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Wirtschaft: "Ein Konjunkturpaket sollte den Arbeitslosen helfen"

Alice Rivlin (70), war von 1996 bis 1999 Vizepräsidentin der amerikanischen Notenbank Federal Reserve. Zuvor arbeitete die Demokratin unter anderem als Leiterin der Haushaltsabteilung des Weißen Hauses unter Bill Clinton.

Alice Rivlin (70), war von 1996 bis 1999 Vizepräsidentin der amerikanischen Notenbank Federal Reserve. Zuvor arbeitete die Demokratin unter anderem als Leiterin der Haushaltsabteilung des Weißen Hauses unter Bill Clinton. Zurzeit arbeitet sie beim Brookings Institution in Washington.

Frau Rivlin, die US-Konjunktur befindet sich seit März in einer Rezession. Hätte die Politik das verhindern können?

Das bezweifle ich. Der Konjunkturzyklus ist ein Merkmal von kapitalistischen Wirtschaftssystemen. Wir hatten eine sehr lange Wachstumsperiode. Ich glaube, es war unvermeidbar, dass die Wirtschaft sich irgendwann abkühlen würde.

Wie kann man jetzt so schnell wie möglich einen Aufschwung herbeiführen?

Die Geldpolitik ist schon seit Januar extrem aggressiv. Die Serie von Zinskürzungen war aggressiver, als ich es je zuvor erlebt habe. Die Federal Reserve hat alles getan, was man von einer Notenbank erwarten kann.

Der Erfolg lässt aber auf sich warten.

Ich denke, es hat bereits viel bewirkt. Der Immobilienmarkt ist stärker geworden und der ziemlich starke Konsum ist deutlich von den niedrigeren Zinsen getrieben worden. Die Senkungen haben allerdings nicht das Investitionsverhalten wiederbelebt. Hinter uns liegt ein großer Investitionsboom. Die Investitionen werden erst dann zunehmen, wenn die Investoren sicher sind, dass die Überkapazitäten abgebaut sind.

Normalerweise müssten doch nach elf Zinssenkungen die Effekte etwas deutlicher zu spüren sein - auch bei den Investitionen.

Das ist nicht unbedingt richtig. Geldpolitik braucht eine Weile, bis sie wirksam wird. Für Investoren sind kleine Änderungen in den kurzfristigen Zinssätzen nicht bedeutend, sondern die Aussichten auf Umsatz. Die Geldpolitik mag effektiv darin sein, Rezessionen anzukündigen - das war sie auch dieses Mal. Aber ihre Geschichte legt nicht gerade den Schluss nahe, dass sie extrem effektiv darin ist, Rezessionen zu beenden.

Was kann dann einer Rezession entgegen wirken?

Wir haben bislang nicht viel in der Finanzpolitik getan. Die Steuerrückzahlungen vom Sommer waren für die Wirtschaft nur ein kleiner Stimulus. Wir brauchen jetzt einen größeren.

Sie meinen ein Konjunkturpaket?

Ja, aber es muss das richtige sein. Ich glaube nicht, dass der Vorschlag, den das Repräsentantenhaus verabschiedet hat, überhaupt einen Stimulus bringen würde. Es betont Steuersenkungen für Unternehmen. Die meisten davon würden nicht zu neuen Investitionen führen und auch für den privaten Konsum bietet es nur wenig Anreize.

Wie sollte ein Konjunkturpaket aussehen?

Es sollte vor allem den Arbeitslosen helfen mit Rückzahlungen oder einer kurzfristigen Befreiung von der Lohnsteuer. Zeitlich begrenzte Anreize für Investitionen sind ebenfalls eine gute Idee. Eine Hilfe für lokale Verwaltungen und die Regierungen der einzelnen Bundesstaaten wäre ein wichtiger Bestandteil. Lokale Gemeinden und Bundesstaaten tendieren dazu, Ausgaben und Stellen zu kürzen, wenn ihre Einkommen sinken. Das ist ein negativer Stimulus. Der Bund sollte hier korrigieren.

Werden die USA jemals wieder ein so hohes Produktivitätswachstum erreichen können wie in den 90er Jahren?

Wenn sich die Konjunktur wieder erholt hat, werden wir zu einem guten Produktivitätswachstum zurückkehren - vielleicht nicht so hoch wie in den 90er Jahren - aber höher als in der Zeit davor. Der High-Tech-Zyklus ist noch nicht zu Ende. Die Unternehmen haben sich stark darauf konzentriert, ihre Produktivität zu steigern, die neueste Technologie zu verwenden, auf Flexibilität und kontinuierlichen Wandel zu setzen, und ich glaube das wird noch eine Weile lang anhalten. Außerdem werden wir noch mehr Zuwächse sehen, wenn das Internet und die dazu gehörende Technologie voll genutzt werden. Dann können wir ein Produktivitätswachstum von zwei Prozent erreichen.

Wie geht es an der Börse weiter?

Die Börse war klar überbewertet und es war sehr schwierig, die enormen Werte der High-Tech-Aktien zu rechtfertigen, besonders im Hinblick auf die Gewinnerwartungen. Wenn es eine Blase gibt, muss man die Luft rauslassen; das ist passiert. Aber das heißt nicht, dass wir nicht noch einmal eine Phase erleben werden, in der Leute übertriebene Erwartungen an Aktienentwicklungen haben. Das geschieht regelmäßig.

Der Dow-Jones-Index hat sich erholt. Ist das bereits ein Anzeichen für einen Aufschwung?

Es ist ein Zeichen dafür, dass Aktienkäufer ziemlich optimistisch sind. Sie verfügen nicht über Geheimnisse, die sonst niemand kennt. Wenn sich die Börse erholt, ist es sicher eine Hilfe für die Wirtschaft, aber es ist keine Garantie für irgendetwas.

Frau Rivlin[die US-Konjunktur befindet sich seit]

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