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Wirtschaft: DIW: Ein verlorenes Jahr für Arbeitslose

BERLIN/GENF (dr). Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin bleibt bei seiner eher verhaltenen Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland.

BERLIN/GENF (dr). Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin bleibt bei seiner eher verhaltenen Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Die schon zum Jahresbeginn abgegebene Einschätzung, nach der die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland einen herben Rückschlag erleiden werde, habe sich weitgehend bestätigt, so der Präsident des DIW, Lutz Hoffmann, am Dienstag vor der Presse in Berlin. In diesem Jahr werde das Bruttoinlandsprodukt lediglich um 1,3 Prozent und im Jahr 2000 um 2,4 Prozent zunehmen. Bisher war das DIW für das laufende Jahr von 1,4 Prozent ausgegangen. Dabei werde die Entwicklung in Ostdeutschland noch schlechter verlaufen, betonte Hoffmann, der beklagte, daß keine gesonderten volkswirtschaftlichen Daten mehr für die neuen Bundesländer erhoben werden. Berlin werde voraussichtlich das Schlußlich im Ländervergleich bilden.

Das Jahr 1999 werde für die Arbeitslosen ein verlorenes Jahr sein. Der Abbau der Arbeitslosigkeit komme weder in Europa noch in Deutschland voran. In Deutschland werde die Arbeitslosenquote in diesem Jahr 10,2 Prozent betragen, im kommenden Jahr werde sie lediglich um 0,1 Prozentpunkte sinken. Hoffmann kritisierte, daß die Wirtschaftspolitik dem vorhersehbaren konjunkturellen Rückschlag nicht energisch genug entgegengetreten sei. Die Finanzpolitik habe die Abschwächung faktisch nicht zur Kenntnis genommen. Beherrschend seien Konsolidierungsmaßnahmen und eine Steuerreform, die bislang nicht zu konjunkturell wünschenswerten Entlastungen geführt habe. Das jüngst beschlossene Sparpaket füge sich in diesen Kurs ein. Dabei werde es nicht einmal in der ausgewiesenen Höhe wirksam werden. Nur knapp 17 Mrd. DM seinen echte Einsparungen, die übrigen "Spareffekte" ergäben sich durch Verlagerung von Ausgaben auf andere öffentliche Haushalte (8,7 Mrd. DM) beziehungsweise durch sogenannte Luftbuchungen, bei denen Mittel eingespart werden sollen, die voraussichtlich gar nicht in Anspruch genommen werden (4,4 Mrd. DM).

Allein die Lohnpolitik habe in Deutschland eindeutig zur Stabilisierung beigetragen. Trotz höherer Abschlüsse in der Lohnrunde 1999, sei die Preisstabilität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht in Gefahr. Realen Lohn-Nullrunden, wie sie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck angeregt hatte, erteilte Hoffmann eine Absage. Diese könnten keinen vernünftigen Beitrag zum Aufschwung leisten. Stattdessen würden sie in der Europäischen Währungsunion Spannungen hervorrufen, weil die ohnehin gute Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu Lasten der europäischen Partner weiter verbessert und Arbeitslosigkeit exportiert würde.

Aus dem Ausland erwartet das DIW dennoch eine Belebung. Entscheidend für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft werde sein, ob sich die japanische Wirtschaft endlich von der tiefen Rezession erhole, und ob der amerikanischen Wirtschaft nach der jüngsten Zinserhöhung wieder ein "Softlanding" gelinge. Derzeit seien die Perspektiven dafür durchaus günstig.

Nicht ganz so positiv wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft vom unabhängigen Weltwirtschaftsforum (WEF) gesehen. Die Kundenorientierung deutscher Unternehmen läßt nach Einschätzung der Weltwirtschaftsforscher stark zu wünschen übrig. Gleiches gelte für die Professionalität der deutschen Top-Manager und die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung. In der Rangliste der Wettbewerbsfähigkeit 1999 sei Deutschland um einen Platz auf Rang 25 zurückgefallen, schreibt das WEF in seinem am Dienstag in Genf vorgestellten Jahresbericht. Positiv bewerteten die WEF-Forscher die Innovationsfähigkeit der deutschen Unternehmen. Den Spitzenplatz in der WEF-Rangfolge der Wettbewerbsfähigkeit belegte erneut Singapur vor den USA und Hongkong. Japan fiel um zwei Plätze zurück und erreichte diesmal nur Rang vierzehn. Unter den EU-Ländern erzielte Großbritannien immer noch den besten Platz, obwohl sich die Briten innerhalb eines Jahres von Rang vier auf Rang acht verschlechterten. Auch Frankreich und Belgien liegen noch vor Deutschland.

Der deutsche Exportüberschuß ist in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres auch leicht rückläufig gewesen. Das Statistische Bundesamt ermittelte für die ersten fünf Monate einen Außenhandelsüberschuß von 49,1 (Vorjahreszeitraum 51,8) Mrd. DM. Hierfür waren die deutlich gesunkenen Exporte von 388,0 (395,9) Mrd. DM verantwortlich. Die Einfuhren sanken in diesem Zeitraum auf 338,9 (344,1) Mrd. DM. Vor allem die deutschen Exporte in Drittländer außerhalb der Europäischen Union gingen in den ersten fünf Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück, während die Einfuhren aus diesen Ländern deutlich zunahmen. In den ersten fünf Monaten sanken die Exporte in diese Staaten um 5,1 Prozent auf 162,1 Mrd. DM. Die Importe aus diesen Ländern erhöhten sich von Januar bis Mai um 2,7 Prozent auf 142,5 Mrd. DM. Die deutschen Ausfuhren in Länder der Euro-Zone wuchsen in den ersten fünf Monaten 1999 um 0,6 Prozent auf 173,8 Mrd. DM, die Importe aus diesen Staaten sanken zugleich um 3,9 Prozent auf 161 Mrd. DM.

Die ostdeutschen Wirtschaftsminister haben das Sparpaket und die Unternehmensteuerreform der Bundesregierung begrüßt. Es sei richtig, die Staatsfinanzen dauerhaft zu konsolidieren, erklärten die Minister von SPD und CDU am Dienstag auf einer Konferenz in Potsdam. Die Wirtschaft werde besonders von der Senkung des Steuersatzes bei der Körperschafts- und der Einkommenssteuer auf 25 Prozent und niedrigeren Lohnnebenkosten profitieren. Die Wirtschaftsminister würdigten, daß die Bundesregierung dem Aufbau Ost höchste Priorität einräume.

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