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EU: Letzte Hürde für Dienstleistungsrichtlinie

Nach dreijährigem Tauziehen soll die geplante Richtlinie zur Liberalisierung der Dienstleistungen in der Europäischen Union am Mittwoch ihre letzte Hürde nehmen. Der Kompromiss soll Sozial- und Lohndumping unterbinden.

Straßburg - Das Europaparlament stimmt in Straßburg über einen Kompromissvorschlag ab, der sich im wesentlichen mit den Vorschlägen der EU-Mitgliedsländern deckt. Nach der erwarteten Zustimmung des Parlaments kann der Text noch vor Jahresende vom Rat abgesegnet werden. Die EU-Staaten haben anschließend zwei Jahre Zeit, ihn in nationales Recht unmzusetzen. Die Neuregelung soll es Dienstleistern wie Heizungsmonteuren, Fliesenlegern oder Unternehmensberatern erleichtern, im EU-Ausland tätig zu werden. Dazu soll eine Reihe von bürokratischen Hindernissen abgebaut werden.

Das ursprünglich geplante und besonders heftig umstrittene Ursprungslandprinzip, demzufolge Dienstleister im wesentlichen den Gesetzen ihrer Heimatländer unterworfen werden sollten, wurde auf Druck des Europaparlaments aus der Vorlage gestrichen. Dem Kompromiss zufolge müssen sie vielmehr die Vorschriften des Landes einhalten, in dem sie ihre Dienste anbieten. Dies soll ein Sozial- und Lohndumping etwa von Anbietern aus Ost- oder Südeuropa in Ländern mit strengeren arbeitsrechtlichen Bestimmungen und höheren Löhnen verhindern.

Zentrale Anlaufstellen gefordert

Im Gegenzug werden die EU-Staaten verpflichtet, ihre Märkte grundsätzlich Dienstleistern zu öffnen, die in einem anderen Mitgliedsland niedergelassen sind. Diese dürfen gegenüber heimischen Anbietern nicht diskriminiert werden. Jedes Mitgliedsland muss eine zentrale Anlaufstelle schaffen, an die sich Dienstleister aus anderen EU-Staaten wenden können. Über sie sollen alle Formalitäten problemlos aus der Ferne und elektronisch abgewickelt werden. Bestimmte Auflagen, etwa eine Niederlassungspflicht für ausländische Anbieter, sollen untersagt werden. Grundsätzlich müssen alle Anforderungen, die etwa aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gestellt werden, "erforderlich" und "verhältnismäßig" sein.

Die EU erhofft sich von dieser Richtlinie neuen Aufschwung für den Dienstleistungssektor. Davon dürfte nicht zuletzt Deutschland profitieren, das nach der jüngsten Statistik der Welthandelsorganisation (WTO) zum weltweit drittgrößten Exporteur von Dienstleistungen aufgestiegen ist.

Sensible Bereiche sind ausgenommen

Einige besonders sensible Bereiche, etwa audiovisuelle Medien, Gesundheits- und Sozialdienste einschließlich der Pflege, der öffentliche Verkehr sowie Lotterien und Spielcasinos wurden aus dem Geltungsbereich der geplanten Richtlinie ausgenommen. Das gleiche gilt für Bankgeschäfte, Rechtsanwälte und Notare sowie für "Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse", wie Post, Wasserversorgung oder Müllabfuhr. Auch die Verbraucherschutzregeln in den einzelnen Mitgliedsländern sollen nicht angetastet werden.

Strittig ist noch, wie die EU-Kommission die Liberalisierung der Dienstleistungen durch die demnächst 27 Mitgliedsländer kontrollieren soll. Außerdem erwarte das Parlament noch präzise Angaben der Kommission zum Schutz der nationalen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, sagte die Berichterstatterin Evelyne Gebhardt. Die SPD-Politikerin rechnet mit einer reibungslosen Verabschiedung durch das Europaparlament, wo die beiden großen Fraktionen den Kompromiss unterstützen. "Ich glaube, wir bekommen das unter Dach und Fach".

Vorbehalte gegen den Kompromissvorschlag äußerte bereits ein Experte beim europäischen Arbeitgeberverband Unice. Durch den Ausschluss zahlreicher Sektoren sowie den Verzicht auf das Herkunftslandprinzip würden die Liberalisierung - und damit die wirtschaftlichen Impulse - viel geringer ausfallen als ursprünglich erhofft. (Von Jutta Hartlieb, AFP)

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