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Wirtschaft: Ein Konto im Süden

Neue Gesetze in Deutschland verunsichern Anleger und freuen Banken in Österreich und der Schweiz

„Deutschland ist zu einem Überwachungsstaat mutiert“, wettert Lutz Schumann, Chefredakteur von ’Kapital&Steuern vertraulich’. „Unter dem Deckmantel der Terror- und Geldwäschebekämpfung kann jetzt jeder Finanzbeamte Ihre Konten und Depots einsehen“, warnt er seine Leser. Aber auch der Chef der Volksbank Raesfeld, Hermann Burbaum, der vor das Bundesverfassungsgericht gezogen war, wirft der Bundesregierung vor, das Bankgeheimnis beerdigt zu haben.

Was Schumann auf die Palme bringt, ist die seit dem 1. April geltende Gesetzeslage. Zu diesem Datum ist – zunächst auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt – das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ in Kraft getreten. Seit diesem Zeitpunkt können das Finanzamt, aber auch die Arbeitsagenturen oder das Sozialamt, kontrollieren, welche Konten der Bürger bei welchen Kreditinstituten eingerichtet hat. Wer eine Vielzahl von Konten unterhält, und diese nicht vollständig angibt, muss sich auf Fragen der Steuerfahnder einstellen, beispielsweise, ob auf dem Konto XY nicht auch Zinserträge anfallen.

„Wehren Sie sich“, fordert Schumann. Andere geben weniger lautstark Hilfestellung. Der Ferienort Jungbrunnen oder die Sparkasse Riezlern im Kleinwalsertal werben offensiv um das Geld der Deutschen. Beide Gebiete liegen auf österreichischem Boden, sind aber mit dem Auto nur von Deutschland aus zu erreichen. Auf Konten in Österreich aber hat der Fiskus keinen Zugriff. Auskünfte dürfen und müssen die Geldinstitute nur dann geben, wenn bereits ein Straf- oder ein Steuerstrafverfahren gegen einen Kunden eröffnet wurde. In der Schweiz sind die Bestimmungen noch strikter. Auch ein Steuerstrafverfahren nützt dem deutschen Fiskus dort nur wenig. Steuerhinterziehung gilt in der Schweiz lediglich als Ordnungswidrigkeit.

Die Verunsicherung der Deutschen und die Werbung der Österreicher („Auf diesen Standort können Sie bauen“) zeigen offenbar Wirkung. Die deutschen Großbanken halten sich zwar bedeckt: „Wir beobachten keine Unruhe bei unseren Kunden und schon gar keine verstärkten Kapitalabflüsse“, sagen ihre Sprecher unisono. Österreichs Nationalbank schätzt hingegen, dass Deutsche bereits heute mehr als sieben Milliarden Euro bei Banken im Nachbarland deponiert haben. Und die österreichischen Raiffeisenbanken frohlocken: „Wir registrieren derzeit ein starkes Interesse deutscher Anleger“, sagt Hans Schinwald, Mitglied der Geschäftsführung des Raiffeisenverbands Salzburg. Er geht davon aus, dass in den kommenden Monaten bis zu 500 Millionen Euro aus Deutschland nach Österreich transferiert werden. „Die Gesetzesänderung in Deutschland eröffnet österreichischen Instituten Riesenchancen.“ Schon heute steht Österreich noch vor der Schweiz und Luxemburg ganz oben in der Gunst der deutschen Kapitalflüchtlinge

Die Sparkasse im Kleinwalsertal wirbt ganz offen um Kunden aus Deutschland. Auf ihrer Homepage heißt es, „dass das Kleinwalsertal auf österreichischem Staatsgebiet liegt, und deshalb österreichisches Recht gilt. Das bedeutet, wenn Sie keinen ständigen Wohnsitz in Österreich haben, vergüten wir ihnen alle Zinserträge ohne Abzug von Kapitalertragsteuer.“ Eher pro forma da wohl der Hinweis: „Das ändert aber nichts an ihrer Pflicht als Anleger, alle Kapitalerträge ordnungsgemäß in ihrer Steuererklärung zu deklarieren.“ Ähnlich Jungholz. Diese Gesetzeslage ändert sich allerdings zum 1. Juli.

Zwar nehmen alle drei Länder nicht am europäischen Informations- und Kontrollsystem teil. Doch vom Sommer an behalten die Schweizer wie auch die Österreicher von ausländischen Kapitalanlegern eine Kapitalertragsteuer auf Zinserträge in Höhe von 15 Prozent ein. Zudem wird der Steuersatz 2008 auf 20 Prozent und 2011 auf 35 Prozent steigen. Doch die Steuer wird anonym erhoben, das Bankgeheimnis bleibt gewahrt – und es gibt Ausweichmöglichkeiten. In Österreich beispielsweise sind die Erträge bestimmter Fonds von der Steuer ausgenommen. In der Schweiz sind Zinsen auf Treuhandanlagen, Erträge aus Staatspapieren, Anleihen und Schuldverschreibungen nicht betroffen. Und das Abkommen gilt nur für natürliche Personen, Unternehmen oder Stiftungen werden nicht erfasst.

Allerdings muss das Geld ins Ausland gebracht werden. Wer es überweist, hinterlässt eine Spur. Wer aber beim Zoll mit mehr als 15000 Euro in bar auffällt, riskiert nicht nur die Beschlagnahmung. Grundsätzlich melden die Zöllner den Steuerbehörden, wenn sie an der Grenze mehr als 15000 Euro Bargeld gefunden haben, und dies geschieht laut Zoll in jüngster Zeit immer öfter. Schon finden sich im Internet Anleitungen, wie man auch größere Beträge als 15000 Euro ins Ausland verbringen kann.

Daniel Rhee-Piening

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