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Wirtschaft: EU-Kommission: Brüssel über deutschen Sinneswandel irritiert

Der Sinneswandel der Bundesregierung, die geplante EU-Übernahmerichtlinie nicht wie vorgesehen zu akzeptieren, kommt für die Verhandlungspartner aus den anderen EU-Mitgliedstaaten völlig überraschend. Vor allem Briten und Niederländern ist die neue Linie der Regierung Schröder suspekt.

Der Sinneswandel der Bundesregierung, die geplante EU-Übernahmerichtlinie nicht wie vorgesehen zu akzeptieren, kommt für die Verhandlungspartner aus den anderen EU-Mitgliedstaaten völlig überraschend. Vor allem Briten und Niederländern ist die neue Linie der Regierung Schröder suspekt. "Derart spät in einem laufenden Vermittlungsverfahren ist eine Änderung der Position immer unbequem", heißt es unter EU-Diplomaten. Es sei ungewöhnlich und wider alle Gepflogenheiten, dass ein mühsam gefundener Kompromiss der Mitgliedstaaten in diesem Stadium noch einmal aufgeschnürt werden solle.

An diesem Dienstag sollen die Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten erneut zu Beratungen über die Zukunft der Übernahmerichtlinie zusammen kommen. Nach Einschätzung Brüsseler Diplomaten sind die Chancen der Deutschen gering, die notwendige Sperrminorität im Ministerrat zu erreichen. Bis zum 6. Juni müssen sich die EU-Regierungen in einem Vermittlungsverfahren mit dem Europäischen Parlament auf eine gemeinsame Position verständigen. Voraussetzung dafür ist eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten, die nach Einschätzung von EU-Diplomaten aber auch ohne deutsche Zustimmung sicher scheint. Gelingt die Einigung nicht, wird der Richtlinienentwurf hinfällig. Die Frist kann aber im Ernstfall um zwei Wochen verlängert werden.

Aus Sicht von Rat und Kommission erschwert der deutsche Vorstoß das laufende Vermittlungsverfahren erheblich, weil diese jetzt nicht mehr geschlossen hinter einem Vorschlag stehen und dies die Verhandlungen mit dem Parlament belasten könnte. Der deutsche Vorschlag ist jedenfalls weder im Sinne der Ratsmehrheit noch im Sinne der EU-Kommission. EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein sprach sich bereits 2000 gegen eine solche Position des Parlamentes aus, weil so die Schaffung eines "integrierten Finanzdienstleistungsmarktes" erschwert werde. Ein Kommissionssprecher erklärte, Deutschland sei mit der veränderten Position im Kreis der Mitgliedstaaten isoliert.

Der bisher geltende Kompromiss wurde unter deutscher Ratspräsidentschaft 1999 ausgehandelt. Damals wurde er als Abschluss eines fast dreijährigen Bemühens um einheitliche Regeln für Firmenübernahmen angesehen. Seit 1987 wird über konkrete Richtlinienvorschläge verhandelt. 2000 gelang die Einigung auf einen Text, der dazu dienen soll, den Schutz von Minderheitsaktionären und Beschäftigten zu stärken. Dies gilt etwa für die Informationspflicht der übernehmenden Gesellschaft gegenüber dem Übernahmekandidaten. Um diese Vorschriften zu erhalten, will Deutschland, so deutsche Diplomaten, die Übernahmerichtlinie nicht zu Fall bringen.

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