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Wirtschaft: Erdöl: Vom Bohrloch bis zur Zapfsäule

Von wegen "pack den Tiger in den Tank". Der Ursprung des vor Kraft strotzenden Benzins beginnt erst einmal mit einer Menge kraftloser Leichen, genauer gesagt mit dem Ableben von Kleinlebewesen.

Von wegen "pack den Tiger in den Tank". Der Ursprung des vor Kraft strotzenden Benzins beginnt erst einmal mit einer Menge kraftloser Leichen, genauer gesagt mit dem Ableben von Kleinlebewesen. Dazu zählen vor allem tierisches und pflanzliches Plankton, Einzeller, aber auch kleine Krebse. Abermilliarden von ihnen sanken nach ihrem Tode in der grauen Vorzeit auf den Boden der Urmeere und wurden dort von Ablagerungen begraben. Unter Sauerstoffabschluss und enormem Druck entstand aus den Miniorganismen in Millionen von Jahren Erdöl. Es sammelte sich unter undurchlässigen Gesteinsschichten und wartet seitdem auf seine Freilassung.

Doch nicht immer kommt das Öl freiwillig aus seiner Lagerstätte. Wenn der Eigendruck der Quelle - Wasser oder Erdgas pressen das Öl an die Oberfläche - nachlässt, wird nachgeholfen. Von oben wird Wasser oder Erdölgas in die Lagerstädte zurück geschickt, um das Druckniveau zu halten. In einigen Fällen bleibt das Öl auch störrisch und muss nach oben gepumpt werden. Hierbei helfen beispielsweise die zum Landschaftsbild von Texas gehörenden "Pferdekopfpumpen".

Die großen Ölreserven der Welt liegen entweder unter Wüsten, Gebirgen oder aber unter dem Meer begraben. Das stellt die Ingenieure auch heute noch vor schwere Aufgaben. Um die manchmal Tausende von Metern unter der Oberfläche liegenden Lagerstädten des Öls zu entdecken, sind aufwändige technische Untersuchungen notwendig: Seismik, Gravimetrie und Magnetometrie helfen beim Aufspüren. Doch trotz des technischen Fortschritts kann am Ende nur eine Bohrung den Nachweis erbringen, dass im Untergrund wirklich der gewünschte Rohstoff vorhanden ist.

Um das Öl auf den europäischen Kontinent zu schaffen, gibt es zwei Möglichkeiten. Außereuropäische Förderstätten sind ausschließlich mit großen Tankerschiffen verbunden, das vor der Haustür liegende Fördergebiet in der Nordsee wird auch mit Pipelines erreicht. Doch bevor das Öl ankommt, wird es vorher erst einmal verkauft. Das nennt man dann ein Termingeschäft. Bei in Rotterdam, London, New York, Tokio oder Singapur abgewickelten Termingeschäften wird über Öl verhandelt, das noch friedlich in der Lagerstätte schlummert. Deswegen wird es auch als "trockenes Öl" bezeichnet. Einen Vorteil hat das Ganze: Sowohl Käufer als auch Verkäufer schützen sich vor Preisschwankungen, bis das "nasse Öl" endlich da ist. Und Preisschwankungen im Ölgeschäft gibt es ja bekanntlich eine Menge.

Mit dem Preis ist das sowieso eine etwas undurchsichtige Sache. Der Argumentation der Ölkonzerne zufolge wird der deutsche Autofahrer nicht an der Tankstelle geschröpft, sondern in Rotterdam. In Wahrheit ist der Preis des Öls und damit auch des Benzins von vielen Faktoren abhängig. Im klassischen Fall steigt der Ölpreis dann, wenn das Angebot abnimmt oder die Nachfrage steigt. Und Angebot und Nachfrage wiederum werden beeinflusst von Transportkosten, Kapazitätsauslastungen, Einschätzungen über die zukünftige Versorgungslage, das Wetter oder die Förderpolitik der Länder. Deswegen hat auch der gerade schwelende NahostKonflikt Auswirkungen auf die Märkte. Der Preis für Öl, in Dollar pro Barrel (159 Liter) gemessen, wird teilweise auch von der Politik bestimmt.

Doch zurück zum "nassen Öl". Die wichtigste europäische Anlandestelle ist der so genannte ARA-Raum, das Gebiet um Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Dort gibt es riesige Tanklager, Raffinerien und Umschlageinrichtungen. Der ARA-Raum ist heute der größte "Ölbasar" der Welt. Von hier aus wird das Rohöl per Pipeline nach West- und Norddeutschland geschickt, wo sich die meisten heimischen Raffinerien befinden. Bayern und Baden-Württemberg dagegen lassen sich lieber per transalpiner Ölleitung aus dem italienischen Triest bedienen. Insgesamt sorgen 14 deutsche Raffinerien für zwei Drittel der im Inland verbrauchten Mineralölprodukte.

Das Benzin wird dann über Zwischenlager auf die Tankstellen deutschlandweit verteilt. Und erst dann kann der Tiger in den Tank wandern und der Autofahrer sich gleichzeitig die Haare darüber raufen, dass der Preis schon wieder um zwei Cents pro Liter gestiegen ist.

Tobias Symanski

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