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Wirtschaft: Endzeitstimmung im Ostsee-Paradies

Ausgerechnet hier sollen schon in wenigen Monaten Luxuslimousinen vorfahren, will man vermögende Hotelgäste nach dem Ostseebad mit Champagner und Langusten verwöhnen, sollen sich Golfer auf mondänen Strandterrassen von den Mühen des Grüns erholen? Verlassen steht da gleich hinter dem Heiligen Damm an den zerzausten Dünen der Ostsee eine Gruppe baufälliger Häuser im Wintersturm.

Von Antje Sirleschtov

Ausgerechnet hier sollen schon in wenigen Monaten Luxuslimousinen vorfahren, will man vermögende Hotelgäste nach dem Ostseebad mit Champagner und Langusten verwöhnen, sollen sich Golfer auf mondänen Strandterrassen von den Mühen des Grüns erholen? Verlassen steht da gleich hinter dem Heiligen Damm an den zerzausten Dünen der Ostsee eine Gruppe baufälliger Häuser im Wintersturm.Nur noch erahnen lassen sich ihre klassizistischen Stuckgesimse, die die Rote Armee einst abräumte, als sie hier Quartier nahm.Längst verquollen von der feuchten Luft sind auch die Fenster, die sozialistische Baubrigaden später einsetzten, um den Kurort zum Badeparadies für Werktätige der DDR aufzubauen."Der Verfall ist das Schlimmste", sagt Joachim Skerl, der noch einige Studenten der Fachhochschule für Angewandte Kunst unterrichtet, bevor auch sie in Kürze ihr Haus in Heiligendamm für immer abschließen.

Einzig ein paar Klempner scheinen dem mecklenburgischen Ort unweit der Hansestadt Rostock noch Grund zur Hoffnung zu geben: Hastig montieren sie riesige Rohrsysteme und Ventilatoren in den unwirtlichen Palais und Villen, die Heiligendamm vor knapp zweihundert Jahren zum ersten Kurfürstlichen Seebad Deutschlands werden ließen.Tausende Kubikmeter Warmluft will man in den nächsten Monaten durch die verkommenen Wandelhallen blasen, damit der Eiswind sie nicht völlig zerfrißt."Wir glauben an dieses Paradies", sagt trotzig Heiner Zimmermann, seit einer Woche neuer Geschäftsführer der ECH Entwicklungs-Compagnie Heiligendamm, die sich im Auftrag der Fundus-Gruppe des Aachener Fondsmanagers Anno August Jagdfeld müht, aus dem verrotteten Areal ein Grand-Hotel zu schaffen, das die Edelresorts in aller Welt in den Schatten stellt.Noch sei man hier mit der Wintersicherung beschäftigt, sagt er.Doch in 48 Monaten "wird Kempinski die ersten Suiten vermieten".

So weit waren die Mecklenburger schon einmal.Kaum zwei Jahre sind vergangen, seit der Bund nach zähem Ringen dem Investor, der in Berlin einen Teil der Friedrichstraße und das Hotel Adlon aufbaute, die "Weiße Stadt" in Heiligendamm verkauft hat.Fasziniert vom letzten in Europa noch erhaltenen Architekturensemble des Klassizismus wollte sich Jagdfeld mit der Sanierung der Gebäude zum Grand Hotel Heiligendamm ein Denkmal setzen.

Doch sein Engagement war den Mecklenburgern unheimlich: Die Nachricht vom Komplettverkauf des Ortes rief in Heiligendamm lautstark Kritiker auf den Plan.Der Platz sei ein Kulturgut, empörten sich die einheimischen Historiker, man könne doch nicht ernsthaft einen Immobilienmakler mit der Restaurierung beauftragen.Sie würden von Spekulanten aus ihren Häusern vertrieben, wetterten die Einwohner und mit ihnen Politiker aller Couleur.Schließlich sei ihre ostdeutsche Heimat doch schützenswert und dürfe nicht dem Ansturm der Reichen zum Opfer fallen."Nur Lug und Trug" heizte der "Nordkurier" die Stimmung an, und Mathias Löttge, Präsident des Landesbäderverbandes Mecklenburg-Vorpommern, forderte sogar die Enteignung Jagdfelds und die Errichtung eines Staatsbades.

Und als ob sie alle Recht behalten sollten, verkündete schließlich der gescholtene Fondsmanager Jagdfeld vor vier Wochen das vorläufige Scheitern seines ambitionierten Plans: Weil er nicht genügend Anleger fand, die das 270-Mill.-DM-teure Sanierungskonzept finanzieren wollten, nahm er den Fonds Nummer 34 kurzerhand aus dem Markt.Nachdem die Bundesregierung zum Jahresende nicht nur die Sonderabschreibung für Immobilien in Ostdeutschland abschafft, sondern auch die Abschreibungen für denkmalgeschützte Objekte herunterfahren will, begründet Jagdfeld den Flop, sei das Interesse der Anleger an solch visionären Projekten abrupt zusammengebrochen.Mit einem raschen Baubeginn des Urlaubsparadieses im nächsten Jahr ist es damit erst einmal vorbei.

Das Nachsehen hat jedoch nicht nur der Fondsinitiator, der bereits 30 Mill.DM in seine Bauplanung investiert haben will.Auch die nahe Stadt Bad Doberan, zu der Heiligendamm gehört, kommt nicht vom Fleck.Nachbarorte wie Kühlungsborn haben sich längst zu florierenden Touristenstädten entwickelt.Die Strandperle Heiligendamm hingegen verblaßt immer mehr: Vorbei an den baufälligen Villen führt noch immer eine Durchgangsstraße, die jedes Idyll am Strand zerstört.Gerade mal einige Würstchenbuden und Cafés laden Gäste zum Verweilen ein.Geschäfte gibt es schon lange nicht mehr.Und selbst die zwei standhaften Hoteliers am Ort wünschen nichts sehnlicher herbei als die Jagdfeldsche Konkurrenz.Denn während im nahen Warnemünde zur Sommerzeit kein Platz vor den Eiscafés leer bleibt und freie Gästezimmer Mangelware sind, zehrt Bad Doberan von den kargen Einnahmen seiner Kulturstätten.Kaum Gewerbe, ein paar Händler und fast 17 Prozent Arbeitslosigkeit: Langsam schwant den Stadtoberen, daß die öffentliche Hatz auf Jagdfeld Bad Doberan nicht vorwärts bringt."Mittlerweile haben auch wir verstanden", sagt Christian Berner, Chef der örtlichen Bürgervertretung, "daß es ohne den Investor finster bleibt".

Schon im kommenden Februar versucht es Fondsmacher Jagdfeld deshalb zum zweiten Mal.Mit einem abgespeckten und neu strukturierten Prospekt sollen Anleger gefunden werden, denen die Restaurierung des Heiligendammer Hotelareals mindestens 50 000 DM wert ist.Vorbei ist damit allerdings der Traum vom exklusiven Familienidyll.Denn anders als beim ersten Versuch setzen die Fondsstrategen nicht mehr auf vermögende Investoren, die einen Teil ihrer Rendite durch Vorzugszimmerpreise abwohnen."Einzig der Hotelbetrieb", sagt Jagdfelds Stadthalter Zimmermann, "wird Renditen zwischen vier und fünf Prozent einfahren".Den verdutzten Stadtvätern präsentierte Jagdfeld daher in der letzten Woche auch ein neues Entwicklungskonzept, das kaum noch etwas mit der behutsamen Restaurierung des historischen Baudenkmals zu tun hat.Nicht mehr "Ruhe, Kultur und Lebensqualität" werden wie einst geplant in Heiligendamm einziehen.Vielmehr setzt der Bauherr auf einen rauschenden Hotelbetrieb.Mit zusätzlichen Neubauten, einer Ayurveda-Klinik, einem Zentrum für Schönheitschirurgie und einer Golfschule sollen die Gäste in das Seebad gelockt werden.Und auch die Vermarktung von zwölf Villen, die nicht zum Grand Hotel gehören, will Jagdfeld entgegen seiner ursprünglichen Pläne schon im nächsten Frühjahr beginnen.

Zumindest bei den Einheimischen trifft der Fundus-Chef mit seinen neuen Plänen auf offene Ohren.Nach einem ersten vertraulichen Gesprächen am vergangenen Mittwoch versichert Bad Doberans Bürgermeister Hartmut Polzin: "Wir stehen jetzt hinter Jagdfeld".

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