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Wirtschaft: EU-Gerichtshof urteilt über Bayer-Medikament

Richter müssen grundsätzlich entscheiden, ob preisgünstigere Medikamente aus EU-Nachbarländern importiert werden dürfen

Brüssel. Im Streit um den Parallelimport von preisgünstigen Arzneimitteln innerhalb der EU will der Europäische Gerichtshof (EuGH) am heutigen Dienstag ein Grundsatzurteil fällen. Es wird erwartet, dass die Richter ein erstinstanzliches Urteil aus dem Jahr 2000 bestätigen. In dem Fall ging es um ein Bußgeld der EU-Kommission gegen Bayer.

Die EU-Richter hatten die Entscheidung der EU-Kommission aus dem Jahr 1996 wegen mangelnder Beweise für nichtig erklärt. Die Kommission hatte dem Bayer-Konzern damals vorgeworfen, mit seinen spanischen und französischen Großhändlern vereinbart zu haben, das Bayer-Herzmittel Adalat nicht nach Großbritannien zu exportieren. Die Kommission sah darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und verhängte eine Strafe von drei Millionen ECU (rund drei Millionen Euro). In Spanien und Frankreich lag der Preis für das Medikament in den betroffenen Jahren 1989 bis 1993 um 40 Prozent unter dem Preis in Großbritannien. Großhändler sahen sich dadurch veranlasst, das Medikament in großen Mengen nach Großbritannien einzuführen.

Sollte der EuGH die Kommissionsentscheidung bestätigen, würde dies den grenzüberschreitenden Wettbewerb in der Pharmabranche fördern.

Ein Sprecher des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller erklärte am Montag, dass eine Bestätigung des Urteils den deutschen Arzneimittelherstellern größere Freiheiten in der Vertriebsstruktur ermöglichen würde. „Die Unternehmen brauchen in Zukunft keine Order anzunehmen, die über den Landesbedarf hinausgehen“, sagte der Sprecher. Es bestehe keine Belieferungspflicht für die Unternehmen. Für die deutschen Verbraucher habe dies jedoch kaum Auswirkungen, weil hier Anfang des Jahres eine Neuregelung des Umganges mit Importarzneimitteln in Kraft getreten sei. Apotheken sind danach nur dann verpflichtet, Importarzneimittel abzugeben, wenn deren Preis mindestens 15 Prozent oder mindestens 15 Euro unter dem deutschen Originalpreis liegt. Gegenwärtig verhandeln Kassen und Apothekerverbände darüber, dass die bisher bei sieben Prozent liegende Importarzneiquote der Apotheken auf voraussichtlich sechs Prozent gesenkt wird. Es habe sich herausgestellt, dass die Abgabe von importierten Medikamenten für die Kassen nur geringe Einsparungen gebracht hätte. Deshalb werde die bisherige Festlegung auf sieben Prozent jetzt reduziert, heißt es bei den Arzneimittelherstellern.

Der vor dem EuGH anhängige Fall bezieht sich auf Parallelimporte, durch die der britischen Tochtergesellschaft von Bayer ein Umsatzverlust von 230 Millionen Mark entstanden war, da britische Händler die preiswerteren Produkte aus Spanien oder Frankreich importiert hatten. Bayer hatte daraufhin seine Lieferpolitik geändert und die Bestellungen der spanischen und französischen Händler nur noch in Höhe ihres herkömmlichen Bedarfs erfüllt. Darüber hatten sich die betroffenen Großhändler bei der Kommission beschwert. Die Kommission befand, Bayer habe gegen EU-Kartellrecht verstoßen und verhängte eine Geldstrafe, die der EuGH im Jahr 2000 in erster Instanz für nichtig erklärte. Dagegen legten die EU-Kommission und der Verband der Arzneimittelimporteure Einspruch ein, über den am Dienstag entschieden wird.

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen könnte der EuGH damit eine Entscheidung der EU-Kommission wegen mangelnder Beweise für nichtig erklären. Erst im Dezember hatte er eine Kommissionsentscheidung gegen VW aufgehoben. Die Kommission hatte nicht nachweisen können, dass zwischen dem Autokonzern und seinen Vertragshändlern eine Vereinbarung bestand, durch die Preisnachlässe auf ein neues Passat-Modell verboten wurden. Der EuGH hob das verhängte Bußgeld von 30,96 Millionen Euro auf.

Mariele Schulze-Berndt

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