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Wirtschaft: EU lässt kein gutes Haar am deutschen Kurs

Kommission kritisiert vor allem die mangelhaften Fortschritte bei der Konsolidierung der deutschen Staatsfinanzen

Berlin (ce/asi/uwe/rut/HB). Die EUKommission in Brüssel wird an diesem Dienstag die mangelhaften Fortschritte im deutschen Reformprozess rügen. Deutschland habe im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern besonders schlecht abgeschnitten, kritisiert die Behörde. Konkret bemängelt Brüssel eine schlechte Bilanz bei der Sanierung der Staatsfinanzen und bei Reformen im Gesundheitssystem.

Zwar hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ein Gesundheitsreformkonzept angekündigt, das in wenigen Tagen vorgestellt werden soll. Doch wirksam werden kann diese Reform erst im kommenden Jahr. Bis dahin aber fehlen Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) voraussichtlich Milliarden Euro, wenn die Konjunktur noch später anspringt als bisher erwartet. Sollte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) in den kommenden Tagen seine Wachstumsprognose von derzeit 1,5 Prozent absenken, „wird es Anpassungen geben müssen“, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Jörg Müller, dem Tagesspiegel. Er schloss jedoch aus, dass die Mehrwertsteuer oder andere Steuern angehoben werden könnten. Clement hatte zum Wochenende mehrfach angedeutet, dass die offizielle Wachstumsprognose der Bundesregierung voraussichtlich zu hoch ist. Das Finanzministerium schließt eine höhere Neuverschuldung in diesem Jahr deshalb nicht aus, sagte Müller. Erstmals stellte das Ministerium auch das Ziel Eichels in Frage, bis 2006 einen beinahe ausgeglichenen Haushalt vorzulegen

Grüne widersprechen bei Defizit

Auch wenn die Wachstumsprognose der Bundesregierung abgesenkt werden sollte, kann nach Ansicht der Grünen an der geplanten Neuverschuldung von 18,9 Milliarden Euro festgehalten werden. Nach Berechnungen der haushaltspolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion, Antje Hermenau, würde das ein Finanzloch von „maximal zwei Milliarden Euro“ in den Bundeshaushalt reißen. Dem Tagesspiegel sagte sie, angesichts eines Haushaltes von insgesamt rund 250 Milliarden Euro sei das ein „Bagatellbetrag“, der durch weitere Einsparungen erbracht werden könne.

Hermenau appellierte mit Blick auf die Opposition und die Bundesländer an „alle politischen Kräfte“, an einem Erreichen des Drei-Prozent-Defizit-Kriteriums in diesem Jahr mitzuwirken. Für die öffentlichen Haushalte sei der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst „wirklich nicht das Optimum“, sagte Hermenau. Auch bei höheren Personalkosten dürfe jetzt aber nicht die Neuverschuldung beim Bund und den Ländern ausgeweitet werden. „Der Abschluss geht zu Ungunsten der Beschäftigten. Aber das wussten die vorher“, sagte Hermenau.

Verbände erneuern Angebot

Herbe Kritik an den Steuer- und Haushaltsplänen der Bundesregierung übte am Montag der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). „Keine höhere Neuverschuldung und keine neuen Steuern“, forderte dessen Generalsekretär, Hanns-Eberhard Schleyer. Schleyer sagte, man werde wohl nicht umhin kommen zu sparen, die Subventionen nach der Rasenmähermethode zu kürzen und die Zuschüsse an die Sozialsysteme eng zu begrenzen. Die Bundesregierung müsse endlich die Sanierung der öffentlichen Haushalte und die Reform des Gesundheitssystems und der Rentenversicherung anpacken, argumentiert auch der Bundesverband der Deutschen Industrie. BDI-Geschäftsführer Klaus Bräunig sagte dem Tagesspiegel, dass das Angebot der Industrie zu einem Subventionsabbau von 10 bis zwanzig Prozent nach wie vor stehe: „Wir sind für Subventionsabbau und haben einen praktikablen Vorschlag gemacht.“

Um das Wirtschaftswachstum rasch anzukurbeln, forderte ZDH-Hauptgeschäftsführer Schleyer „mehr vertrauensbildende Maßnahmen“ der Regierung. Die Mittelstandsoffensive von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement sei dazu ein richtiger Schritt. Sie müsse allerdings weiterentwickelt werden. Bei den Plänen zu einem Ministeuerprogramm der Regierung unterstützte Schleyer die Position von Clement, der die Sondersteuerregelung auf alle Unternehmen und Selbstständige mit einem Jahresumsatz von 50 000 Euro ausdehnen will.

Finanzminister Eichel will das Programm auf 25 000 Euro begrenzen, vor allem wegen der zu erwartenden Steuermindereinnahmen. Nach Auskunft des ZDH könnten bei Clements Modell rund eine Million Steuerbürger und Unternehmen von dem Programm profitieren. Angesichts der am Mittwoch beginnenden parlamentarischen Beratungen zum Steuervergünstigungs-Abbaugesetz kündigte Schleyer für den heutigen Dienstag ein Treffen aller Industrieverbände mit der Führungsspitze der CDU in Berlin an.

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