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Wirtschaft: Die WM kommt aufs Handy

Das Fußballereignis wird mobiles TV voranbringen – doch noch ist nicht entschieden, mit welcher Technik

Berlin - Die Tour de France oder die Bundesliga auf einem drei mal drei Zentimeter großen Bildschirm verfolgen? Vielen erscheint die Idee, auf dem Handy fernzusehen, absurd. Doch zur Fußballweltmeisterschaft 2006 soll „Mobile TV“ zum Massengeschäft werden. Die Landesmedienanstalten prüfen jetzt, ob zunächst die Austragungsorte der Fußball-WM und später weitere Großstädte sowie die Autobahnen mit Fernsehbildern fürs Handy versorgt werden können. „Die Fußball-WM bietet sich als Chance an, Fernsehen auf dem Handy voranzubringen“, heißt es bei den Landesmedienanstalten. Auch die ARD will bei Mobile TV „auf alle Fälle mit dabei sein“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Doch noch ist nicht klar, welche Technik zum Einsatz kommt.

Fernsehbilder kann man über drei verschiedene Wege aufs Handy bringen (siehe Kasten). Derzeit nutzen die Netzbetreiber die Mobilfunktechnik UMTS. Um den Kunden Mobile TV schmackhaft zu machen, reicht das derzeit aus. „Noch sind die UMTS-Netze leer, daher ist das im Moment kein Problem“, sagt Arno Wilfert von der Unternehmensberatung Arthur D. Little. Die Landesmedienanstalten haben vor wenigen Tagen beschlossen, jetzt die technischen Voraussetzungen für die Rundfunktechnik DMB zu klären.

„Das ist der Startschuss für Mobile TV hier zu Lande“, sagte ein Sprecher von Samsung in Deutschland. Zur Internationalen Funkausstellung Ifa Anfang September in Berlin will Samsung gleich „mehrere Geräte“ für den Empfang von Mobile TV zeigen – neben Handys etwa auch Notebooks und Taschencomputer. Auch der weltgrößte Handyhersteller ist an dem Thema dran: „Wir werden noch in diesem Jahr unser erstes komplett integriertes Endgerät mit Mobile TV vorstellen“, sagte eine Sprecherin von Nokia. Die Messe Berlin geht davon aus, dass Mobile TV ein wichtiges Thema auf der Ifa sein wird.

Sport und Nachrichten sind derzeit die wichtigsten Inhalte des Mobile-TV-Angebots der Netzbetreiber T-Mobile und Vodafone. Bei T-Mobile kann man jede Etappe der Tour de France live verfolgen. Die Einwahl in das mobile Portal kostet einige Cent, die Übertragung selbst ist dann kostenlos. Das jedoch ist eine Ausnahme. Die extra fürs mobile Fernsehen produzierten RTL News kosten bei T-Mobile 69 Cent pro 60-Sekunden- Clip. Bei Vodafone haben die Kunden die Wahl zwischen 15 verschiedenen Fernsehkanälen. Vier Programme davon sind live: Eurosport, CNN, Wetter- und Fashion-TV. Auf den anderen Kanälen gibt es Zusammenschnitte aktueller Programme oder auch die neueste Folge der Vorabendserie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ – letztere sogar, noch bevor sie im Fernsehen ausgestrahlt wird.

Wer bei Vodafone ein UMTS-Paket bucht, kann das Fernsehangebot zwei Stunden im Monat ohne zusätzliche Kosten nutzen. Immerhin hat Vodafone inzwischen mehr als 500000 UMTS-Kunden. Die besitzen entweder ein UMTS-Handy oder eine Datenkarte für den Laptop. 1,8 Millionen Fernsehminuten pro Monat werden bei Vodafone abgerufen, zwei bis fünf Minuten schauen die Nutzer pro Einwahl hin – das ist wenig, doch die Zahlen steigen. „Mobile TV wird eine wichtige Anwendung“, sagt Vodafone-Sprecher Jens Kürten. „Neben Musik wird das das zweite große Highlight.“ Um Mobile TV massentauglich zu machen, arbeitet Vodafone auch an DVB-H. Zur Fußball-WM könne es „vielleicht ein erweitertes Pilotprojekt geben“, sagt Kürten.

Noch ist aber nicht nur offen, welche Übertragungswege für das Handyfernsehen künftig genutzt werden. „Erst wenn geklärt ist, welcher technische Standard zur Anwendung kommt, werden die Firmen investieren“, sagte Unternehmensberater Martin Fabel von A.T.Kearney. „Entscheidender ist jedoch, welche Geschäftsmodelle realisierbar sind.“ Werden die Signale unverschlüsselt gesendet, kann jeder ein Empfangsgerät bauen – und dann können die Mobilfunkanbieter daran nichts verdienen. „Mobile TV funktioniert nur, wenn unser Angebot ausschließlich von unseren Kunden genutzt wird“, sagt Kürten von Vodafone. „Ohne Zugangskontrolle gibt es kein Geschäftsmodell.“

Fernsehen auf einem Minibildschirm und dafür auch noch extra bezahlen? „Wer am Flughafen oder Bahnhof sitzt und wartet, für den kann das sehr spannend sein“, sagt Wilfert von Arthur D. Little. Zudem sei Fernsehen eine Anwendung, die man niemandem erklären muss. „Alles, was der Kunde heute schon zuhause nutzt, mobil zu machen, das scheint mir erfolgreich zu sein.“ Fernsehen auf dem Handy werde sicher besser ankommen als etwa Videotelefonie. „Wenn die Fußball-WM auf dem Handy richtig vermarktet wird, ist das sicher ein Weg, eine Menge Menschen für das Fernsehen auf dem Handy zu interessieren“, sagt Wilfert. „Die Fußball-WM kann der Auslöser für einen Quantensprung beim mobilen TV sein“, sagt auch A.T.-Kearney-Berater Fabel. „Wer die WM nicht nutzt, verpasst eine wichtige Chance.“ Noch sind die Übertragungsrechte der Fußball-WM für das Handyfernsehen nicht vergeben.

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