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 Marcel Fratzscher vertritt das DIW bislang meist alleine in der Öffentlichkeit. Das könnte sich bald ändern.

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Exklusiv

DIW stellt sich neu auf: Fratzscher reagiert nach Kritik an Management und Finanzen

Berater sehen Reformbedarf beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Eine Folge: Chef Marcel Fratzscher bekommt nun einen Vizepräsidenten an die Seite.

Von Carla Neuhaus

Marcel Fratzscher ist in diesen Tagen viel auf Sendung. Er ist einer der Ökonomen, die Ratschläge geben sollen, wie man die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise in den Griff bekommen kann. Dabei hat er auch in seinem eigenen Institut viel zu tun. Fratzscher leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das seinen Hauptsitz in Berlin hat.

370 Wissenschaftler arbeiten hier in zwölf Abteilungen, forschen zur Konjunktur, zu Ungleichheit, Bildung, Klima. Doch so renommiert Fratzschers Institut ist, so viel Lob es etwa von der Leibniz-Gemeinschaft für seine Forschungsarbeit bekommt, so liegt intern doch auch manches im Argen.

„Trotz der erfolgreichen Forschungs- und Transferarbeit besteht im Institut Reformbedarf“, schreibt jetzt eine fünfköpfige Beratergruppe, die das DIW selbst im vergangenen Jahr bestellt hat. 15 Mal haben die Experten in den letzten Monaten getagt und dabei Vorstand, Personalrat und Abteilungsleiter angehört. Der Bericht, der dabei nun herausgekommen ist, ist alarmierend. Von einer „unausgeglichenen Organisationsstruktur“ ist da die Rede und von einem „verbesserungsbedürftigen Finanzcontrolling“.

Die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Abteilungen soll besser werden

Die Berater, zu denen unter anderem Jörg Rocholl, der Präsident der privaten Hochschule ESMT, und der Linzer Ökonom Friedrich Schneider gehören, empfehlen dringend „die Etablierung neuer Strukturen“. Man müsse eine „stärkere Transparenz, Partizipation und Verbindlichkeit zwischen Vorstand und wissenschaftlichen Abteilungen ermöglichen“. So steht es in dem 15-seitigen Abschlussbericht, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Das DIW hat seinen Hauptsitz in Berlin an der Friedrichstraße.
Das DIW hat seinen Hauptsitz in Berlin an der Friedrichstraße.

© promo

Hat Fratzschers Management also versagt, wie Medienberichte vermuten lassen? Er selbst weist das von sich. „Die Initiative, eine solche Beratergruppe zu engagieren, ist vom Vorstand ausgegangen“, sagte er am Donnerstag im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Er selbst hat das Gremium also mit einberufen. Auch hätten er und die übrigen Vorstandsmitglieder eng mit den Beratern zusammengearbeitet – den Bericht sogar mit ihnen gemeinsam erstellt.

Dass es in seinem Haus Handlungsbedarf gibt, streitet Fratzscher deshalb auch gar nicht ab. „Wir sind in den letzten Jahren massiv gewachsen“, sagt er. „Das ist positiv, weil es bedeutet, dass wir mehr Forschungsprojekte stemmen konnten. Es hat aber auch Nachteile: bei den Finanzen ebenso wie bei der strategischen Fokussierung. Jetzt müssen wir die Struktur des Instituts entsprechend anpassen.“

Ein neuer Vizepräsident soll den Vorstand ergänzen

Und das bedeutet auch eine Änderung an der Spitze des Instituts. So soll Fratzscher künftig ein Vizepräsident oder eine Vizepräsidentin an die Seite gestellt werden. Er oder sie soll das DIW nicht nur nach außen repräsentieren, sondern vor allem intern stärker den Kontakt zu den Wissenschaftlern pflegen. Fratzscher befürwortet diese Entscheidung. „Wenn Sie die Verantwortung von drei auf vier Personen im Vorstand verteilen, ist das ein Zeichen der Stärke“, sagt er. Derzeit sitzen neben ihm Stefan Liebig als Direktor des Sozio-oekonomischen Panels und Angelika Röhr als Geschäftsführerin im Vorstand. Nach außen repräsentiert wird das Institut meist dann aber doch von Fratzscher selbst.

Ursprünglich hat es auch im DIW schon mal einen Vizepräsidenten gegeben. Abgeschafft worden ist dieser Posten allerdings lange bevor Fratzscher Chef des Instituts wurde. Indem er sich nun bewusst einen Vizepräsidenten an die Seite holt, lernt er womöglich auch aus den Fehlern seines Vorgängers. Klaus F. Zimmermann musste das DIW 2011 verlassen, nachdem es harte Kritik an seinem Führungsstil gegeben hatte. Fratzscher baut nun auf die Unterstützung im Führungsgremium: „Das vierte Vorstandsmitglied soll als eine Art Scharnier zwischen Vorstand und den wissenschaftlichen Abteilungen fungieren“, sagt er.

Dabei ist der Vorstand nur eine Baustelle im Institut. Eine andere ist der Umgang mit den Finanzen. Offenbar war in der Vergangenheit nicht immer ganz klar, über welche Budgets die einzelnen Abteilungen eigentlich verfügen konnten. Die Berater empfehlen deshalb unter anderem die „Einführung eines einfachen und übersichtlichen Systems für die Finanzen“ sowie die „jährliche Zuweisung von Abteilungsbudgets“.

Warum die Einnahmen so schwer zu planen sind

Fratzscher zufolge steht dahinter ein Problem, das auch andere Forschungseinrichtungen hätten. „Die Personalkosten sind zuletzt um 2,5 bis drei Prozent gestiegen – auch durch Tarifverträge“, sagt er. „Gleichzeitig sind die öffentlichen Zuwendungen in der selben Zeit nur um 1,5 Prozent angehoben worden.“ Um die Lücke zu schließen, seien sie auf mehr Drittmittel angewiesen, die sich aber nur schwer planen ließen. „Dazu kommt, dass wir unsere Mitarbeiter möglichst langfristig anstellen“, sagt Fratzscher. „Drittmittel bekommen Sie aber in der Regel für drei Jahre.“

Leichter machen soll die Verteilung der Finanzmittel auch eine neue Struktur des Instituts, mit dem Fratzscher das Profil des DIWs schärfen will. „Wir wollen uns künftig auf die drei Themenbereiche Ungleichheit, Nachhaltigkeit und Klima sowie Europa fokussieren“, sagt er. Diesen drei Bereichen sollen die bisher zwölf Abteilungen zugeordnet werden. Auch das soll es langfristig dem Management helfen, den Überblick zu behalten. „Die Zahl der Abteilungen ist auffallend groß“, schreiben die Berater. Das erschwere „die operative und strategische Steuerung“.

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