zum Hauptinhalt
Schlecht gebrüllt. Reden ist besser. Drohen Konflikte zu eskalieren oder festzustecken, braucht es externe Vermittler. Mediatoren sind zunehmend gefragt – eine Einigung ist schließlich billiger. Foto: dpa

© dpa

Wirtschaft: „Du, Hirsch!“

Damit Konflikte nicht in Drohgebärden enden, gibt es Schlichter. In und um Berlin bieten Unis eine Weiterbildung zum Mediator an

Wenn man ihn nach Konflikten in seinem Umfeld fragt, muss der Kreuzberger Pfarrer Jörg Machel nicht lange nachdenken: In Familien, Vereinen oder Gruppen stehen sich die Kontrahenten manchmal scheinbar unversöhnlich gegenüber. „Konfliktvermittlung ist immer ein Teil meiner Arbeit gewesen. Sie gehört zu meinem Handwerkszeug als Pfarrer“, sagt er. „Anders als in der Seelsorge gebe ich dabei keine Ratschläge, sondern lasse die Konfliktparteien eigene Lösungen finden.“ Um seine praktischen Erfahrungen zu vertiefen und theoretisch zu fundieren ging Jörg Machel 25 Jahre nach dem Ende seines Theologiestudiums wieder zur Uni. Er belegte den berufsbegleitenden Master-Studiengang Mediation an der Europa-Universität Viadrina.

Drei Semester lang las er Zuhause Texte über juristische Themen, politische Konfliktlösungsansätze und Psychologie und fuhr regelmäßig zu Präsenzseminaren nach Frankfurt an der Oder. „Die Seminare waren schon deshalb sehr spannend, weil wir eine ganz gemischte Gruppe waren. Neben mir saßen Juristen, Manager, Unternehmensberater, Entwicklungshelfer und Sozialarbeiter“, sagt er. Gemeinsam spielten sie Vermittlungssituationen durch, diskutierten über ethische Fragen und sprachen über theoretische Grundsätze. Die Dozenten waren erfahrene Mediatoren, ebenfalls aus unterschiedlichen Fachgebieten.

Das Mediationsstudium an der Viadrina gibt es seit sieben Jahren. Es ist der einzige Mediationsstudiengang in Deutschland, der mit einem Master of Arts (M.A.) abschließt. An der Fernuni Hagen kann man in drei Semestern den Master of Mediation (M.M.) machen. An der Uni Potsdam und der Freien Universität Berlin gibt es Zertifikatsstudiengänge in Mediation. „Im Gegensatz zu privaten Instituten ist die Ausbildung an Unis oft breiter angelegt“, sagt Detlev Berning vom Bundesverband Mediation. Sie folgen in den meisten Fällen den Ausbildungsrichtlinien seines Verbands.

Zu den Grundsätzen einer Mediation gehört, dass sich beide Seiten bereit erklären, an der Vermittlung teilzunehmen, um ihren Konflikt zu lösen. Der Mediationsprozess – egal ob in der Wirtschaft, in Familien oder unter Kollegen – durchläuft die gleichen Phasen: In der ersten Phase werden die Grundlagen für die Vermittlung geklärt. In der zweiten stellt jede Konfliktpartei die Auseinandersetzung aus ihrer Sicht dar. In der dritten Phase wird gemeinsam mit dem Mediator der Hintergrund des Konflikts erarbeitet. Welche Interessen spielen eine Rolle? Welche Gefühle stehen dahinter? Welche Ziele verfolgen die Konfliktparteien? In der vierten Phase werden Lösungsoptionen erarbeitet. Abschließend halten die Konfliktparteien die Ergebnisse fest. Dazu gehört auch, wie man sich zukünftig im Konfliktfall verhalten möchte.

„Bei uns melden sich einerseits Studenten an, die in ihrer Firma oder ihrem Team Mediation anwenden wollen. Die andere Hälfte möchte sich als Mediator selbständig machen“, sagt Niels Eickelberg vom Europäischen Hochschulverbund (EHV). In dem Zertifikatsstudium mit sieben Präsenzmodulen in Zusammenarbeit mit der internationalen Akademie für innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie (INA) an der Freien Universität (FU) kann man sich sowohl zum Winter- als auch zum Sommersemester anmelden. Für den Kurs, der im Oktober beginnt, sind noch Plätze frei.

Die praktische Arbeit nach der Ausbildung beginnt meist mit Fällen aus dem persönlichen oder beruflichen Umfeld, weiß Niels Eickelberg. Wer sich bei einem der Berufsverbände listen möchte, muss je nach Aufnahmekriterien mehrere Fälle durch Dokumentation oder Supervision nachweisen. An der Universität Potsdam gibt es seit einem Jahr den Zertifikatsstudiengang Mediation.

„Für das Wintersemester 2011/12 sind die 16 Plätze schon seit drei Monaten belegt, aber es gibt eine Warteliste“, sagt Rechtsanwältin und Mediatorin Sabine Hufschmidt. Sie lehrt seit mehr als zehn Jahren Mediation für angehende Juristen und hat mit Kollegen den Studiengang in Potsdam ins Leben gerufen. Spannend findet sie, dass das Verfahren zunehmend ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt: Einige Rechtschutzversicherungen bezahlen bereits die Kosten für eine Mediation, sind sie doch häufig niedriger als eine gerichtliche Auseinandersetzung. Familiengerichte empfehlen bereits in Sorge- und Umgangsrechtssteitigkeiten die Vermittlung durch einen Mediator.

Den Bedarf an Meditationen sieht Christian Hochmuth, Geschäftsführender Koordinator des Instituts für Konfliktmanagement an der Viadrina, das eng mit dem dortigen Master-Studiengang Mediation kooperiert, nicht nur in politisch-gesellschaftlichen Fragen, sondern auch im juristischen und wirtschaftlichen Bereich.

„Zahlreiche Unternehmen wie Bombardier, Munich Re oder die Deutsche Bahn begrüßen es ausdrücklich, wenn ihre Mitarbeiter bei uns den Master studieren. Oft handelt es sich dabei um Führungskräfte der mittleren Ebene. Die Unternehmen wissen, dass Konflikte unter den Angestellten, aber auch mit Zulieferern oder anderen Geschäftspartnern viel Geld kosten“, sagt er. Um sich über ihre Erfahrungen mit Mediation auszutauschen, haben sich einige große Firmen zum „Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft“ (RTMKM) zusammengeschlossen. Auch viele Juristen machen die Zusatzausbildung, um vorbereitet zu sein, in Konflikten ohne ein Gerichtsverfahren zu vermitteln.

Unter den Master-Studenten in Frankfurt an der Oder sind sowohl Berufsanfänger als auch Menschen, die schon länger im Beruf stehen. Die Hälfte der jährlich 52 Studierenden hat bereits eine Mediationsausbildung und möchte nun noch einen Master draufsatteln. Für sie kostet das Studium 2200 Euro, alle anderen Teilnehmer zahlen 3200 Euro pro Semester für den dreisemestrigen Studiengang. „Teilweise gewährt der Arbeitgeber Bildungsurlaub, teilweise übernimmt er auch die Studiengebühren für seine Mitarbeiter“, sagt Christian Hochmuth. Ist dies nicht der Fall, kann ein Teilstipendium beantragt werden.

Bei der Finanzierung des Studiums von Pfarrer Jörg Machel unterstützte ihn ein privater Sponsor, wie er sagt. Seine neu erworbenen Kenntnisse helfen ihm, die Alltagskonflikte klarer zu erkennen und gezielter zu bearbeiten. Immer wieder ist er auch außerhalb seiner Gemeinde als Mediator tätig: So wird er bei Konflikten in kirchlichen Institutionen hinzugebeten, wird bei Nachbarschaftsstreitigkeiten und Familienkonflikten angefragt und hilft gern auch bei Auseinandersetzungen, in die ehrenamtlich engagierte Menschen in Initiativen und Vereinen verstrickt sind.

„Das geht allerdings nur, wenn ich selbst nicht in den Konflikt involviert bin“, sagt er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false