zum Hauptinhalt

Wirtschaft: EM.TV: Haffa ruiniert das Vertrauen der Anleger

EM.TV-Chef Thomas Haffa muss nach dem Verkauf von 200 000 EM.

EM.TV-Chef Thomas Haffa muss nach dem Verkauf von 200 000 EM.TV-Aktien im Februar 2000 offenbar keine juristischen Konsequenzen fürchten. Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel sieht in dem frühzeitigen Verkauf, den Haffa am Dienstag eingeräumt hatte, keinen Anlass für Ermittlungen, solange kein Verdacht auf ein verbotenes Insidergeschäft besteht. "Wir haben bisher keine Hinweise, dass Haffa beim Verkauf der Aktien über Insiderwissen verfügte", sagte ein Sprecher des Aufsichtsamtes am Donnerstag dem Tagesspiegel. Bislang habe der EM.TV-Chef lediglich eine zivilrechtliche Vereinbarung mit den Konsortialbanken gebrochen, so der Sprecher.

Haffa hatte im Rahmen einer Kapitalerhöhung im November 1999 der konsortialführenden WestLB zugesagt, sechs Monate lang keine Aktien zu veräußern. Am Dienstag gab der EM.TV-Chef allerdings zu, er habe im Februar 2000 - die Aktie notierte nahe dem historischen Höchstkurs - ein Aktienpaket an einen institutionellen Investor verkauft, ohne die WestLB schriftlich darüber zu informieren. Dies wäre laut Börsenprospekt allerdings notwendig gewesen.

Anleger könnten aus diesem Verstoß freilich "keinen Honig saugen", dämpfte Jörg Pluta, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), am Mittwoch die Erwartungen. Schadenersatzklagen von Anlegern hätten auf der Grundlage der jüngsten Offenbarungen aus dem Hause Haffa keine Aussicht auf Erfolg. "Gleichwohl ist dieses Eingeständnis von Herrn Haffa eine Riesensauerei." EM.TV hatte im Dezember vergangenen Jahres eine drastische Ergebnis- und Umsatzkorrektur vorgenommen. Die Aktie war nach erheblichen Kursverlusten in den Vormonaten erneut abgestürzt. Gemessen am Höchstkurs von gut 120 Euro mussten Anleger einen Verlust von rund 95 Prozent hinnehmen.

Keine Sanktionen der WestLB

Die WestLB ließ am Mittwoch offen, ob sie gegen Haffa juristisch vorgehen wird. WestLB-Sprecher Michael Wilde sagte dem Tagesspiegel, die entsprechende Marktschutzklausel im Börsenprospekt für die Kapitalerhöhung sehe keine Sanktionen bei enventuellen Verstößen vor. Wörtlich heißt es dort: "Die Aktionäre Thomas und Florian Haffa haben sich gegenüber dem Bankenkonsortium verpflichtet, ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Globalen Koordinatoren innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ab dem Datum der Aufnahme des Handels der Aktien im Neuen Markt (...), keine Aktien direkt oder indirekt anzubieten, zu veräußern, dieses anzukündigen oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, die einer Veräußerung wirtschaftlich entsprechen." Die Möglichkeit, Haffa jenseits dieser so genannten Lock-up-Vereinbarung zu belangen, mochte der WestLB-Sprecher am Mittwoch nicht kommentieren. Thomas Haffa bleibt bei seiner Darstellung in einem Telefongespräch mit der WestLB den Verkauf der Aktien innerhalb der sechs monatigen Sperrfrist mitgeteilt zu haben. Bei der Investmentbank Merrill Lynch - neben der WestLB zweites Mitglied des Konsortiums - war am Mittwoch keine Stellungnahme zu bekommen.

Für Haffa dürfte sich der Verkauf der 200 000 EM-TV-Aktien gelohnt haben: Der Verkaufserlös soll im Februar vergangenen Jahres laut Medienberichten bei rund 100 Euro pro Stück gelegen haben. Am Mittwoch sank der EM.TV-Aktienkurs leicht auf zwischenzeitlich 6,10 Euro. Gegen Abend notierte das Papier bei 6,03 Euro.

Die Deutsche Börse AG bekräftigte nach den jüngsten Äußerungen Haffas am Mittwoch ihr Auskunftsersuchen an EM-TV. Danach will die Börse in Frankfurt (Main) von dem Medienunternehmen wissen, unter welchen Umständen Haffa das Aktienpaket im Februar 2000 verkaufte. Die Börse beruft sich dabei auf die Zulassungsbedingungen für den Neuen Markt, die Aktienverkäufe innerhalb von sechs Monaten nach einer Kapitalerhöhung untersagen. "Bisher haben wir von EM.TV noch keine Auskunft erhalten", sagte eine Börsen-Sprecherin.

Haffa lehnt Rücktritt ab

Obwohl der Verstoß gegen den Börsenprospekt Haffa strafrechtlich offenbar nicht gefährlich werden kann, ist das Vertrauen der Anleger inzwischen nachhaltig beschädigt. An einen Rücktritt denkt der EM.TV-Chef indes nicht. "Ein Rücktritt ist überhaupt kein Thema", sagte ein EM.TV-Sprecher am Mittwoch. Aufsichtsratschef Nickolaus Becker betonte: "Thomas Haffa hat das volle Vertrauen des Aufsichtsrates."

Dutzende von Anlegern lassen derzeit prüfen, ob rechtliche Schritte gegen Haffa und den früheren Finanzchef Florian Haffa unternommen werden können. EM.TV versuchte am Mittwoch die Aufregung im Markt zu dämpfen. Unternehmens-Sprecher Michael Birnbaum erklärte, dass den Anlegern durch den Aktienverkauf Mitte Februar 2000 kein Schaden entstanden sei. Rechtsanwalt Andreas Tilp, der zurzeit die Erfolgsaussichten einer Klage der Aktionäre aus Prospekthaftung prüft, erklärte gegenüber dem Handelsblatt, das Eingeständnis des EM.TV-Vorstands bestätige, was bereits klar war: In dem Zeitpunkt, als Haffa die Aktien verkaufte, habe er gegen die Vereinbarung im Geschäftsbericht verstoßen, da EM.TV keinen korrigierenden Nachtrag geliefert habe. Haffas Äußerungen stützten daher einen möglichen Anspruch gegen EM.TV und Haffa persönlich, da veröffentlichte Geschäftsberichte auch zu den Prospekten gehörten. Tilp will allerdings auch die Konsortialbanken mit ins Boot holen, die seiner Auffassung nach ebenfalls für die ausgegebenen Prospekte verantwortlich sind, wenn sie von dem Verstoß Haffas gegen die Lock-up-Abrede wussten. Tilps Münchner Kollege Klaus Rotter räumt Ansprüchen aus Prospekthaftung nur geringe Aussichten auf Erfolg ein. Er glaubt allerdings, dass das Geständnis Haffas für eine "Stimmung" der Justiz gegen den EM.TV-Vorstand sorgen könnte, sollte es zu Prozessen kommen. Rotter selbst setzt auf so genannte deliktische Schadensersatzansprüche und meint, dass EM.TV mit seiner Gewinnprognose die Anleger getäuscht habe oder dies zumindest "billigend in Kauf" genommen hätte.

Ungemach droht EM.TV unterdessen in den Verhandlungen über einen Einstieg der Kirch-Gruppe. In Kreisen von EM.TV hieß es, man wolle vermeiden, dass Kirch sich allein die attraktiven Formel-Eins-Rechte sichere und den Einstieg bei EM.TV platzen lasse. Das Merchandising- und Filmunternehmen wies erneut die in in einem kolportierten Brief von Kirch-Geschäftsführer Dieter Hahn am EM.TV-Chef Thomas Haffa erhobenen Vorwürfe zurück, wonach EM.TV die am 4. Dezember 2000 geschlossene Vereinbarung verletzt habe. "Wir halten uns an den Vorvertrag", sagte Birnbaum.

mot, hps, mv

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false