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Wirtschaft: EU-Kommission braucht Kontrolle

In den Schlagzeilen der Zeitungen drehte sich in den vergangenen Wochen alles um den Euro.Doch in Brüssel ist in den letzten Tagen vornehmlich von Veruntreuung die Rede.

In den Schlagzeilen der Zeitungen drehte sich in den vergangenen Wochen alles um den Euro.Doch in Brüssel ist in den letzten Tagen vornehmlich von Veruntreuung die Rede.Ein Kampf darüber entbrennt, ob die Europäische Kommission ihre weitgehend unkontrollierte Rolle in der Europäischen Union behält - oder ob es dem Europäischen Parlament gelingen wird, sich gegenüber der Kommission besser durchzusetzen.Mitglieder des Europa-Parlaments behaupten, daß mindestens sechs Kommissare - Edith Cresson, Manuel Marin, Emma Bonino, Anita Gradin, Erkki Liikanen und Christos Papoutsis - Vergehen begangen hätten, die ihre Entlassung rechtfertigten.In der Tat kommt auf die Kommission ein Mißtrauensantrag zu, dessen Annahme zur Entlassung aller zwanzig Kommissare führen könnte.Beispiele korrupter Praxis wie Nepotismus, Günstlingswirtschaft, Schmiergelder und anhaltende Versuche, interne Ermittlungen zu behindern, könnten die Entlassung der gesamten Kommission rechtfertigen.Doch die Kommission sah sich solchen Vorwürfen schon früher ausgesetzt.1995 ging der konservative britische Abgeordnete Edward MacMilian Scott so weit, daß er - weil die Kommission untätig blieb - die belgischen Behörden mit ähnlichen Vorgängen befaßt hat.Ende des vergangenen Jahres beugte sich der Präsident der Kommission, Jacques Santer, dem Druck des Parlaments, das ein Kontrollorgan gefordert hatte - doch wurden der Kontrollstelle weder das Recht auf eigene Ermittlungen noch das Rechnungsprüfungsrecht zugestanden.Im Dezember lehnte das Parlament die Entlastung der Kommission für das Haushaltsjahr 1996 ab und reichte einen Mißtrauensantrag gegen die Kommission ein.Die Parlamentarier sind vor allem über Frau Cresson verärgert, die im Sozialausschuß alle Probleme mit dem Leonardo-Programm der EU, einem Programm für berufliche Umschulung, abgestritten hatte.Zu den Vorwürfen, die Frau Cressons Bereich betreffen, gehört die Behauptung, daß bei Programmen, die unter ihrer Aufsicht standen, die Vertragspartner der Kommission angewiesen wurden, Gehälter für Leute zu zahlen, die überhaupt nicht für sie arbeiteten, darunter auch für jemanden, der ein enger Freund der Kommissarin sein soll.In anderen Fällen sollten Kommissare angeblich - zum Teil großzügige - Geschenke von einzelnen Personen und Firmen angenommen haben, die später einen Vertrag von der Kommission erhielten.Es ist beunruhigend, daß die bislang einzige öffentliche Reaktion der Kommission - abgesehen von Herrn Santers beharrlicher Verteidigung seines Teams - die war, den Informanten abzuschießen.Es ist offensichtlich, daß die Kommission dringend mehr parlamentarische - und öffentliche - Kontrolle braucht.Es sieht jedoch so aus, als hätte der Mißtrauensantrag nur geringe Chancen, die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erreichen.Vor allem, seit die linke Mehrheit im Parlament zu beabsichtigen scheint, die Kommission zu unterstützen.Ein spezifischer Antrag, der einzelne Kommissare benennt, hätte vielleicht größere Chancen.Viele der Programme, die nun ins Gerede gekommen sind, wären auch bei korrekter Durchführung eine offensichtliche Geldverschwendung gewesen.Ein Weg, künftige Unregelmäßigkeiten zu verhindern, wäre sicher, der Kommission weniger Geld zur Verfügung zu stellen.Aber all dies könnte auch seine gute Seite haben: wenn es die EU endlich veranlassen würde, das Prinzip von "checks and balances", das Prinzip der wechselseitigen Kontrolle, bei ihren Institutionen einzuführen.Schließlich ist das der einzige Weg, um den Erfolg des Euro und der europäischen Integration auf Dauer zu sichern.

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