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Wirtschaft: Eine kleine Pumpe bringt Urlaub fürs Herz

Die Mediport Kardiotechnik entwickelt in Steglitz ein vollimplantierbares Herzunterstützungssystem / Markteinführung im Jahr 2000 BERLIN ((fbs).).

Die Mediport Kardiotechnik entwickelt in Steglitz ein vollimplantierbares Herzunterstützungssystem / Markteinführung im Jahr 2000 BERLIN ((fbs).).Ehrgeizige Mediziner werden eher Chefärzte als Unternehmer.Johannes Müller verbindet beide Seiten.Der Oberarzt am Deutschen Herzzentrum Berlin ist gleichzeitig Geschäftsführer der Mediport Kardiotechnik GmbH in Berlin und pendelt zwischen dem OP im Herzzentrum und dem Forschungslabor im Steglitzer Gründerzentrum Mediport hin und her.Seit etwa 15 Monaten tüftelt dort ein Team von 20 Spezialisten unter seiner Leitung an der Entwicklung eines vollimplantierbaren "Kunstherzens".Dieses mechanische Herz- und Kreislaufunterstützungssystem, eine faustgroße künstliche Blutpumpe, kann einem kranken Herzen die Arbeit abnehmen, bis es sich wieder erholt hat."Das ist sozusagen ein Urlaub fürs Herz" erklärt Müller. Am Berliner Herzzentrum, wo jährlich 5000 Operationen am offenen Herzen vorgenommen werden, sammelte der Arzt eine Menge Ideen, wie man solche Unterstützungssysteme technisch verbessern könnte.Schon lange hatte er überlegt, diese Ideen in vermarktungsfähige Produkte umzusetzen.Kontakte zum heutigen Entwicklungsleiter der Kardiotechnik, Peter Nüsser, hatte es über eine Arbeitsgruppe bereits vor der Wende gegeben.Nachdem die Fördermittel für eine Zusammenarbeit am Herzzentrum ausgelaufen waren, suchten die Gründer der Kardiotechnik andere Quellen - und kamen mit Hans Karl Herr, dem Eigentümer der Mediport Consult GmbH, zusammen. Im Dezember 1996 war es dann soweit: Die Kardiotechnik GmbH wurde als Joint-Venture mit dem Herzzentrum gegründet und schlüpfte im Focus Mediport unter - einem vom Land Berlin geförderten Gründerzentrum für junge Unternehmen der Medizintechnik auf dem Gelände der ehemaligen Berthold AG in Steglitz.Die Nähe zwischen Entwicklungsabteilung und Klinik ist vom technischen Standpunkt her sehr wichtig", beurteilt Nüsser das Joint-Venture."Oft passten die weit entfernt entwickelten Produkte nicht zu den Klinikanforderungen", kann auch Müller aus Erfahrung berichten. Zwei amerikanische "Kunstherzen" waren bereits auf dem Markt."Ausgeklügelte Systeme - schließlich arbeiten die anderen seit Jahren daran", gibt Müller zu.Doch sie hatten einen entscheidenden Nachteil: Aufgrund ihrer Größe (etwa 900 Kubikzentimeter Volumen) konnten die Kunstherzen praktisch nur bei korpulenten Patienten - zwischen Bauchmuskeln und Bauchfell - eingepflanzt werden."Man muß sehr viel Gewebe voneinander trennen, beschreibt Müller die Schwierigkeiten der Operation.Zwar spürt der Patient die Pumpe trotz ihres stolzen Gewichts von einem knappen Kilo nicht mehr, sobald er sie im Bauch hat, doch drückt das Gerät auf das Gewebe.Das kann Entzündungen verursachen, etwa bei bettlägerigen Menschen.Bei schlanken, kleingewachsenen Patienten finden die bisherigen Pumpen keinen Platz, bei Kindern ist eine Implantation ohnehin unmöglich. "Wie kann man die Blutpumpen kleiner machen?" war also die zentrale Frage für das Berliner Team."Wir verkleinern den Antrieb", dachten sich die Konstrukteure und entdeckten die "Magnetofluide" für sich.Das sind winzige Eisenteilchen, die die physikalische Eigenschaft besitzen, die Leitfähigkeit zwischen zwei Magnetpolen, z.B.in einem Elektromotor, zu erhöhen.Genau diese Eigenschaft nützten die Forscher aus.50 Prozent Leistungssteigerung sind bei dem neuen Antrieb drin, der damit natürlich erheblich verkleinert werden konnte.30 bis 35 Prozent kleiner als herkömmliche "Kunstherzen" ist das Volumen des Herzunterstützungssystemes der Steglitzer.Ein weiteres Problem ist die Energieversorgung.Bisher mußte die Batterie alle vier Stunden gewechselt werden.Das Produkt der Kardiotechnik wird weniger Strom verbrauchen."Doch, von Tagen und Wochen sind wir noch weit entfernt", gibt Müller zu. Die Magnetofluide werden im eigenen Labor hergestellt und sollen als Spinn-off-Produkte vermarktet werden.Die Markteinführung der Magnetfluidpumpe ist für das Jahr 2000 geplant."Wir liegen im Plan", bestätigt Ellen Peine von der Mediport Consult, die die Geschäftsführung für die Kardiotechnik übernimmt.Wenn die Ethik-Kommission und der TÜV ihre Genehmigungen erteilt haben, beginnen im nächsten Jahr erste Tierversuche.Für Forschung und Entwicklung wurden 12 Mill.DM veranschlagt, die zu einem großen Teil über den Mediport Venture Fonds finanziert werden.Dazu kommen Investitionsfördermittel des Bundes und eine rückzahlbare stille Beteiligung der Technologiestiftung in Höhe von 1,4 Mill.DM.Die Kardiotechnik plant ab 1999 einen Umsatz von drei Mill.DM.Bis 2002 soll er auf 50 Mill.DM, bis 2005 auf 110 Mill.DM steigen.Dann will die Kardiotechnik weltweit etwa 300 Magnetfluidpumpen verkaufen."Der Markt ist da", ist sich Müller sicher.Denn die Zahl der Spenderherzen geht zurück, und das Herzunterstützungssystem, das früher nur eine Brücke zur Transplantation war, ist für Patienten auch in anderen Situationen eine Alternative: Was für den gebrochenen Arm der Gips - Entlastung und Stillegung - kann für ein krankes Herz die elektrische Pumpe sein.

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