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Börse Frankfurt

© dpa

Börse: "Kurz vor der Kapitulation"

Der Dax fällt unter 6000 Punkte, die Börsenstimmung verdüstert sich. Ein gutes Zeichen, meinen Experten.

An den Aktienmärkten herrscht Endzeitstimmung. Binnen acht Wochen ist der Dax um mehr als 1200 Punkte gefallen, am Mittwoch sackte er sogar kurz unter die Marke von 6000 Punkten und markierte damit den niedrigsten Stand seit fast zwei Jahren. Der Markt ergötzt sich an Schreckensszenarien. Prognosen von einem Ölkurs von 400 Dollar machen ebenso die Runde wie Ängste vor einer jahrelangen Rezession.

Richtig ist: Definitionsgemäß befinden wir uns in einem Bärenmarkt, denn der Dax hat seit seinem Hoch im Sommer 2007 mehr als 20 Prozent abgegeben. Auch weltweit taumeln die Indizes. Die meisten Banken hat dieser rapide Verfall auf dem falschen Fuß erwischt. Ihre Jahresprognosen von teilweise über 8000 Dax-Punkten bis Ende 2008 sind zwar teilweise leicht zurückgenommen worden, doch in der Summe bleiben praktisch alle deutschen Banken mittelfristig optimistisch. Kaum ein Institut prognostiziert einen Jahresendstand von deutlich unter 7000 Punkten.

Skeptischer zeigen sich US-Institute wie etwa JP Morgan. Die US-Bank hat die 19 vergangenen Bärenmärkte unter die Lupe genommen, um daraus Hinweise für den Verlauf der aktuellen Baisse zu finden. Das Ergebnis: Im Schnitt dauerte ein Kursverfall in Europa sechs, in den USA 14 Monate, die Kurse fielen um 38 beziehungsweise 32 Prozent. Ein Bärenmarkt endete jedoch stets, wenn sich die Bewertungsniveaus wieder normalisiert hatten. In Europa, so JP Morgan, sei dies bereits der Fall, in den USA – rechnet man die derzeit irrational verzerrten Finanzwerte heraus – noch nicht.

„Wir sind in einer Phase irrationaler Übertreibung nach unten“, lautet dennoch das Fazit von Klaus Schrüfer, Chefanlagestratege und Volkswirt der SEB Bank, die zwar noch bei ihrer 8000- Punkte-Prognose bleiben möchte, aber „eine Überprüfung überlegt“. Verantwortlich für den Ausverkauf seien Marktpsychologie und Herdeneffekt. Viele Gründe kämen aktuell zusammen: die Sorgen vor einer Ausweitung der Bankenkrise, vor einem immer schwächeren Dollar, vor steigenden Rohstoffpreisen bei steigender Inflation und abgeschwächter Konjunktur. Diese Angst nähre die Baisse. So fielen vor allem Stimmungsindikatoren negativ aus. Positive Zahlen von Unternehmen wie etwa Philips, General Electric oder Intel hätten den Verfall der Indizes ebenso wenig stoppen können wie die weiter guten Auftragseingänge deutscher Unternehmen.

Einsteigen oder warten?

Wie massiv die Unsicherheit an den Märkten ist, zeigt etwa die Haltung der Deutschen Bank, die bisher noch einen Jahresendstand von 7700 Punkten prophezeit hatte. Man sei nun dabei, diese Prognose zu überarbeiten, so Sprecher Ronald Weichert. Schon im März hatte der Kursverfall der Indizes zu Rückstufungen der Bank-Prognosen geführt. Auch die Helaba kürzte ihre Prognose soeben von 7800 auf 7300 Punkte. Gleichzeitig sieht Markus Reinwand, Aktienmarktstratege der Bank, „in allen großen Indizes Einstiegskurse“. In der Nähe von Tiefstkursen, sagt Reinwand, seien Schreckensszenarien und Krisengeheul meist am häufigsten zu finden. Wenn Panik sich ausbreite, müsse man einsteigen. Die Bewertungen der meisten Aktien preisten erhebliche Gewinnrückgänge ein, argumentiert Reinwand. Vor allem Finanzaktien hätten bereits eineinhalb mal höhere Kursverluste erlitten als in den fünf zurückliegenden Rezessionen.

Mit einer kräftigen Erholung im Herbst rechnen selbst Skeptiker wie JP Morgan. Einig sind sich die Analysten jedoch darin, dass kurzfristig noch tiefere Kurse möglich sind. „Die Schlussphase der Kapitulation fehlt noch“, glaubt der Heleba-Experte. SEB-Kollege Schrüfer sieht vor allem in der Charttechnik Gefahren: kurzfristig könne der Markt nun bis auf 5550 Punkte fallen. Schrüfer rät deshalb, Käufe noch bis September zurückzustellen. Die Commerzbank hält weiter stark fallende Kurse für „unwahrscheinlich“. Normalisiere sich die Risikobereitschaft wieder, so könne sich der Dax auch schnell wieder „in die Region von 7000 bis 7200 Punkte vorarbeiten.“

Gewinnen bei fallenden Kursen

Wer mittelfristigen Optimismus mit dem Risiko kurzfristiger Verluste im eigenen Depot umsetzen will, kann auf eine ganze Reihe von Papieren zurückgreifen. Gefragt in unsicheren Zeiten sind Discount-Zertifikate, die dem Anleger einen Basiswert mit einem gewissen Rabatt einräumen, dafür aber die möglichen Gewinne mit einem „Cap“ deckeln. Der Discount ist dabei der Verlustpuffer:

So kosten Dax-Discounter mit einem Jahr Restlaufzeit und einer Obergrenze von 6500 Punkten derzeit gut 55 Euro gewähren damit sowohl einen Schutz vor Verlusten bis 5500 Punkten, erlauben bei steigenden Märkten andererseits aber auch maximalen Gewinn von rund 14 bis 15 Prozent. Jenseits von 6500 Punkten würde der Anleger an Gewinnen jedoch nicht mehr teilnehmen.

Auch Bonus-Zertifikate bieten unter gewissen Voraussetzungen einen guten Schutz vor Kurseinbrüchen. So zahlt das Zertifikat mit der Wertpapierkennnummer GS00QZ auf den Dax, das Goldman Sachs emittiert hat und das bis Juni 2011 läuft, einen Bonus von insgesamt 22,48 Prozent oder 7,1 Prozent pro Jahr, solange der Dax nicht unter 3400 Punkte fällt. Umgekehrt partizipiert der Anleger von Dax-Gewinnen bis zu einer Grenze von 10 200 Punkten. Generell gilt für Bonus-Zertifikate: Je näher die Barriere, bis zu der der Bonus greift, desto höher die Bonuszahlung. Allerdings mussten vor allem zuletzt viele Anleger die Erfahrung machen, dass die Bonusbarrieren erreicht wurden und sich das Zertifikat damit parallel zum Basiswert (Index oder Aktie) entwickelte und voll an den Verlusten partizipierte.

Einen begrenzten Schutz vor fallenden Kursen bietet auch ein Indexfonds (ETF) mit eingebautem Verkaufsoptionsschein (put) – der Lyxor ETF Dax-Plus Protective Put (ISIN LU0288030280). Dabei investiert der Anleger in eine Art Dax mit Fallschirm, denn die Anlage kombiniert ein Dax-Index-Investment mit einem Put und kann damit Kursverluste zu einem gewissen Anteil abfedern. Zum Vergleich: Während der Dax auf Jahressicht knapp 25 Prozent im Minus notiert, verzeichnet der ETF Protective Put einen Jahresverlust von knapp 14 Prozent.

Wer schlicht auf einen weiteren Verfall des Marktes setzen möchte, kann dies auch mit verschiedenen Bär-Zertifikaten der Landesbank Berlin tun. Das Geldinstitut hat etwa ein Papier ohne Laufzeitbegrenzung auf den Dax (WKN 586832) im Angebot, das binnen Jahresfrist spiegelbildlich zum Dax rund 25 Prozent zugelegt hat, also anders als Optionsscheine ohne Hebel und Laufzeitbegrenzung arbeitet.

Veronika Csizi

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