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Geschützte Rede. Vorstand Jürgen Großmann wird während einer Ansprache bei der RWE-Hauptversammlung im April von Atomkraftgegnern gestört. Foto: Roland Weihrauch/dpa

© picture alliance / dpa

Wirtschaft: Es zählt das gesprochene Wort

Die Kommunikation des Vorstandschefs beeinflusst den Erfolg einer Firma. Doch viele Manager haben die Anforderungen an ihre eigene Person offenbar unterschätzt. Sie müssen die Balance finden zwischen Privatsphäre und Firmeninteresse

Beide sind Vorstandschef eines großen deutschen Energiekonzerns. Beide hatten mit der politischen Diskussion rund um den Atomausstieg zu kämpfen, und beide taten das auf ihre Art. Während Eon-Chef Johannes Teyssen eher im Hintergrund protestierte, zog RWE-Chef Jürgen Großmann öffentlich gegen den Politikwechsel zu Felde. Den wenig schmeichelhaften Titel Dinosaurier musste er sich daraufhin gefallen lassen, es hagelte Kritik an seiner Person – und an RWE.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig eine ausgeklügelte Kommunikation mittlerweile ist. „Die Kommunikation ist in den Augen der Vorstandsvorsitzenden selbst Teil der Strategie geworden und ein Kernelement der Unternehmensführung“, heißt es in einer Studie der Personalberatung Egon Zehnder International. Zum ersten Mal wurden hier Vorstandsvorsitzende von Konzernen aus Dax30, MDax sowie von nicht börsennotierten Aktiengesellschaften befragt, wie sie kommunizieren.

Das Thema bewegt die Manager und die Märkte, auch wenn die Teilnehmer der Studie anonym bleiben wollen. „Besonders in Zeiten wachsender Digitalisierung ändern sich die Spielregeln der Medienwelt stetig“, sagte Johannes von Schmettow, Chef der Personalberatung Egon Zehnder. Und die hat „heute einen unvergleichlichen Einfluss auf die Unternehmen.“ Gute Verständigung bedeutet mehr Transparenz, mehr Aufmerksamkeit, mehr Sympathie bei den Kunden und ebenso mehr Mitarbeiterzufriedenheit.

Viele Vorstandschefs überrascht es, wie hoch die Kommunikationsanforderungen sind, zeigt die Befragung der Personalberatung. Das Interesse vor allem an ihrer Person haben einige der Manager vor ihrem Amtsantritt unterschätzt. Systematisch darauf vorbereitet fühlten sich viele nicht. Bis zu 50 Prozent ihrer Arbeitszeit verwenden sie auf die Kommunikation, gaben einige in den Interviews an. Kasper Rorsted, Chef des Konsumgüterkonzerns Henkel, geht sogar noch ein Stück weiter, wenn er sagt: „Als Vorstandsvorsitzender kommuniziert man eigentlich ständig.“

Mit sozialen Netzwerken, Kurznachrichtendiensten wie Twitter und Blogs im Internet hat die Geschwindigkeit der Kommunikation noch einmal zugenommen. Soziale Netzwerke etwa bieten den Unternehmen die Möglichkeit, mit vergleichsweise wenig Aufwand einen großen Kreis anzusprechen: Den Youtube-Kanal des Autobauers BMW haben etwa 35 000 Menschen abonniert. Auch Henkel hat auf dem Internetportal, auf dem jeder Filme hochladen kann, einen eigenen Kanal, auf dem Rorsted regelmäßig zu sehen ist. Über Kurznachrichtendienste wie Twitter können Unternehmen direkt reagieren. Die Kehrseite: Es wird auch erwartet, dass sie sofort antworten und Stellung nehmen.

Vor allem Führungskräfte von großen Konzernen müssen sich um intensive persönliche Kommunikation bemühen: Denn je größer das Unternehmen, desto schwieriger ist es, transparent zu sein. Das ist das deutliche Ergebnis einer Transparenz-Studie der Frankfurter Kommunikationsberatung Klenk und Hersch aus diesem Jahr.

Auch wenn die befragten Manager der Egon-Zehnder-Studie angaben, grundsätzlich mehr Transparenz zu befürworten, hat die hohe Anforderung an die Kommunikation auch einen großen Nachteil: Oft bleibe nicht mehr genug Zeit, um eine „Idee durchzuspinnen“. Der Raum für kreative Modell- oder Pilotprojekte könnte verschwinden. „Man muss aus der Hüfte schießen können. Wenn man sich erst beraten muss, ist man meist zu langsam“, formuliert es einer der Manager. Die Chefs sehen die Gefahr, dass „Unternehmensführung als reine Ad-hoc- Kommunikationsaufgabe“ betrieben wird. Viele Vorstandsvorsitzende sehen es auch als Teil ihrer Aufgabe an, sich zu gesellschaftlichen Themen zu äußern – wenn sie denn relevant sind für das Unternehmen. Eine Einschätzung, die auch Ex-SAP-Chef und Mitglied der Corporate Governance Kommission Henning Kagermann teilt. Das müsse „aber in Maßen“ sein.

Vor allem wirtschaftsrelevante Themen wie Forschung und Bildung, das Altern der Gesellschaft und die Globalisierung erachten die Vorstandschefs als wichtig. Und die aktuelle Debatte um Euro-Rettung oder Staatsverschuldung – sollten Chefs dazu schweigen? „Keineswegs“, sagt Kagermann. „Hier sollte die Wirtschaft durchaus ihre Stimme erheben.“ Aber: „Manager werden nicht danach ausgesucht, wie sie sich in Talkshows bewähren“, sagt Kagermann.

Während nahezu alle 30 Dax-Unternehmen soziale Netzwerke als Kommunikationsplattform nutzen, scheuen sich ihre Chefs dort persönlich zu erscheinen. Und das obwohl sie wissen, dass das Interesse an ihrer Person hoch ist. Henkel-Chef Rorsted etwa hat, wie die meisten anderen Vorstandvorsitzenden, weder einen eigenen Facebook noch einen Twitter-Account. Er bevorzuge das persönliche Gespräch. Vielleicht ist es aber auch eine Vorsichtsmaßnahme.

Denn die neue mediale Aufmerksamkeit birgt auch Risiken: So vertwitterte sich im vergangenen Jahr MDR-Intendant Udo Reiter nach der Ansprache zum Tag der Deutschen Einheit von Bundespräsident Christian Wulff: „Einheitstag 2030: Bundespräsident Mohammed Mustafa ruft die Muslime auf, die Rechte der Deutschen Minderheit zu wahren.“ Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Reiter entschuldigte sich später, es sei ein Witz aus einer deutschen Zeitung gewesen – und löschte seinen Account. Selbst BMW-Chef Norbert Reithofer, laut einem Bericht der „Wirtschaftswoche“, der einzige Dax-Vorstand, der bei Twitter und Facebook-Account zu finden ist, hält sich bedeckt: Bisher hat er nichts getwittert, auf seiner Facebook-Seite ist nur eine Kurzbiographie zu sehen.

Das Problem: Die öffentliche Aufmerksamkeit für den Vorstandschef erstreckt „sich auch auf einige persönliche und biografische Aspekte“, sagt Henkel-Chef Rorsted. Die Balance zwischen Transparenz und Wahrung der eigenen Privatsphäre zu finden, ist nicht einfach. Bei jedem öffentlichen Auftritt müsse sich ein Chef bewusst sein, „dass man die Visitenkarte des Unternehmens, aber trotzdem keine Maschine ist“, sagt Google-Deutschland-Chef Stefan Tweraser.

Die gestiegenen Anforderungen spielen bei der Auswahl der Manager eine entscheidende Rolle. „Die Zeit der Autisten, die still vor sich hinarbeiten, ist vorbei“, sagt Markus Will, Dozent für Kommunikationsmanagement an der Universität im schweizerischen St. Gallen und Mitautor der Egon-Zehnder-Studie. (HB)

I. Karabasz[S. Hergert], D. Fockenbrock[S. Hergert], T. Kewes

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