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Zeit fürs Kind. Auch in höheren Positionen gibt es Männer, die einen Tag in der Woche frei machen. Foto: dpa

© ullstein - Hechtenberg / Caro Fo

Wirtschaft: Entdecke die Möglichkeiten

Teilzeit gilt für Manager eigentlich als ungeeignet. Doch die Zahl derer wächst, die sich mehr Freiraum für Familie und Hobbys wünschen

Dass er von seinen Geschlechtsgenossen schief angeguckt wird und Kollegen in der Kantine über ihn sprechen, nimmt Roman Zitz gern in Kauf: Der Abteilungsleiter für Legal Affairs ist einer der ersten Manager der Deutschen Telekom, der Teilzeit beantragt hat – gleich, als der Telekommunikationskonzern mit Sitz in Bonn vor gut einem halben Jahr die Maxime ausgab, seine Führungskräfte sollten ihr Berufs- und Privatleben besser als bisher ausbalancieren. Seitdem hat Jurist Zitz, Chef von acht Mitarbeitern, jeden Dienstag frei. Dann schlendert er vormittags über den Wochenmarkt oder begleitet seine Tochter nachmittags zum Kieferorthopäden.

Manager Zitz, in der Telekom-Hierarchie drei Ebenen unterhalb des Vorstands angesiedelt, sagt zwar: „Die neue Unternehmensrichtlinie hat mich bestärkt, das zu tun, was ich schon lange wollte: Meine begrenzte Lebenszeit vielfältiger zu nutzen.“ Dennoch kostete es ihn Überwindung, in seiner Abwesenheitsnotiz offiziell zu verkünden: „Dienstags bin ich nicht im Büro“.

„Aber wieso eigentlich – Mütter kommunizieren das ja schließlich auch ganz selbstverständlich“, sprach sich der Manager Mut zu. Seine Vier-Tage-Woche jedenfalls beflügelt ihn: „Mal für einen Tag raus aus dem betrieblichen Alltag, das gibt Schwung für neue Ideen und ermöglicht den Blick über den Tellerrand hinaus. Davon profitiert wiederum das Unternehmen.“

Noch sind Teilzeit-Chefs, die sich freiwillig von ihrer Vollzeitstelle verabschieden, um nebenbei Kinder zu hüten, Hobbys zu frönen oder einfach mal die Seele baumeln zu lassen, Exoten. Gerade mal zwei von hundert männlichen Führungskräften haben laut dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hierzulande ihre Arbeitszeit reduziert.

Doch die Zahl der Gruppen-, Abteilungs- und Bereichsleiter, die weniger als 100 Prozent arbeiten, wird in den kommenden Jahren deutlich steigen, prognostizieren Arbeitsmarktexperten. Und Pioniere wie Zitz machen Teilzeitarbeit für den Managernachwuchs salonfähig.

Das Angebot von Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger hat jedenfalls einen Nerv getroffen: „Derzeit haben wir circa 20 Manager in Teilzeitpositionen. Weitere 70 bis 80 haben schon ihr Interesse angemeldet – und zwei Drittel davon sind Männer."

Dienstwagen und ein hohes Gehalt sind nicht mehr alles, um fähige Führungskräfte anzulocken und – angesichts der demografischen Entwicklung noch viel wichtiger – auch an ein Unternehmen zu binden. „Die Arbeitsbedingungen so zu ändern, dass für Frauen und Männer, Mitarbeiter und Manager die Balance von Beruf und Privatleben stimmt, ist eine wichtige Herausforderung für Arbeitgeber“, sagt auch Gabriele Buchs. Sie leitet den Bereich Vergütung und Arbeitsbedingungen der Deutschen Bank.

Schließlich wollen immer mehr junge, gut ausgebildete Paare parallel Karriere machen und dennoch ihrer Verantwortung gegenüber Kindern und älteren Angehörigen gerecht werden. Und auch noch Zeit für ihre privaten Interessen haben. „Darüber hinaus müssen wir das Know-how arrivierter Manager künftig länger als heute üblich dem Unternehmen erhalten“, weiß Buchs. Denn Vollzeit über 63 Jahre hinaus wollen nur wenige Manager arbeiten. „Auch hier rechnen wir mit steigender Nachfrage nach Teilzeitregelungen bis hin zu Spitzenpositionen“, sagt die Personalmanagerin des größten deutschen Geldhauses. Friedrich Joussen, Chef der deutschen Tochter des Telefonanbieters Vodafone, glaubt sogar, dass das Amt des „Teilzeit-Vorstandes möglich sein müsste“.

Weg von der Präsenz- und Kontrollkultur und hin zu flexiblen Arbeitszeiten – damit tun sich in Deutschland noch viele männliche Führungskräfte, aber auch normale Mitarbeiter schwer. In Männerdomänen wie im Maschinen- oder Anlagenbau verschließen viele davor die Augen. Mitarbeiter von Beratungsunternehmen freuen sich schon, wenn sie trotz 50-Stunden-Woche an einem Tag mit dem Notebook zu Hause arbeiten dürfen.

Dabei befürwortet eine klare Mehrheit der Deutschen das Modell mit zwei Verdienern. Nur ein knappes Viertel der Paare lebt in Westdeutschland noch in der klassischen Hausfrauenehe. In Ostdeutschland hat diese mit acht Prozent nur marginale Bedeutung, hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ermittelt. Dennoch ist noch Ermutigung nötig, damit Männer aus dem traditionellen Jobschema des „Sorge-losen Vollzeit-Arbeitnehmers“ ausbrechen, wie es Arbeitsforscher nennen.

Bernt Gade hat sich schon getraut. Er wollte sich unbedingt seiner Aufgabe als Familienvater stellen und sich die Betreuung seiner beiden Töchter mit seiner ebenfalls berufstätigen Frau teilen. Der Deutsche-Bank-Direktor, der Vorstände zu Gesprächen mit Analysten und Investoren begleitet, hat inzwischen zwölf Jahre Erfahrung mit Teilzeitarbeit und weiß um Vorteile und Schwächen.

Anfangs reduzierte Gade seine Arbeitszeit auf 70 Prozent und war fortan jeden Montag, Mittwoch und Freitag ab etwa 14 Uhr raus aus seinem Frankfurter Büro und holte seine Kinder aus der Kita der Bank ab. Gleichzeitig setzte seine Frau ihre Teilzeitstelle in einem Beratungsunternehmen auf 80 Prozent herauf, so dass ihre beiden Töchter seitdem entweder Mama oder Papa zum Spielen oder inzwischen als Hilfe bei den Schulaufgaben um sich haben. „Das Schönste sind noch heute Nachmittage in der Sonne mit meinen Kindern – trotz Blackberry. Dann habe ich das Gefühl, ich habe das Beste aus beiden Welten vereint und bin richtig beneidenswert“, sagt Gade.

Allerdings muss der Bankmanager dafür häufiger nach 21 Uhr, wenn die Töchter schlafen, an den Schreibtisch. Und manchmal auch am Wochenende. „Bestimmte Arbeiten können eben nicht lange warten“, sagt der Banker. Weil sich in seinem Kollegenkreis wegen Mutterschaft und Versetzung gerade ein personeller Engpass ergibt, schraubt Gade seine Arbeitszeit vorübergehend auf 90 Prozent hoch. Soviel Flexibilität erwartet sein Arbeitgeber von Teilzeitmanagern.

Grundsätzlich muss sich die Teilzeitlösung rechnen, weiß Telekom-Manager Zitz. Der Jurist versucht selbst gerade, seine Arbeitsverdichtung in den Griff zu bekommen. Er arbeitet an vier Tagen bis an die Grenze des Erlaubten. Und wenn eine Dienstreise oder ein Feiertag dazwischenkommen, dann merkt der Telekom-Manager, „dass ein Tag fehlt“. (HB)

Claudia Obmann

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