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Wirtschaft: Filmförderer kämpfen um ihre Legitimation - Neue Finanzierungsquellen beschleunigen den Strukturwandel

"Wenn mein Filmprojekt in Nordrhein-Westfalen keine Förderung bekommt, gehe ich eben nach Südafrika!" Diese Äußerung eines aufstrebenden selbstbewußten Potsdamer Filmproduzenten macht zweierlei deutlich: Die Filmfördereinrichtungen der Medienstandorte Nordrhein-Westfalen, Bayern, Berlin-Brandenburg und Hamburg stehen unter wachsendem Druck.

"Wenn mein Filmprojekt in Nordrhein-Westfalen keine Förderung bekommt, gehe ich eben nach Südafrika!" Diese Äußerung eines aufstrebenden selbstbewußten Potsdamer Filmproduzenten macht zweierlei deutlich: Die Filmfördereinrichtungen der Medienstandorte Nordrhein-Westfalen, Bayern, Berlin-Brandenburg und Hamburg stehen unter wachsendem Druck.

Sie wetteifern nicht nur miteinander um die attraktivsten Projekte, was clevere Produzenten geschickt auszunutzen versuchen, um höhere Fördersummen herauszuholen. Vielmehr müssen sie sich insbesondere bei englischsprachigen Filmen für den Weltmarkt auch gegen Konkurrenzländer in Übersee behaupten. Denn die locken inzwischen mit lukrativen Steuersparmodellen und anderen Vergünstigungen die Produzenten an.

Hierzulande stellen die Födereinrichtungen von Bund und Ländern mehrere hundert Millionen Mark pro Jahr für den deutschen Film bereit. Ohne diese Finanzspritzen hätte er wegen der erdrückenden Marktmacht der Hollywood-Konzerne wohl kaum überlebt, zumindest nicht in der gegenwärtigen Vielfalt. Gleichwohl zerren alle beteiligten Interessengruppen seit Jahr und Tag an den Förderinstitutionen herum, monieren angebliche Fehlentwicklungen und stellen immer neue Forderungen.

Es scheint, als ob diese Fördereinrichtungen nun den Spieß herumdrehen. Als erster zeigte Dieter Kosslick, Chef der einflussreichen, weil finanzstarken Filmstiftung Nordrhein-Westfalen den börsennotierten deutschen Großproduzenten und -verleihern die rote Karte. Weil die neugegründeten Aktiengesellschaften der Filmbranche und neuartige Fondsgesellschaften der Banken enormes Investorenkapital angelockt haben, ist nach seiner Ansicht in der Filmbranche derzeit "so viel Geld vorhanden wie noch nie". Kosslick: "Die deutsche Filmszene watet in den Scheinen."

Der Filmstiftungschef zieht daraus eine naheliegende Konsequenz: Die neuformierten Filmkonzerne können das wirtschaftliche Risiko einer aufwendigen Kinoproduktion nun viel leichter tragen. Für ihn stelle sich sogar die Frage, ob die Filmkonzerne in dieser Situation überhaupt noch öffentliche Gelder in Anspruch nehmen müssen. Dazu kommt ein wachsendes Effektivitätsdenken der Fördereinrichtungen, die längst nicht mehr wie Behörden, sondern wie privatrechtliche Unternehmen geführt werden. Damit steigt der Rechtfertigungsdruck für ihre Aktivitäten.

Kosslick ist in diesem Zusammenhang einem gravierenden Systemfehler auf die Schliche gekommen. Eine ausgeklügelte Kombination von Vertriebsförderungen, Verleihgarantien und Verteilungsschlüsseln habe inzwischen dazu geführt, dass selten oder nie Einnahmen aus der Kinokasse an die Fördereinrichtungen zurückfliessen.

Die derzeitige Rangordnung bei der Aufteilung der Auswertungseinnahmen begünstige die Verleiher übermäßig und sorge dafür, "dass nie richtiges Geld zu den Produzenten und Autoren fließt." Ein solches System verhindere Kreativität und gehöre daher abgeschafft. Außerdem entziehe es dem Förderkreislauf Gelder, die anderswo gebraucht werden. Letztlich untergräbt die Entwicklung sogar die Legitimation des Fördersystems in der Öffentlichkeit.

Reformbedarf gibt es nach Einschätzung von Branchenkennern auch an anderer Stelle der Förderlandschaft: Dank ihrer Schlüsselstellung in der Auswertungskette und den Sitzen in den Vergabegremien verfügten die Fernsehanstalten über zu großen Einfluss bei den Filmförderungen, monieren Kritiker seit langem. Diese Ansicht hat sich im Vorjahr auch Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) zu eigen gemacht. Der Minister dringt im Rahmen der Gespräche über ein Bündnis für Film auf eine Begrenzung der Sendelizenzfristen für geförderte Filme.

Hauptziel: Die Position der Produzenten in Deutschland soll gestärkt werden, um die Filmwirtschaft insgesamt international wettbewerbsfähiger zu machen. Im Raum steht sogar die Drohung mit einer Änderung des Filmförderungsgesetzes. Da es bei diesem Streit um viel Geld geht, droht ein harter Machtkampf. Derzeit scheinen die Gladiatoren noch zu trainieren, aber der Showdown lässt nicht mehr lange auf sich warten.

Reinhard Kleber

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