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Wirtschaft: EU setzt Eichel beim Sparen unter Druck

Im Jahr 2004 muss der Stabilitätspakt eingehalten werden/EU-Abgeordnete befürchten Streit zwischen den Ländern

Berlin (fw). Weil Deutschland den Stabilitätspakt ständig verletzt, fürchten EUParlamentarier, dass es in der Europäischen Union zum großen Krach kommt. „Die kleineren Länder und die Spanier, die in den letzten Jahren ihr Defizit in den Griff bekommen haben, sind einfach sauer“, sagt Markus Fer ber, Vorsitzender der CSU-Gruppe im Europaparlament und Haushaltsexperte, dem Tagesspiegel. Die Europäische Kommission pochte am Montag darauf, dass Deutschland im kommenden Jahr die Defizitgrenze von drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt einhält.

„Schließlich haben die Deutschen auf die Einführung der Kriterien gepocht, und jetzt gefährden sie die Stabilität des Euro“, sagt Joan Colom i Naval, Abgeordneter der spanischen Sozialisten und Mitglied im Währungsausschuss im Europaparlament. Daniel Gros, Direktor des Centre of European Policy Studies in Brüssel, sieht die Verfehlung der deutschen Haushaltsziele als „Rückschlag für die EU und den Stabilitätspakt“. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) reagierte darauf, und versprach noch Montagabend, die Bundesregierung werde „alles daran setzen“, die Verschuldung 2004 wieder unter die Marke von drei Prozent zu drücken.

Die Länder der Eurozone hatten sich darauf verständigt, dass niemand Schulden machen darf, die über drei Prozent des Wertes aller im Land produzierten Waren und Dienstleistungen liegen. Deutschland hatte dieses Ziel schon 2002 verfehlt. An diesem Wochenende hatten sowohl Eichel als auch Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeräumt, dass es auch in diesem Jahr nicht klappt. Darüber hinaus gaben die beiden Spitzenpolitiker das Ziel auf, ab dem Jahr 2006 ganz ohne Schulden auszukommen.

Der Sprecher von Währungskommissar Pedro Solbes sagte am Montag in Brüssel, dass die höhere Neuverschuldung Deutschlands mit den EU-Beschlüssen zwar vereinbar sei. Bei der Kommission hieß es, wichtig sei vor allem, dass Deutschland das strukturelle Defizit wie geplant bis 2006 abbaue. Aus dem strukturellen Defizit sind Konjunktureinflüsse herausgerechnet, so ist rechnerisch ein Abbau auch bei schwachem Wachstum möglich. Allerdings wächst in EU-Kreisen die Sorge, dass Deutschland auf dem umgekehrten Weg ist – und 2004 zum dritten Mal die Defizitgrenze überschreiten könnte.

Die EU hat wegen der Überschreitung der Defizitgrenze im vergangenen Jahr bereits ein Defizitverfahren eingeleitet, an dessen Ende hohe Strafzahlungen stehen können. Darüber entscheiden die europäischen Finanzminister mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Hier können dann auch die Länder eine Rolle spielen, die ihr Defizit in Ordnung gebracht haben – und kein Verständnis für Deutschland haben. Die Kommission liefert die Vorschläge für die weiteren Schritte im Defizitverfahren. „Die Kommission wird Deutschland keine Extra-Behandlung liefern“, erwartet der Europaabgeordnete Markus Ferber. Auch Experte Gros glaubt, dass die Kommission und die kleineren Länder großen Druck auf die Bundesregierung in der Eurogruppe und im Finanzministerrat ausüben werden. „Die Koalition der beiden wird Deutschland letztendlich zur Vertragstreue zwingen“, sagte er. Im laufenden Strafverfahren wegen Verletzung des Euro-Stabilitätspaktes drohen hohe Geldbußen von bis zu 0,5 Prozent des BIP. Für Deutschland wären das bis zu zehn Milliarden Euro.

Eichel hatte sich verpflichtet, das strukturelle Defizit 2003 um einen Prozentpunkt zu reduzieren. Zugleich hatten ihm seine EU-Kollegen eine Frist bis zum 21. Mai gesetzt, um Schritte zum Defizitabbau einzuleiten. Dazu will Eichel in Brüssel die Agenda 2010 vorlegen – in der Kommission wurde diese bereits als positiv gewertet. Der Kommissionssprecher sagte, es gebe bereits Schritte der Regierung, die zu einem Abbau des strukturellen Defizits um mehr als 0,75 Prozentpunkte führten. Doch falls Deutschland dieses Jahr das Ziel einer Reduzierung um einen Prozentpunkt nicht erreiche, werde die Kommission genauere Budgetempfehlungen abgeben.

Solbes soll sich bei Eichel besorgt geäußert haben. Er „befürchtet, dass, wenn die Deutschen die drei Prozent drei Mal hintereinander nicht schaffen, die Franzosen und die Italiener keinen Grund mehr sehen würden, den Stabilitätspakt mitzutragen“, zitierte die „Financial Times Deutschland“ aus deutschen Regierungskreisen.

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