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Wirtschaft: Dosenchaos bleibt auch nach dem 1.Oktober

Zum Start der uneingeschränkten Pfandregelung sind Händler von einem einheitlichem System weit entfernt

Berlin (dro/dr/hop). Der Plan von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne), das Dosenpfand zu vereinfachen, funktioniert auch zum 1. Oktober nicht. Viele Händler wollen ab dem heutigen Mittwoch, wenn die Dosenpfandregelung uneingeschränkt in Kraft tritt, die Dosen der Konkurrenz nicht zurücknehmen, sondern zunächst Altbestände verkaufen. Die Verbraucherverbände haben Klagen angedroht.

Eigentlich soll alles einfacher werden mit dem neuem Dosenpfand. Trittins Plan: Handelsketten müssen auch die Dosen zurücknehmen, die nicht bei ihnen gekauft worden sind. Doch zum Start am 1. Oktober blickt keiner mehr durch, die Verbraucher nicht und auch die Händler nicht. Anstatt das Rückgabesystem zu vereinheitlichen, haben die einzelnen Supermarktketten und Getränkelieferanten ihre ganz eigenen Systeme entwickelt, um mit dem Dosenpfand fertig zu werden.

Supermarktketten wie Kaiser’s, MeyerBeck oder Bolle (Metro-Gruppe), haben die Dose komplett aus ihren Regalen verbannt. Stattdessen hängen dort jetzt Plakate auf denen „Weg mit den Einweg-Pfandartikeln“ steht. „Ab dem 1. Oktober verkaufen wir nur noch Mehrwegflaschen“, sagt Sulaf Ahmed, Geschäftsführer eines Bolle-Marktes in Berlin. Zufrieden ist er allerdings nicht mit dieser Lösung. Die Getränkefirmen hätten große Lieferprobleme bei den Mehrwegprodukten, sagt Ahmed. Rund 15 Prozent seiner Bestellungen kämen nicht.

Die Alles-raus-Methode der großen Konzerne im Lebensmitteleinzelhandel könnte allerdings ein Nachspiel haben: Ihnen droht nämlich ein Kartellverfahren in Brüssel. Wie der Tagesspiegel aus Kreisen erfuhr, hat der Verein Pro Mehrweg, in dem sich rund 200 Unternehmen und Verbände aus der Brau- und Getränkeindustrie organisiert haben, am vergangenen Montag einen entsprechenden Antrag bei der EU-Wettbewerbskommission gestellt. In dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, wirft der Verein den großen Lebensmittelkonzernen vor, sich abgesprochen und gezielt Einweggetränkepackungen aus den Regalen genommen zu haben, um die EU-Kommission zum Einschreiten zu bewegen und so das Dosenpfand letztlich doch noch zu kippen. Ausgenommen sind die Spar-Märkte. Denn hier bleibt alles wie gehabt, mit Pfandbon.

Alles raus und eigenes rein – das ist eine weitere Rücknahme-Methode der Supermarktketten. Rewe und die Discounter Aldi, Lidl und Plus haben von nun an nur noch eigens produzierte Dosen und PET-Einwegflaschen im Sortiment. „Insellösung“ nennen sie das Konzept. Und so bringen Aldi und Lidl eine 0,55 Liter Dose auf den Markt und Plus hat die 0,5 Liter PET-Bierflasche eingeführt. „Dosen haben wir aus unserem Sortiment gestrichen“, sagt Plus-Marketingleiter Peter Müller. Der Trick bei der Discounter-Strategie: Sie müssen nur ihre eigenen Flaschen und Dosen zurücknehmen. Denn nach der neuen Verordnung sind sie lediglich dazu verpflichtet, zurückzunehmen, was sie auch im Sortiment haben. Die Zulässigkeit der Insellösungen ist jedoch noch nicht geklärt. Die angebotenen Behältnisse müssten schon eine echte Veränderung aufweisen, hieß es bei der Verbraucherzentrale.

Künftig also werden Dosen fast nur noch an Tankstellen und Kiosken zu kaufen sein. Aber auch da gibt es eine Ausnahmeregelung für Läden mit einer Fläche unter 200 Quadratmeter. Die müssen nur Dosen der Marke und Größe zurücknehmen, die sie auch verkaufen. In der Praxis allerdings ist es dann noch komplizierter. Die meisten Kioske und Tankstellen werden von der Firma Lekkerland-Tabaccoland (L–T) beliefert. L–T kennzeichnet seine Getränkedosen mit einem „P“. Allerdings sind die Händler, die mit Lekkerland zusammenarbeiten, nicht nur verpflichtet, die mit P-gekennzeichneten Dosen anzunehmen, sondern auch alle anderen (sofern sie Marke und Größe im Sortiment haben). Warum dann aber die „P“-Kennzeichnung? Das haben sich offenbar auch viele Kioskbesitzer in Berlin gefragt und beschlossen, nur Dosen mit dem „P“ drauf anzunehmen. Damit verstoßen sie aber gegen Trittins Dosenpfandregelung. Denn Lekkerland hatte dem Umweltminister erst vor zwei Wochen zugesagt, dass seine Händler auch „P“-freie Dosen annehmen werden. Auf Nachfrage ist Firmen-Sprecherin Ingar Koenen dennoch nicht sonderlich überrascht über die eigenwillige Auslegung der Kioskbesitzer. „Die Neuregelung ist für alle eine Zumutung, da blickt doch niemand mehr durch“, sagt sie.

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