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Finanzen: Wie Kapitalflucht künftig verhindert werden soll

Die Finanzkrise hat die Neuregelung der Kapitalströme beschleunigt. Nicht zuletzt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gibt sich sich fest entschlossen, Steuerfluchthelfern das Handwerk zu legen.

Für viele amerikanische Kunden der Großbank UBS gerät das "Bankgeheimnis" der Schweiz dieser Tage zur bösen Falle. Auf Forderung der US-Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) wird die Bank in Kürze gut 19 000 US-Bürgern ihre außerhalb der USA geführten Konten einfach kündigen. Gleichzeitig werden auch die Beamten der zuständigen Steuerbehörde von der Existenz der – zumeist heimlichen – Auslandsvermögen erfahren. „Es gibt keine Chance mehr, das zu verstecken“, klagte einer der Betroffenen der „New York Times“. Tausenden droht eine Anklage wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Das Massenverfahren gegen die UBS-Kundschaft ist der jüngste Höhepunkt des seit Jahren laufenden Feldzuges der IRS gegen Länder, die Bankkunden aus den USA Anonymität gewähren. Schon 2001 hatte die US-Regierung durchgesetzt, dass Schweizer Banken den US-Behörden Auskunft über ihre amerikanischen Kunden geben müssen. Das entsprechende Abkommen hatte die Regierung erzwungen, indem sie damit drohte, den Banken beider Länder die US-Lizenz zu entziehen. Weil die UBS dennoch US-Bürgern bei der Tarnung ihrer Auslandsvermögen half, erhob das Justizministerium Anklage gegen den verantwortlichen Vorstand. Zudem musste die Bank die Daten ihrer Kunden preisgeben. Die Zeit der Schweiz als Steueroase ist damit zumindest für US-Bürger endgültig vorbei. Und wenn der neue Präsident sein Wahlkampfversprechen wahrmacht, dann werden US-Steuerfahnder mit gleicher Härte künftig auch gegen alle anderen Staaten von Hongkong bis zu den Cayman Islands vorgehen, die von der organisierten Steuerflucht leben. Dem US-Fiskus winken damit nach Ermittlungen des Senats Mehreinnahmen von weit über 100 Milliarden Dollar jährlich.

Davon können die Finanzminister der übrigen Welt bisher nur träumen. Anders als ihren US-Kollegen fehlte ihnen bisher das Druckmittel, um die Regenten der Steueroasen-Staaten zur Kooperation zu zwingen. Allein in der Schweiz sind darum Auslandsvermögen in Höhe von gut 3000 Milliarden Dollar registriert. Selbst nach Abzug aller denkbaren legitimen Anlagen, so kalkulierte der US-Steuerexperte Martin Sullivan, bleiben davon mindestens 600 Milliarden Dollar, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Umgehung der Steuerpflicht in die Schweiz geschafft wurden (siehe Grafik). Gut ein Drittel dieser Summe, so schätzte die Gewerkschaft der deutschen Finanzbeamten, gehört Steuerhinterziehern aus Deutschland.

Doch dabei soll es nicht mehr bleiben. Insbesondere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und seine Pariser Kollegin Christine Lagarde geben sich fest entschlossen, den Steuerfluchthelfern das Handwerk zu legen. Auf ihre Initiative beschlossen 30 der in der OECD organisierten Industriestaaten – unter Abwesenheit der Vertreter aus der Schweiz und Österreich – im Oktober 2008, dass die Organisation eine „Schwarze Liste“ von Staaten aufstellen solle, die zum Steuerbetrug einladen. „Auch die Schweiz“ gehöre auf diese Liste, forderte Steinbrück, weil sie die Datenübermittlung an ausländische Behörden verweigere. Dagegen gelte es nun „die Peitsche“ zu benutzen.

Dieser öffentliche Pranger hat sich allerdings schon einmal als wirkungslos erwiesen. Auf der von der OECD in den 90er Jahren aufgelegten ersten Schwarzen Liste waren ursprünglich 38 Staaten genannt. Die meisten sicherten daraufhin pro Forma die Kooperation mit ausländischen Steuerbehörden zu und wurden von der Liste gestrichen. Nur Andorra, Liechtenstein und Monaco blieben übrig. In der Praxis änderte sich jedoch wenig. Die OECD-Initiative blieb nicht zuletzt deshalb schwach, weil eben auch die Schweiz und Großbritannien Mitglied sind und im Interesse ihrer Finanzindustrie auf geringe Auflagen drängten.

Ähnlich stellt sich das Problem für die Europäische Union. Gemeinsam könnten die EU-Staaten im Prinzip so vorgehen wie die USA. Doch mit Österreich, Belgien und Luxemburg blockieren drei EU-Staaten diesen Weg, weil sie selbst per „Bankgeheimnis“ das Geschäft mit der Steuerflucht betreiben. Der lange Streit mündete 2004 in die „Zinssteuerrichtlinie“, der sich auch die Schweiz und andere Steueroasen unterwarfen. Diese verpflichtet die Mitgliedsländer, entweder Kontrollmitteilungen über die Einkünfte der Bürger aus den jeweils anderen Staaten zu verschicken oder selbst eine Quellensteuer von ab 2010 sogar 35 Prozent auf die Kapitaleinkünfte der EU-Ausländer zu erheben und diese an deren Heimatländer zu überweisen.

Aber der Erfolg war dürftig, weil die Steuer nur auf persönliche Einkünfte erhoben wird. Wer sein Schwarzgeld in einer Stiftung oder einem Unternehmen versteckt, wird nicht belangt. Gerade mal 80 Millionen Euro überwies die Schweiz im Jahr 2007 an die Bundeskasse, nicht mal zwei Prozent dessen, was eigentlich fällig wäre. Auf Vorschlag der EU-Kommission wird nun über die Schließung dieser Lücke verhandelt. Bis zum Erfolg könnten aber erneut Jahre vergehen.

So lange will Minister Steinbrück nicht warten. Mit einem „Gesetz zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken“ will er das Steuerrecht so verschärfen, dass im Extremfall der gesamte Geschäftsverkehr mit Staaten lahmgelegt wird, die nicht die von der OECD aufgestellten Kriterien der behördlichen Zusammenarbeit erfüllen. Der in dieser Woche fertiggestellte Gesetzentwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, sieht unter anderem vor, dass alle Zahlungen an Firmen in nicht-kooperativen Staaten nicht mehr als Betriebsausgaben anerkannt werden sollen, sofern die Bundesregierung das für nötig hält. Das würde nicht nur die verbreiteten Umwegzahlungen über Steueroasen unterbinden, mit denen viele Firmen ihre Gewinne dorthin verlagern. Zugleich würden auch die Dienstleistungen der Banken aus den Offshore-Zentren unverkäuflich. Die vorgesehenen Maßnahmen seien schon „sehr giftig“, urteilte der Wiesbadener Wirtschaftsprofessor und Steuerexperte Lorenz Jarass. Die Regierung wolle den Verweigerern in Liechtenstein oder den britischen Insel-Territorien wohl ihre „Folterinstrumente“ zeigen. Daraus machen Steinbrücks Beamte auch gar keinen Hehl. Es gehe darum, so schrieben sie in die Begründung, „die entsprechenden Staaten zu veranlassen, den Standards zu entsprechen.“

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