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Wirtschaft: "Es wird mit Dingen geworben, die so nicht erfüllbar sind"

TAGESSPIEGEL: Herr Scheurle, Telekom-Chef Ron Sommer will Ferngespräche am Abend für sechs Pfennig pro Minute anbieten.Werden Sie den Preis genehmigen?

TAGESSPIEGEL: Herr Scheurle, Telekom-Chef Ron Sommer will Ferngespräche am Abend für sechs Pfennig pro Minute anbieten.Werden Sie den Preis genehmigen?

SCHEURLE: Der Antrag auf Preisgenehmigung ist bei uns jetzt eingegangen.Über den Ausgang des jetzt laufenden Genehmigungsverfahrens kann ich Ihnen heute keine weiteren Informationen geben.Wir müssen auch bei diesem neuen Antrag eine gewissenhafte Prüfung vornehmen, erst danach kann eine Aussage getroffen werden.

TAGESSPIEGEL: Der Telefon-Markt steht seit Weihnachten Kopf.Fast jeden Tag fallen die Preise.Machen die großen Anbieter die kleineren Unternehmen jetzt mit Dumping-Preisen und Gratisgesprächen kaputt?

SCHEURLE: Wir haben noch keine Dumping-Preise auf dem deutschen Markt.In der aggressiven Werbeschlacht, die wir zur Zeit erleben, ist aber tatsächlich Vorsicht geboten.Der Verbraucher sollte sich die Versprechungen der Telefon-Anbieter sehr genau ansehen.Es darf nicht mit Dingen geworben werden, die so überhaupt nicht erfüllbar sind.Als eine Behörde, die auf der Seite des Verbrauchers steht, kann ich nur sagen: Achten Sie auf das Kleingedruckte - und weniger auf die Schlagzeilen.

TAGESSPIEGEL: Müssen Sie gegen solche unsauberen Angebote denn nicht einschreiten?

SCHEURLE: Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gehört nicht zu unseren Zuständigkeiten.

TAGESSPIEGEL: Wie tief können die Preise fürs Telefonieren noch fallen?

SCHEURLE: Ferngespräche sind in den USA noch immer günstiger als in Deutschland.Allerdings dürfte bei uns die Zeit der ganz großen Preisstürze langsam vorbei sein: Die Margen werden enger.Die Unternehmen können sich jetzt kaum noch über den Preis profilieren: Service und neue Produkte werden entscheidend.

TAGESSPIEGEL: Warum verzögert sich der Wettbewerb im Ortsnetzbereich immer weiter?

SCHEURLE: Es muß noch geklärt werden, wieviel die Telekom von ihren Wettbewerbern für die Überlassung eines Teilnehmeranschlusses verlangen darf.Die Telekom hat hierzu ihren neuen Antrag mit 37,30 DM vorgelegt.Zwischenzeitlich liegt uns aber ein Beschluß des Verwaltungsgerichts Köln vor, wonach wir bis zum 8.Februar eine endgültige Entscheidung über die Festsetzung der Mietpreise herbeiführen müssen.Was wir auch tun werden.

TAGESSPIEGEL: Es gibt also heute schon hinreichend Planungssicherheit für die Telekom-Herausforderer?

SCHEURLE: Ja.Hundertprozentige Planungssicherheit ist ohnehin nicht vorstellbar.Unsere Entscheidungen können immer nur für einen befristeten Zeitraum gelten.Was danach kommt, wird neu ausgehandelt.Insofern werden die Wettbewerber auch immer mit einem Rest von Planungsunsicherheit leben müssen.Das sollte die Investitionsentscheidungen aber jetzt nicht belasten.

TAGESSPIEGEL: Wann werden wir flächendeckend Wettbewerb in den Ortsnetzen haben?

SCHEURLE: Ich bin optimistisch, daß das zügig geschieht.Immerhin sind inzwischen 31 Unternehmen gewillt, dieses Geschäft zu machen.So viele haben jedenfalls schon Verträge mit der Telekom über die Übernahme von Teilnehmeranschlüssen abgeschlossen.Außerdem haben wir sehr großes Interesse an alternativen Übertragungstechniken festgestellt: Einige Unternehmen setzen auf die drahtlose Übertragung mit dem Wireless-Local-Loop-System.Andere wollen Telefongespräche über das Internet oder TV-Kabelnetz übertragen.Daran sieht man, daß in Deutschland sehr viel Energie aufgewendet wird, um den Wettbewerb im Ortsnetz voran zu bringen.

TAGESSPIEGEL: Werden wir Ende 1999 in allen deutschen Großstädten Wettbewerb bei Ortsgesprächen haben?

SCHEURLE: Das glaube ich nicht.Verläßliche Vorhersagen wird man aber erst gegen Jahresmitte machen können.Immerhin gibt es heute schon 14 Ortsnetzbetreiber, viele davon sogar in kleineren Städten wie Flensburg, Kiel oder Wuppertal.Wir hier als Nachbar von Köln haben immer die Netcologne vor Augen, die im letzten Jahr bereits mehr Umsatz gemacht haben als geplant.Der Wettbewerb im Ortsnetzbereich hat de facto schon begonnen.Bis zur vollen Entfaltung braucht es noch einige Zeit, weil der Aufbau des Geschäftes in technischer und organisatorischer Hinsicht sehr schwierig ist.Das war auch so zu erwarten.Auf lange Sicht wird ein Wettbewerber, der sich dauerhaft etablieren will, um den Einstieg in den Ortsnetzbereich nicht herumkommen.

TAGESSPIEGEL: Die Telekom hat die Interconnection-Tarife am 1.Januar gekündigt und will nun neue aushandeln.Wird die Zusammenschaltung mit dem Telekom-Netz teurer?

SCHEURLE: Wir haben den Durchschnittspreis auf 2,7 Pfennig festgesetzt und dabei bleibt es zumindest bis Ende 99.So lange gilt diese Regelung.Ich sehe nicht ein, warum ich jede von der Telekom sozusagen privat gemachte Äußerungen kommentieren soll.Konkrete Anträge oder Beschwerden liegen mir jedenfalls nicht vor.Die Öffentlichkeit sollte weniger darauf schauen, was jemand ankündigt, als auf das, was er tut.

TAGESSPIEGEL: Die Bundesregierung wird bald weitere Anteile an der Deutschen Telekom AG verkaufen.Spüren Sie eine stärkere politische Einflußnahme auf ihre Arbeit?

SCHEURLE: Nein.Ich glaube auch, daß es den Politikern sehr bewußt ist, daß die Unabhänigigkeit der Regulierungsbehörde in diesem neuen Markt eine absolute Notwendigkeit ist.

TAGESSPIEGEL: Die Deutsche Telekom hat schon 30 Prozent des Ferngesprächsvolumens an ihre Wettbewerber verloren.Wann wird es für die Volkswirtschaft gefährlich, wenn die Auszehrung in diesem Tempo weitergeht?

SCHEURLE: Es war von vornherein die Idee der Liberalisierung, daß die Telekom Marktanteile verliert und dies ausgleicht durch Kostenersparnis, neue Dienstleistungen und Produkte.Und sie setzt ja bereits sehr intensiv auf Internet oder ISDN.Zudem tritt bei der Telekom an die Stelle des Endkunden-Geschäftes immer mehr das sogenannte Intercarrier-Geschäft: Dienstleistungen für andere Telefongesellschaften machen schon jetzt einen beträchtlichen Teil des Umsatzes aus.

TAGESSPIEGEL: Bundeswirtschaftsminister Müller will Unternehmen wie die Telekom, Otelo oder Mannesmann Arcor gegen die Trittbrettfahrer schützen.Was halten Sie davon?

S CHEURLE: Ich glaube nicht, daß man sich Sorgen um die Telekom und andere Unternehmen machen muß, die in ein eigenes Festnetz investiert haben - auch wenn jetzt ein Konzentrationsprozeß in der Branche einsetzen sollte.Die Deutsche Telekom hat im vergangenen Geschäftsjahr Umsatz und Gewinn eindrucksvoll erhöht.Und das, obwohl die Newcomer faire Interconnection-Tarife und gute Zugangs-Chancen auf dem Markt haben.Die Dynamik auf dem Markt ist beispiellos: Allein 125 Unternehmen bauen eine eigene Infrastruktur auf.Und die Zahl der Anbieter wird sich noch weiter erhöhen.Die Vision des freien Marktes hat funktioniert.Die Entwicklung in Deutschland hat auch international Anerkennung gefunden.

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