezogen.“

Anfang des Jahres hatte Bürgermeister Wilde die Storkwitzer in sein Rathaus eingeladen. Um ihnen zu erklären, was das eigentlich sind, diese seltenen Erden. Und was das für die Leute bedeutet. Er hatte selbst erst im Dezember erfahren, dass die Deutsche Rohstoff AG das Vorkommen neu erkunden will. In den 1970er Jahren waren Arbeiter des deutsch-sowjetischen Bergbauunternehmens Wismut auf der Suche nach Uran zufällig auf den Sensationsfund gestoßen. Rund 38 000 Tonnen wiesen sie damals nach, auf bis zu 136 000 Tonnen schätzten sie die Gesamtmenge unter Storkwitz – ein Vorkommen mit Milliardenwert.

Wilde hofft auch auf den Imagegewinn für seine Stadt, sollten hier tatsächlich diese Hightech-Metalle gefördert werden. Noch sagt er „Schienen, Schnecken, Schokolade“, wenn er über die Wirtschaft vor Ort spricht: ein Schienenfahrzeugwerk, ein Hersteller von Schädlingsbekämpfungsmitteln und die Delitzscher Schokoladenfabrik sind die Zugpferde, ein viertes könnte Wilde gut gebrauchen. Die knapp 100 Bewohner von Storkwitz jedenfalls „sollen Multiplikatoren sein“.

Multiplikator Siegried Trodler, 60, steht in grüner Latzhose vor seiner Garage und winkt ab. „Ach der Quatsch, ich mache mir da keine Hoffnung“, sagt der arbeitslose gelernte Rinderzüchter. „Am Ende sagen die, es lohnt sich nicht, und machen die Löcher einfach wieder zu.“ Ein paar Häuser weiter wohnt Marlis Schirmer direkt gegenüber der Bohrstelle. Nach den Erden gefragt, zuckt die 74-Jährige mit den Schultern. Sie habe keine Ahnung, ob es dem Ort etwas bringt. „Solange sie nicht groß Krach machen, stören sie mich nicht.“ Mit einer Gartenschere in der Hand steht sie auf ihrem Rasen. In der Ferne hört man das tuckernde Brummen des Bohrkrans.

Im Gegensatz zu den Storkwitzern hofft Ralf Thies, 40, zu den Gewinnern der Bohrung zu zählen. „Ich will dabei sein, wie der Milliardenschatz angebohrt wird“, sagt der Bankkaufmann aus Hannover. In der Zeitung hatte er von der Deutschen Rohstoff AG und ihren Erkundungen gehört – und Aktien gekauft. Jetzt steht er auf dem Acker und knipst seine Investition. Noch hat es sich nicht gelohnt. „Es ist halt spekulativ“, sagt er. Die Baustraße, auf der sein Auto parkt, liegt auf einer Schicht Filz. Man kann sie ganz spurlos wieder entfernen.

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