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Energiepolitik: Gasprom-Aktien für alle

Der russische Energiekonzern Gasprom, der größte Gasförderer weltweit, sorgte in dieser Woche für mehr Schlagzeilen als ihm lieb sein konnte. Nun öffnet sich Russlands Gasgigant dem Ausland.

Moskau - In der kommenden Woche hat der vom Kreml kontrollierte Konzern Gelegenheit, sein ramponiertes Image aufzubessern. Mit dem Beginn des russischen Börsenjahres am 9. Januar sollen die Beschränkungen für Ausländer beim Handel mit Gasprom-Aktien wegfallen. An den Börsen ist das Unternehmen in der englischen Schreibweise Gazprom notiert.

Im vergangenen Jahr hatten die Gasprom-Werte im russischen Handel noch um mehr als 160 Prozent zugelegt. Für 2006 sind Moskauer Analysten zurückhaltender. «Das größte Fragezeichen bleibt hinter Gasprom», schreibt die Investmentfirma Renaissance Capital in ihrem Ausblick. Gebe es keine Verbesserungen im operativen Geschäft, werde die Gasprom-Aktie zu den Verlierern des Jahres zählen.

Gasprom gehört mit einer Marktkapitalisierung von 150 Milliarden Dollar (125 Mrd Euro) schon heute zu den mächtigsten Energieversorgern weltweit. Doch Präsident Wladimir Putin scheint noch Größeres mit Gasprom vorzuhaben. Schritt für Schritt soll Gasprom auch zum größten Ölproduzenten des Landes aufsteigen. In Moskau wird seit längerem darauf spekuliert, dass Putin nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit 2008 auf den Chefsessel bei Gasprom wechselt.

Gasprom deckt ein Drittel des deutschen Gasverbrauches ab. Mit der Ostsee-Gaspipeline soll der Anteil ab 2010 weiter steigen. Altkanzer Gerhard Schröder hat aller Kritik zum Trotz zugesagt, den Aufsichtsrat des Pipeline-Konsortiums zu führen. Die Eon-Tochter Ruhrgas hält als größter Fremdaktionär 6,5 Prozent an Gasprom.

Dass die Aktien russischer Energiekonzerne auch gewaltige Risiken beinhalten, zeigte der Fall Yukos. Riesige Steuernachforderungen führten zur Zerschlagung des Konzerns, der als einer der effektivsten Unternehmen der Branche galt. Nach dem Rekordhoch von 68 Dollar an der Londoner Börse im Sommer 2003 stürzte Yukos im Krisenjahr 2004 auf 1,90 Dollar ab. Zuletzt lagen Yukos-Papiere bei 8,25 Dollar.

Ein ähnliches Szenario halten Experten bei Gasprom für so gut wie ausgeschlossen, weil der Staat seit 2004 wieder Mehrheitseigentümer ist. Im Fall Yukos ging es dem Kreml nach Einschätzung von Beobachtern auch oder vor allem darum, den früheren Eigentümer und politischen Quertreiber Michail Chodorkowski zu entmachten und hinter Gitter zu bringen. Die Kreml-Kontrolle über Gasprom war Voraussetzung dafür, dass nun die Schranken für ausländische Investoren fallen.

Gasprom-Kritiker sehen die Eskalation des Streits mit der Ukraine als Beweis dafür, dass die Staatskontrolle nicht zwangsläufig Vorteile für die Anleger bringt. Solange enge Vertraute Putins den Konzern führten, «wird kein ausländischer Investor glauben, dass das Unternehmen jemals die Interessen der Aktionäre über die Ziele des Kremls stellt», schrieb das «Wall Street Journal».

Wer als Nicht-Russe sein Portfolio mit Gasprom-Aktien schmücken will, wendet sich an Banken in seiner Heimat. Institutionelle Anleger können über Brokerfirmen, die an der Moskauer Börse registriert sind, in das Geschäft einsteigen.

Mit einer neuerlichen Gasprom-Euphorie rechnet in Moskau angesichts der längst einkalkulierten Liberalisierungseffekte kaum jemand. Dennoch wird der Branchenriese mit der Freigabe des Aktienhandels einiges durcheinander wirbeln. In Morgan Stanleys MSCI-Index, dem Leitindex für Schwellenländer, schießt Gasprom von einem praktisch unbedeutenden Unternehmen zum zweitgrößten Konzern nach Samsung (Südkorea) empor. (Von Stefan Voß, dpa)

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