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Schicht im Schacht. Auf dem Archivbild macht ein Kumpel der Dinslakener Zeche Lohberg/Osterfeld Feierabend. Ab 2014 könnte europaweit Schluss sein.

© dpa

Europäische Energiepolitik: Berlin zockt im Kohle-Poker

Eine Förderung der Steinkohle über das Jahr 2014 hinaus ist nach der EU-Entscheidung kaum noch möglich. Um eine neue Förderung bis zum Jahr 2018 zu bekommen, braucht es rund zwei Drittel aller Stimmen im EU-Ministerrat.

Angela Merkels Beraterstab ist so groß, kaum zu glauben, dass sie die Rechtslage zur Kohlepolitik nicht kannte. Gleichwohl sagte sie jetzt zum Brüsseler Kommissionsvorschlag, wonach die Staatsbeihilfen für unrentable Kohlezechen spätestens 2014 auslaufen sollen: „Es wäre kein Fehler gewesen, man hätte mit den Mitgliedstaaten vielleicht noch einmal ein Wort gesprochen.“ Damit verbreitete sie öffentlich das Vorurteil, EU-Beamte würden den in Stein gemeißelten innerdeutschen Kohlekompromiss, der Steuergelder für die Kumpel bis 2018 vorsieht, im Alleingang torpedieren. Die Wirklichkeit jedoch sieht ein wenig anders aus.

Zum einen würde die Förderung ohne neuen Gesetzesvorschlag der Kommission eigentlich schon zum kommenden Jahr auslaufen. Denn geltendes Recht ist die EU-Verordnung 1407/2002 vom 23. Juli 2002. Darin heißt es: „Beihilfen dürfen unabhängig davon, ob es sich um einmalige oder auf mehrere Jahre verteilte Zahlungen handelt, nicht nach dem 31. Dezember 2010 gezahlt werden.“ Ausgehandelt wurde der Text, als der rot-grüne Wirtschaftsminister Werner Müller das Thema verantwortete. Der wechselte pikanterweise im Jahr darauf zur damaligen Ruhrkohle AG. Insofern bekommen auch die „Skandal“-Rufe des SPD-Chefs Sigmar Gabriel einen anderen Klang.

Vor diesem Hintergrund ist auch der deutsche Kohlekompromiss von 2007 in anderem Licht zu sehen. Bei Abschluss war die EU-Rechtslage bekannt, dass nämlich die zwischen Bund und Ländern gefundene Regelung nur für drei Jahre auf sicheren Füßen steht. Zudem heißt es in Kommissionskreisen, dass Berlin den Kompromiss nie von Brüsseler Wettbewerbshütern überprüfen lassen habe.

Es ist offenbar politisch gewollt gewesen, dass Brüssel eine Nachfolgeregelung der weiter geltenden Verordnung vorschlägt – wie dies nun am Dienstag geschehen ist. Allerdings liegen die Vorstellungen über Fristen weit auseinander: Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia schlug im Vorfeld ein Auslaufen der Beihilfen erst 2022 vor. Sein Heimatland Spanien ist neben Deutschland am stärksten betroffen. Dagegen machten sich Klimakommissarin Connie Hedegaard und der für die Umwelt zuständige Janez Potocnik für das Jahr 2014 stark – und setzten sich durch.

Energiekommissar Günther Oettinger scheiterte damit, ein „Kompromissjahr“ 2018, für das er vorab geworben hatte, in die Verordnung zu bekommen. An der Sitzung selbst nahm er nicht teil, da er auf einem Energiekongress in Washington weilte: „Die überwältigende Mehrheit in der Kommission hatte große Bedenken, die Subventionen über 2010 hinaus zu verlängern“, sagte er dieser Zeitung. Insofern sei mit dem Jahr 2014 das für Deutschland „bestmögliche Ergebnis“ erzielt worden.

Die vermeintliche Berliner Überraschung ist wohl dadurch zu erklären, dass die Bundesregierung auf einen Mittelweg zwischen 2022 und 2014 – also eben 2018 – spekulierte. Teilnehmer der Sitzung berichteten jedoch davon, dass sich die EU-Kommission aber nicht habe unglaubwürdig machen wollen, indem der letzten Verlängerung der Kohlebeihilfen eine allerletzte folge. Zudem, so eine hohe Kommissionsbeamtin, passe die Kohle nicht zur EU2020-Strategie, die auf grünes Wachstum durch erneuerbare Energien setzt.

Anfang Oktober nehmen sich die 27 Wirtschaftsminister des Themas an. Um die Verordnung zu blockieren, muss Merkel Mitstreiter finden, die für rund ein Drittel der Stimmen im Ministerrat stehen. Damit aber wäre nur der Ist-Zustand erhalten – womit Ende dieses Jahres Schluss wäre. Um einen neuen Verordnungstext mit dem Jahr 2018 zu bekommen, braucht es rund zwei Drittel aller Stimmen. Und dies wird nach Einschätzung von Beobachtern schwierig, da die meisten EU-Staaten überhaupt keine relevante Kohleförderung mehr besitzen.

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