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Wirtschaft: Eichels Giftliste löst heftige Proteste aus

BONN/BERLIN (hej/vis/uhl/HB). Das am Wochenende auszugsweise bekannt gewordene Sparprogramm von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat am Montag einen Sturm der Empörung ausgelöst.

BONN/BERLIN (hej/vis/uhl/HB). Das am Wochenende auszugsweise bekannt gewordene Sparprogramm von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat am Montag einen Sturm der Empörung ausgelöst. Auf heftige Kritik stieß dabei vor allem der Plan, die Steuerprivilegien für Lebensversicherungen zu kürzen. Nach Informationen des "Handelsblatts" will die Koalition ihre Sparliste nun bereits am 23. Juni öffentlich vorlegen. Bundeskanzler Schröder (SPD) kündigte an, die Koalition werde ihre Pläne "offensiv vertreten".

Während die Koalition auch weiterhin offiziell an dem Termin 30. Juni für die öffentliche Vorlage des Sparprogramms festhalten will, gibt es interne Überlegungen, die Entscheidungen über das 30 Mrd. DM umfassende Sparprogramm sowie die Grundsatzentscheidungen über die Neuregelung der Familien- und Unternehmensbesteuerung und die weiteren Öko-Steuerschritte um eine Woche vorzuziehen. Auf diese Weise soll verhindert werden, daß die Spekulationen zu sehr ins Kraut schießen.

Schröder bestätigte, daß die Unternehmensteuerreform mit einem Körperschaftsteuersatz von einheitlich 25 Prozent und einer Senkung der Gewerbesteuerlast um rund zehn Prozentpunkte verwirklicht werde. Damit werde der versprochene Höchststeuersatz von 35 Prozent erreicht. Auch die Personengesellschaften würden entsprechend entlastet. Ferner kündigte Schröder eine Fortsetzung der Ökosteuerreform und Verbesserungen für die Familien an. Inwieweit neben der Erhöhung des Kinderfreibetrags das Kindergeld angehoben werden könne, hänge von den finanziellen Möglichkeiten ab. Die Koalitionsfraktionen drängen im Gegensatz zu Bundesfinanzminister Eichel darauf, das Kindergeld bereits ab dem Jahr 2000 um möglichst mehr als zehn DM zu erhöhen. Eichel widersetze sich diesem Vorhaben inzwischen nicht mehr prinzipiell, verlange aber Gegenfinanzierungsvorschläge, hieß es in der Koalition.

Schröder teilte zudem mit, daß Eichel sein Sparziel von 30 Mrd. DM erreichen werde und dabei seine volle Unterstützung habe. Der Betrag von 30 Mrd. DM werde bereits im nächsten Jahr kassenmäßig "relativ vollständig" zur Verfügung stehen, betonten Regierungskreise. Dabei werde Eichel ohne Mehrwertsteuererhöhung auskommen, erklärte das Bundesfinanzministerium.

Eine klare Antwort auf die Höhe der Rentenanpassung im kommenden Jahr blieb Schröder jedoch schuldig. Nach bisher unbestätigten Berichten sollen die Renten im Zuge der Haushaltssanierung nicht mehr wie die Nettolöhne, sondern nur noch um ein bis zwei Prozentpunkte steigen.

Auf heftige Kritik ist der von der Regierung bislang nicht dementierte Plan, die Erträge von Kapitallebensversicherungen am Ende der Laufzeit mit einer Kapitalertragsteuer von 25 Prozent zu belegen, gestoßen. Der Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Bernd Michaels, sprach am Montag von einer sozialpolitischen Katastrophe. Die Kapitallebensversicherung sei die einzige Möglichkeit, in Ergänzung zu einer nicht mehr ausreichenden gesetzlichen Rentenversicherung eine garantierte private Altersversorgung aufzubauen und die Angehörigen gegen Tod und Berufsunfähigkeit abzusichern.

Auch Verbraucherschützer kritisierten die Steueränderungspläne bei der privaten Altersvorsorge als "nicht nachvollziehbar". Zwar sei es richtig, die einseitige Privilegierung der Lebensversicherungen gegenüber anderen Formen der privaten Altersvorsorge zu beenden, doch dürfe dies nicht dazu führen, daß die private Vorsorge über Fonds, Bankprodukte oder Wertpapiersparen auch in Zukunft steuerlich nicht gefördert werde, sagte Manfred Westphal von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände. Der Versicherungsexperte der Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Scholl, forderte eine steuerliche Gleichbehandlung aller zur Altersvorsorge geeigneten Sparformen. Wenn Bundesfinanzminister Eichel nun stattdessen nur die Lebensversicherungen mit einer Kapitalertragsteuer von 25 Prozent belegen wolle, sei das nur "das alte Chaos".

Proteste löste auch die Absicht aus, die steuerliche Absetzbarkeit von Bewirtungsspesen zu beenden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion kritisierte, die deutschen Gastwirte hätten schon schwer genug an der Neuregelung der 630-DM-Jobs, der Ökosteuer und der Abschaffung des Vorsteuerabzugs zu tragen. "Es sieht fast so aus, als ob die Bundesregierung das Gastgewerbe in Deutschland systematisch ruinieren will", sagte Christian Ehlers, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, warum bestimmte Betriebsausgaben willkürlich nicht mehr abzugsfähig sein sollen.

Die drohende Verschlechterung der Abschreibungssätze nannte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Hermann Otto Solms, eine "unmittelbare Gefahr für die Arbeitsplätze". Vor allem die mittelständischen Firmen würden dadurch belastet, weil von den geplanten Steuersatzsenkungen nur Großunternehmen profitieren würden. Rolf Kurz, Präsident des Bundesverbands der Selbständigen, mahnte eine echte Entlastung der Unternehmen an. Peer Paulus von der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer forderte eine Verschlankung des Staats. Man traue aber Eichel eher als Lafontaine zu, die Reform endlich über die Bühne zu bringen, sagte Paulus.

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