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Wirtschaft: Europäische Zentralbank: EZB verblüfft die Märkte mit Zinssenkung

Die überraschende Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) ist am Donnerstag auf ein überwiegend positives Echo gestoßen. Auch die Börsen reagierten mit Kursgewinnen.

Die überraschende Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) ist am Donnerstag auf ein überwiegend positives Echo gestoßen. Auch die Börsen reagierten mit Kursgewinnen. Der Kurs des Euro profitierte. Die erste Zinssenkung seit mehr als zwei Jahren begründete EZB-Präsident Duisenberg mit nachlassenden Inflationsgefahren.

Zum Thema Chronologie: Die Zinsschritte der EZB seit Anfang 1999

Reaktionen: EZB erntet Lob aus der deutschen Kreditwirtschaft Die Euro-Währungshüter verringerten den entscheidenden Refinanzierungssatz von 4,75 Prozent auf 4,50 Prozent. Der Zinskorridor wurde ebenfalls gesenkt und liegt nun bei 3,50 Prozent und 5,50 Prozent. Auch die Bank von England und die dänische Nationlbank nahmen ihre jeweiligen Leitzinsen am Donnerstag zurück. EZB-Präsident Wim Duisenberg begründete den Schritt mit mittlerweile geringeren Risiken für die Preisstabilität, vor allem aber mit Verzerrungen beim Wachstum der Geldmenge nach oben. Auch dies mindere den Preisdruck. "Die Zinssenkung ist die Anpassung des Zinsniveaus an den mittlerweile geringeren Preisdruck", sagte Duisenberg nach der Sitzung des EZB-Rates. Die sei das richtige Zinsniveau für solides, inflationsfreies Wachstum im Euroraum. Nach wie vor rechnet die EZB in diesem Jahr mit einem Wachstum von 2,5 Prozent in Euroland. Grafik: Die Zinsentwicklung Mit der Zinssenkung hat die EZB nahezu alle Bobachter überrascht. Noch Ende vergangener Woche hatte auch Bundesbank-Präsident Ernst Welteke die weiter abwartende Haltung bestätigt. Seitdem haben sich jedenfalls für die Öffentlichkeit keine neuen Erkenntnisse mit Blick auf Preisentwicklung oder das Wachstum ergeben. Die EZB allerdings will erkannt haben, dass sich der Preisdruck mittlerweile reduziert hat.

"Die Risiken für die Preisstabilität sind nicht gänzlich verschwunden, aber sie haben sich verringert", sagte Duisenberg. Die Effekte durch höhere Benzinpreise aufgrund des teuren Rohöls nannte Duisenberg am Donnerstag vorübergehend ebenso wie die aufgrund von BSE und der Maul- und Klauenseuche gestiegenen Fleischpreise. Dies wie auch die Folgen des niedrigen Eurokurses würden sich allmählich abschwächen. Auch in den Tarifverhandlungen des laufenden Jahres hätte sich die Mäßigung bestätigt. Die Frage nach der Bewertung der Lohnforderung der Lufthansa-Piloten und möglicher Folgen beantwortete Duisenberg nicht.

Insgesamt rechnet Duisenberg damit, dass die Inflationsrate bereits im August oder September wieder unter die Marke von zwei Prozent fällt, Möglicherweise aber auch erst Anfang 2002. Eine Inflationsrate bis zu zwei Prozent betrachtet die EZB als Maßstab für Preisstabilität. Im März lag die Inflationsrate im Euroraum bei 2,6 Prozent.

Eine wichtigen Einfluss auf die Zinssenkung hatten den Angaben der EZB zufolge auch Verzerrungen der Geldmenge M3, die in der Geldpolitik neben der Preisentwicklung die entscheidende Rolle spielt. Sie sind der EZB allerdings seit längerem bekannt. Nach Angaben von Duisenberg wird die Geldmenge durch massive Zahlungen in so genannte Geldmarktfonds aufgebläht, die sich aber nicht auf den Geldkreislauf in Euroland auswirken. Die Dimension dieser Zahlungen habe man erst jetzt genau analysieren können. Durch die Korrektur habe sich herausgestellt, dass das Wachstum der Geldmenge mittlerweile unter dem von der EZB als angemessenen betrachteten Referenzwert von 4,5 Prozent liege.

Finanzexperten reagierten verblüfft. Beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel hieß es, vielleicht habe die EZB erneut versucht, ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren. Aus der deutschen Wirtschaft kamen unterschiedliche Reaktionen. Während der DIHT die Entscheidung als "übereilten Vorschuss" auf einen schwächeren Preisauftrieb wertete, begrüßte der BDI die Zinssenkung: Die Zinssenkung sei ein unterstützender, zugleich aber auch verantwortbarer Schritt. Der Aktienmärkte reagierte mit Kursgewinnen, der Euro legte vorübergehend zu.

ro

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