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Wirtschaft: Ein gefährliches Feld

Amerikanische Konzerne wollen Pflanzen gentechnisch verändern, um Medikamente herzustellen – gegen heftigen Widerstand

Zwischen der amerikanischen Nahrungsmittel- und der Biotechnologie-Industrie ist ein Streit ausgebrochen: Es geht um den Plan, landwirtschaftliche Produkte genetisch zu verändern, um Medikamente und Chemikalien herzustellen.

Das so genannte „Bio-Pharming“ wird als ein neues Feld in der Pflanzen-Biotechnologie angesehen, die sich bislang darauf konzentriert hat, den Anbau zu verbessern.

In der Industrie hofft man, dass sich dieser neue Bereich, der die Fähigkeit der Pflanzen ausnutzt, medizinisch wichtige Proteine weitaus kostengünstiger zu produzieren als bisher, bis Ende dieses Jahrzehnts zu einem Multimilliarden-Geschäft entwickeln wird.

Doch einflussreiche Kräfte des 500 Milliarden US-Dollar (Euro) starken Nahrungsmittelsektors, der die Pflanzen-Biotechnologie bislang unterstützt hat, beginnen, Druck auf die Regulierungsbehörden auszuüben, damit neue Vorschriften erlassen werden, die den Bio-Pharming-Firmen das Leben weitaus schwerer machen würden.

In Europa schüren Umweltschützer und Grüne in den Regierungen schon lange die Angst vor „Frankenfood“ und Pflanzen mit mutierten Genen. Die EU fordert schon jetzt von Landwirten, Pufferzonen aus herkömmlichen Pflanzen um den genmanipulierten Anbau zu errichten, um unerwünschte Bestäubungen zu vermeiden. Es ist wahrscheinlich, dass die Vorschriften noch strenger werden. Aber die Debatte in Europa ist weitgehend theoretisch, weil im offenen Feld kaum genetisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Die Unternehmen, die Insulin und Enzyme biotechnologisch produzieren, tun dies überwiegend im Labor.

In den Vereinigten Staaten fördert die Nahrungsmittelindustrie schon lange den Einzug der Biotechnologie in die landwirtschaftliche Produktion. Den Verbrauchern versprechen die Konzerne, dass die genveränderten Produkte besser schmecken, länger haltbar sind und weniger allergische Reaktionen bei Konsumenten hervorrufen. Doch sie wollen ihre Lieblinge nicht mit streunenden Genen von Bio-Pharmaka verseucht wissen.

Viele Führungskräfte in der Nahrungsmittelindustrie befürchten, dass Impfstoffe, Enzyme, Antikörper und Hormone in ihren Produkten landen. Das könnte kostspielige Rückruf-Aktionen auslösen. Sie machen sich Sorgen, dass Blütenstaub von Pflanzen, die für pharmazeutische Zwecke angebaut werden, vom Wind so weit getrieben werden, dass sie Pflanzen befruchten, die zu Lebensmitteln verarbeitet werden sollen.

Das US-Landwirtschaftsministerium, das die Vorschriften überprüft hat, empfiehlt den Investoren, ihre Versuchsflächen in einiger Entfernung von Feldern mit verwandten Pflanzen zu halten und den Fortpflanzungszyklus zeitlich so zu legen, dass er nicht mit dem der Nachbarfelder zusammenfällt. Aber das sind nur unverbindliche Empfehlungen. Lobbyisten der Nahrungsmittelindustrie wie die Grocery Manufacturers of America oder die National Food Processors Association versuchen Druck auf die Biotechnologie-Industrie auszuüben. Sie wollen, dass pharmazeutische Produkte nur von Ackerfrüchten hergestellt werden, die nicht Lebensmittel sind, wie zum Beispiel Tabak. Dabei sind gerade Getreide und Kartoffeln die Wunschpflanzen vieler Forscher im Bio-Pharming.

Der größte nordamerikanische Biotechnologie-Verband, die Biotechnology Industry Organisation, hat Ende Oktober versucht, einen Kompromiss zu finden. Seine Mitglieder, die Bio-Pharming betreiben wollen – das sind etwa ein Dutzend in den USA und Kanada – versprachen, in den größten Getreideanbaustaaten Iowa, Illinois und Indiana kein Getreide anzubauen und sich auf Nebraska und fünf anderen Staaten zu beschränken.

Aber diese pharmafreie Zone geht manchen in der Nahrungsmittelindustrie nicht weit genug. Denn der Vorschlag deckt erstens nicht alle Lebensmittel-Pflanzen ab und ist außerdem wenig mehr als ein Gentleman’s Agreement. Der Staat Iowa beispielsweise versucht, eine Bio-Pharming-Industrie um Mais herum aufzubauen, der meistangebauten Frucht in Iowa. Der Staat hat Millionen in die Forschung an den Universitäten gepumpt, Steueranreize für Investoren geschaffen und plant nun eine Einrichtung, in der pharmazeutische Proteine aus Pflanzen gewonnen werden können. Ob es die laufenden Projekte im kommenden Jahr allerdings noch geben wird, ist angesichts des angestrebten Kompromisses fraglich.

Auch anderen bereitet das Gentleman’s Agreement Kopfzerbrechen. Das texanische Unternehmen Prodi Gene werde gezwungen sein, hunderte von Quadratmetern seines genetisch veränderten Getreides aus Nebraska zu verlegen, sagt Unternehmensleiter Anthony Laos. Das Getreide wird angebaut, um ein Protein herzustellen, das von der Bauchspeicheldrüse produziert wird. Die Pharmaindustrie nutzt dieses Protein unter anderem für die Herstellung von Insulin.

In dem Moratorium ist nicht festgelegt, wie lange es gelten soll. Aber Laos sagt, er beabsichtige, die Kompromissvorschläge ein Jahr lang zu akzeptieren und sie dann erneut zu überdenken. Er ist auch unnachgiebig, was die weitere Verwendung von Getreide angeht. Getreide, sagt er, könne mit am leichtesten gentechnisch verändert werden. „Wir haben ein kleines bisschen kapituliert, aber weiter werden wir nicht gehen“, sagt Unternehmenschef Laos.

Die Texte wurden übersetzt und gekürzt von Tina Specht (Microsoft), Svenja Weidenfeld (Biotech), Christian Frobenius (Pitt Stopp), Karen Wientgen (Türkei) und Matthias Petermann (Deutschland).

Scott Khan

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